ex- spieler, trainer u. manager bei 96.
Seit 2007 ist Gerber Trainer der Nationalmannschaft von Madagaskar.
Madagaskar
Wo "Schlangen-Franz" der Heilsbringer ist
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Von Peter Stützer
12. September 2007, 14:36 Uhr
Der frühere Bayern- und St. Pauli-Profi Franz Gerber berät den Präsidenten und die Nationalelf Madagaskars. Zu dem Job auf der viertgrößten Insel der Erde kam der 53-Jährige, weil er als Entdecker Gerald Asamoahs, Sebastian Kehls und Fabian Ernsts gilt.
Es ist Dienstagmorgen, früh um sechs Uhr, Franz Gerber (53) ruft an und erzählt, er sei jetzt auf dem Weg zur Arbeit. Er ist ein Pendler, Pauschale inklusive. Von Hannover nach Paris, von Paris nach Madagaskar. 14 Stunden hin und nächste Woche wieder 14 Stunden zurück.
Er hat Air France gebucht, und wird bei der Sicherheitskontrolle erkannt. Tatsächlich. Ein Autogramm bitte, der Kuli schreibt noch nicht zu dieser Tageszeit, halt beim nächsten Mal. Gerber wundert sich und freut sich ins Telefon: „Man erinnert sich also doch noch an mich in Hannover.“ Und in Madagaskar sollen sie ihn jetzt kennenlernen. Er kommt angeflogen, um ihnen den Fußball beizubringen. Im Auftrag des Präsidenten, höchstpersönlich. Marc Ravalomanana hat offenbar einen Narren an ihm gefressen. Nein, sagt Gerber, keinen Schimmer, er weiß auch nicht warum. „Er muss wohl was über mich gehört haben.“
Dabei ist eigentlich lange nichts mehr zu hören gewesen von Franz Gerber, in der Branche wegen seiner früheren Vorliebe für Reptilien Schlangen-Franz genannt. Bis eines Tages dieser Job vom Himmel fiel: Teamchef der Nationalmannschaft von Madagaskar. Berater des Nationalteams und des Präsidenten. Und das kam so: Eines Frühlingstages klingelte das Telefon bei Gerber, am Ohr ein Attaché des Oberhaupts, das gerade auf Staatsbesuch in Deutschland weilte und den Ex-Fußballspieler, -trainer, -manager, -berater zur Audienz bat. Gerber flog nach München, erfuhr im einstündigen Gespräch mit Ravalomanana, dass die Not groß, die Kasse leer, und er, nur er der Heilsbringer sei.
Außerdem war zu erfahren, dass jemand dem Präsidenten von Gerald Asamoah, von Fabian Ernst, von Sebastian Kehl erzählt haben musste, „die ich entdeckt habe, die vorher keiner kannte, die alle Nationalspieler wurden“.
Einigen Profilneurotikern die Sonne genommen
In Hannover, wo sie ihn also heute noch erkennen, war Gerber mal so eine Art Episodenmanager. Häppchenweise. Von 1996 bis August 1997, von September 1997 bis 1999, von Juli bis Dezember 2001. Unglückliche Zeitspannen, die er sich so erklärt: „Ich bin halt nicht zu verbiegen. Und einigen Profilneurotikern habe ich wohl die Sonne genommen.“
Andere sagen, ihm sei die Trennung seines Jobs als Vereinsmanager und Spielerberater nicht recht gelungen, aber davon war beim Staatspräsidenten nicht die Rede. Gerber sollte Nationaltrainer werden, aber das hätte im Jahr neun Monate Anwesenheit erfordert, und das war nicht drin. Wo er doch in der Heimat mit seinem Bruder eine Spedition betreibt, den Goslarer SC 08 berät – und einige Spieler hat er auch noch. Also Berater und Pendler.
Ungefähr deutsches Zweitliganiveau
Es heißt, in Madagaskar seien Mythen und Märchen zu Hause. Auf der viertgrößten Insel der Welt vor Afrikas Ostküste existiert kaum ein Fleckchen Erde, von dem es keine aufregenden Geschichten zu erzählen gibt. In St. Marie spuken angeblich noch heute die Piratengeister. Und davon, dass man dorthin nicht gerade zur Kur reiste, erzählt der beliebte deutsche Shanty: „Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord. In den Kesseln, da faulte das Wasser, und täglich ging einer über Bord.“
„Ein wunderbares Land“, weiß Gerber zu berichten, der diese Woche zum dritten Mal anreist. Madagaskar ist immerhin zweimal so groß wie Deutschland, hat 17,5 Millionen Einwohner, in den nächsten Tagen spielen die Kicker die Endrunde der Meisterschaft aus. Vom Fußball dort weiß Gerber, dass er „noch in den Kinderschuhen steckt“, ungefähr deutsches Zweitliganiveau besitzt, die erste Liga bessere Strukturen braucht. Platz 163 in der Fifa-Weltrangliste ist auch nicht eben der Hit, knapp hinter den Salomon Inseln. Immerhin wurden im August die Komoren mit 3:0 vom Platz gefegt, davor hatte es seit dem 2:0 gegen die Nachbarinsel Mauritius fast zwei Jahre lang keinen Sieg gegeben. Wenn der Staatspräsident wirklich ein Fußballfreund ist, dann muss er des öfteren furchtbar Bauchschmerzen haben.
Fachmann für Tore
„Das Land ist im Aufbruch“, sagt Gerber, seine Französischkenntnisse sind es auch, die Landessprache lernt er fleißig und ein bisschen auch schon Madagassisch, die Fußballersprache nennt er ganz konkret „nicht so leicht und nicht so schwer“. Jedenfalls, „wer lernen will, der lernt sie“. Er will.
Ansonsten: Tore. Da ist er Fachmann. 30 in 93 Bundesligaspielen, 115 in 213 Zweitligapartien. Die Quote ist topp, Gerber erlebte seine Episoden als Spieler kurz beim FC Bayern, dem Wuppertaler SV, 1860 München, Hannover 96 und etwas länger beim FC St. Pauli, wo er phasenweise auch Trainer war. Möglicherweise tut ein bisschen Abstand ganz gut.
Er könnte sich ja ob des staatspräsidialen Interesses auch geschmeichelt fühlen, spricht aber nicht von Ehre, sondern eher nüchtern von „einer schönen Sache“. Ein dreiviertel Jahr gucke er sich die Sache jetzt an, und wenn sie läuft, will er mit dem Präsidenten über mehr reden als Reisespesen und kleine Pauschale. Mitte Oktober geht es gegen die Komoren-Inseln.
Bis dahin wird er pendeln. 14 Stunden hin. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Franz Gerber auf den 14 Stunden zurück den ersten seiner Nationalspieler neben sich sitzen hat.
Ex-Bomber Gerber
Jetzt Volks-Held
auf Madagaskar
Von FRITZ HAUTSCH
Er ging für den FC Bayern, 1860 München und St. Pauli auf Torjagd, brachte als Manager Hannover 96 in den Profi-Fußball zurück. Doch jetzt hat sich Franz Gerber (54) auf das größte Fußball-Abenteuer seines Lebens eingelassen – Nationaltrainer in Madagaskar!
Eigentlich sollte er Staatspräsident Marc Ravalomanana in Sachen Fußball ja nur beraten. „Aber bei einem Besuch im Spätsommer eröffnete mir Ravalomanana: ,Sie müssen uns zur Qualifikation zur WM 2010 bringen.‘ Da konnte ich schlecht Nein sagen“, lacht Franz.
Und Gerber schaffte das schier Unmögliche – durch zwei Siege über die Komoren (6:2, 4:0). Dabei hat Madagaskars neuer Volksheld mit Andriatsima und Paulim nur zwei Profis im Team. Und selbst die sind beim französischen Zweitligisten Nantes nur Ersatz...
Dem gebürtigen Münchner ist dennoch vor der Quali gegen Didier Drogbas Elfenbeinküste, Mozambique und Botswana nicht bange. Franz: „Auch die acht Gruppen-Zweiten erreichen die 2. Runde. Das können wir schaffen.“
Denn Gerber hat große Pläne, will als erstes die Liga des Inselstaats auf Vordermann bringen. „Die erledigen in nur vier Monaten die Regional-Meisterschaften der 22 Bundesländer. Danach haben die meisten Spieler acht Monate keine Praxis mehr. Sowas ist für die Nationalelf natürlich tödlich.“
Problem allerdings: Der Inselstaat Madagaskar (eineinhalb mal so groß wie Deutschland!) zählt zu den zehn ärmsten Ländern der Welt. Woher soll da das Geld für Gerbers große Pläne kommen? Franz: „Ende des Monats fliege ich wieder in den Indischen Ozean, werde den Präsidenten um eine Anschubfinanzierung bitten.“
Wird Tausendsassa Franz auch noch schaffen, wetten?