Steilpass hat geschrieben:
War denn nicht Fromberg auch tatsächlich nur ein - zahnloser - Frühstücksdirektor und war denn nicht Vehling auch naiv und führungsschwach? Man mag von der Berichterstattung verschiedener Medien halten, was man will; diese Einschätzung jedoch scheint mir durchaus zutreffend zu sein.
Fromberg hatte sich doch bereits dadurch selbst demontiert, dass er - größenwahnsinnig oder dumm - davon ausging, neben seinem Notaramt hauptberuflich einen Bundesligaverein führen zu dürfen. Vehling wird man selbst mir größter Zuneigung nur mit Mühe größere Fähigkeiten im besonderen Business "Bundesliga" nachsagen können. Wer einen Erbpachtvertrag für Hannover 96 zusammenbasteln kann muss noch nicht zwingend ein brauchbarer Geschäftsführer der Spielbetriebsgesellschaft sein. Insoweit kann ich die unbelegt behauptete "tendenziöse" Berichterstattung der lokalen Medien nicht feststellen.
Und dass nun ausschließlich "proaktiv" für Kind in berichterstattender Weise gearbeitet wird, halte ich auch für eine durch nichts belegte Behaupung. Richtig ist aber, dass Kind - der wirtschaftliche und sportliche Erfolg spricht da in den letzten 6 Jahren für sich - mehr richtig als falsch gemacht hat und es schon aus diesem Grund keinen Anlass gibt, medial auf ihn einzuprügeln.
Ich habe eher das Gefühl, manche User hier und auch im selbsternannten "Fanmagazin" halten es für pressetechnische Nestbeschmutzung, wenn verschiedene Sportredakteure insbesondere auch über die Vereinsführung kritisch und durchaus differenziert berichten. Dass ein "Fanfreund" wir Fromberg völlig ungeeignet ist, in der heutigen Zeit einen Bundesligaverein zu managen, dürfte doch wohl völlig unstreitig sein. Mit Schal und Rauchschwaden auf der Tribüne zu sitzen oder sich gelegentlich öffentlichkeitsgeil "unters Volk" in den Fanblock zu mischen dürfte mittelfristig etwas wenig sein, um das graue Mittelfeld der Liga zu verlassen.
Mit anderen Worten: Wer selbst kritisch und selbstkritisch den Verein beobachtet, wird merken, dass die lokale Presse mit ihren Einschätzungen grundsätzlich nicht so verkehrt liegt. Und gleichgeschaltete Berichterstattung brauchen wir nun wirklich nicht.
Steilpass
Von Frombergs Fehler lag darin, dass er dachte, er könne sich über das Unabhängigkeitsgebot für Notare hinwegsetzen und sich im zweiten Anlauf doch noch seinen Jugendtraum vom 96-Chef erfüllen. Ich habe die Art und Weise seiner Kontaktaufnahme zu den Fans auch als anbiedernd empfunden, glaube aber, dass es bei vielen Fans ankam. Er hat sich aber als ehrenamtlicher Präsident trotzdem sehr eingesetzt und viel Zeit auf den Verein verwandt. Es kotzt mich an, wenn die lokale Presse ein solch ehrenamtliches Engagement auf eine Weise diffamiert, die auf die Verletzung der Persönlichkeit abzielt.
Herr Kind ist zur Zeit in genau der gleichen formalen Position - warum ist er dann kein Frühstücksdirektor? Weil er mit dem Hinweis, er würde schließlich alles bezahlen, Leute aus ihren Positionen kickt, die da vorher vom Verein legitim hineingewählt worden sind, wie der Vorsitzende des Aussichtsrates Wendt. Aber unsere lokale Presse begleitet diese Entwicklungen vollkommen unkritisch und schreibt ihm bei jeder Gelegenheit lobhudelnde Artikel wie zuletzt Balkhoff in de Haz.
Deine Einschätzung zu Vehling teile ich nicht und dein Hinweis auf die "Erbpachtverträge" zeigen, dass du seinen Aufgabenbereich eh nicht begriffen hast.
Vehling hat sicher auch seine Fehler gemacht, aber er ist auf Wunsch von Kind nach dessen überstürzten Rücktritt in die Bresche gesprungen- im Bereich der Profiabteilung war es Neuland, im Bereich der Sales und Servive und als Stadiongeschäftsführer war er schon profiliert und hat die Entwicklung von 96 seit dem Wiederaufstieg in die 1. BL entscheidend mitgeprägt.
Die Idee, das Stadion umzubauen und sich damit für die WM zu qualifizieren stammt von Kind. Die Umsetzung jedoch und der Verhandlungspoker mit den verschiedenen Finanziers ist Kind jedoch erst gelungen als Vehling zu dem Projekt stieß. Die Widerstände im Verein gegen den Bau ausgeräumt zu haben, ist ebenso Vehlings Verdienst, wie die Tatsache, dass das Stadion im Kosten- und Zeitrahmen fertiggestellt wurde und das es so gut gebaut wurde, dass nicht mal die Stiftung Warentest etwas zu mäkeln hat. Diese Dinge gehen auf das Konto von Vehling, auch wenn Kind dafür gefeiert wird.
Die Aufgabe in der Sales& Service, die in der Finanzierung eines 35 Mio Etats liegt, aus dem sämtliche Ausgaben und Investitionen des Gesamtgebildes 96 bestritten werden müssen, hat Vehling ebenfalls hervorragend bewältigt, da bei seinem Rücktritt alles im Budget lag und Hannover 96 im Bonitätsranking der SZ auch unter Vehlings Leitung der 2. Platz nach Bayern-München bescheinigt wurde.
Auch als verantwortlicher Koordinator für die WM-Organisation hat Vehling ganze Arbeit geleistet. Wenn Rehberg so jemand zwei Wochen später als "naiv und führungsschwach" bezeichnet, zeigt das nur den begrenzten Horizont und die anmaßende Selbstgefälligkeit dieses Journalisten.
Bleibt die Aufgabe Vehlings bei der Profiabteilung, in der er als Finanzgeschäftsführer agiert hat. Das heißt, er hatte dafür zu sorgen, dass
der vorhandene Finanzrahmen im Lot bleibt und die Lizensierung nicht gefährdet wird. Hinsichtlich der sportlichen Entscheidungen hat er sich auf die Einschätzungen von Kaenzig verlassen und ihm auch mehr freie Hand gegeben als Kind es vor ihm getan hat. Kind behauptet zwar immer, dass er für für die sportlichen Entscheidungen ja die sportliche Führung hätte, de facto laviert er aber herum und stärkt einmal dem Trainer und einmal dem Manager den Rücken und wenn es schief geht, wird einer von beiden wohl schon schuld sein.
Vehling hat es anders gemacht, indem er die Kompetenzen klar verteilt hat und die Hierarchie festgelegt hat. Vehling hat ganz klar die Position des Managers gestärkt und den Trainer an die kürzere Leine genommen, weshalb dieser ihn auch nicht mag. Selber ist er nur im Notfall öffentlich als Entscheider aufgetreten- so z.B. bei den Zurechtweisungen des Trainers nach seinen Klinsmann-Attacken und der in-Fragestellung des Saisonziels sowie dem Schreiben an Alloffs im März, man möge Mertesacker nicht länger behelligen.
Dies wäre meiner Meinung nach allerdings alles eher Kaenzigs Aufgabe gewesen, der an diesem Punkt entweder noch zu jung oder zu schwach ist. Vehling hat allerdings wahrscheinlich unterschätzt, dass die Sehnsucht nach dem Auftritt des "starken Mannes" nach dem Rücktritt von Kind sehr vermisst wurde und nicht gesehen, dass er nach der gescheiterten Doppelspitze mit v. Fromberg mehr "Showtyp" hätte sein müssen- auch wenn er diese Rolle nicht mag. Fachlich-inhaltlich kann ich nicht erkennen, wo Vehling so große Fehler gemacht haben soll, dass eine so diffamierende Presseberichterstattung gerechtfertigt gewesen wäre.
Schlecht bekommen ist Vehling offensichtlich seine harte Hand bei der Beseitigung von privilegierten Konditionen bei der Kartenvergabe im VIP-Bereich, die offensichtlich zu großen finanziellen Einbußen für 96 geführt haben müssen. Darauf hat Vehling ja selbst in einem Interview mal hingewiesen. Obwohl ich sein Handeln auch hier grundsätzlich richtig finde, scheint er mir zu wenig taktisch vorzugehen und zu wenig auf verletzte Eitelkeiten Rücksicht zu nehmen. Man muss ihm aber sicher zu Gute halten, dass er bestehende Finanzlöcher nicht durch privates Geld schließen kann. Bei Kind dagegen fließen Geschäftsführungsaufgaben und seine Position als Geldgeber ineinander, worauf Wiederheim vor einiger Zeit in einem Artikel in HAZ sogar selbst hingewiesen hat. Umso ertaunlicher finde ich jetzt die kritiklose Berichterstattung über Kinds "Rücktitt vom Rücktritt" und die unsachliche Diffamierung der ehemaligen Geschäftsführung, die meiner Meinung nach in nur 10 Monaten doch sehr viel geleistet hat.
Vor allem die Begründung von Kind, er müsse jetzt eingreifen, weil der Club abstiegsgefährdet sei, ist doch hanebüchen. Denn kaum 3 Wochen später von Abstiegssorgen keine Spur mehr. Jetzt sieht Kind plötzlich eine "tolle Mannschaft", mit der man viel erreichen könne. Dennoch hält auch Kind daran fest, dass 96 sich erst mittel- und langfristig im oberen Tabellendrittel etablieren müsse, für die nächste Zeit aber erst einmal nur eine bessere Platzierung als in der letzten Saison anstrebe. Für die gleiche Haltung wurde Vehling in der lokalen Presse attackiert. Über das "Niemandsland der Tabelle" wurde gejault und jetzt ...?
Wenn das, Steilpass, deine Vorstellung von "kritischer und durchaus differenzierter" Berichterstattung ist, dann bist du mit unserer lokalen Presse sicher gut versorgt.
Davon einmal abgesehen, dass wie Gunther es oben auch schon geschrieben hat, nicht die Aufgabe einer seriösen Presse ist, auf Leute "medial einzuprügeln", kann es auch dem blindesten Leser nicht entgehen, wie unterschiedlich die Maßstäbe bei Vehling und Kind hier angelegt werden. Natürlich hat Kind in den letzten Jahren mehr richtig als falsch gemacht - allerdings gilt das für Vehling auch, der zudem auch vor seiner Zeit als Geschäftsführer der Profiabteilung seit mehreren Jahren enger Berater von Kind bei 96 war.
Die Einschätzung, die einige user hier über die mangelnde Unabhängigkeit von Sportjournalisten geäußert haben, wird im Übrigen von einigen sehr renommierten Sportjournalisten geteilt. So schrieb z.B. Hans Leyendecker im August 2005 in der Süddeutschen Zeitung über den angeschlagenen Ruf der Sportjournalisten:
"In keinem anderen Journalismusbereich haben sich so symbiotische Verhältnisse zwischen Akteuren und Beobachtern entwickelt".
Und zuvor war in der "Zeit" zu lesen:
"Es ist ein Missverständnis, dass Fußballreporter außen stehende Beobachter seien, die neutral Neuigkeiten gewichteten. Vielmehr sind sie oft Diener ihrer prominenten Quellen".