22.8.2004 U19-Testspiel: FC Schalke 04 – Hannover 96 3:1 (2:0)
Unser letzter Besuch eines Spiels der Schalker A-Jugend ist schon ewig her: Vor fünf Wochen in Gladbeck, danach verdrückten sich die Nachwuchs-Kicker zu zwei „Testspielen“ nach Japan (ohne uns! Wie gemein!) und in ein Trainingslager (ohne uns! Gott-sei-Dank!). Jetzt, eine Woche bevor die Saison mit dem Knaller bei Borussia Dortmund beginnen wird – einer Partie, die wegen der „besonderen Brisanz“ freundlicherweise auf Montags gelegt wurde, damit wir auch bestimmt nicht kommen können (Wie unverschämt!) – jetzt also steht ein echter Härte-Test an:
Der Gegner in der Glückaufkampfbahn ist die U19 von Hannover 96, amtierender Meister der Regionalliga Nord/Nord-Ost, und zuletzt im Halbfinale der Deutschen Meisterschaft denkbar knapp gescheitert am späteren souveränen Sieger Bayern München.
Bei sonnigem, aber recht kühlem Wetter rollt das silberne Geschoss auf dem kleinen Schotterplatz vor dem Südtor der glorreichen Spielstädte aus. Es ist kurz vor 11Uhr am Sonntagmorgen, das Tor ist offen, die Kasse zu. Freier Eintritt, also. Der Grill wird zu unserer Freude schon mit den zweitbesten Bratwürsten der Republik bestückt (wer über das „zweitbeste“ lamentieren will, der probiere bitte mal die Wurst in der Bezirkssportanlage „Am Hallo“ in Essen) und steht ausnahmsweise mal ganz woanders, nämlich nicht an der alten Tribüne, sondern gegenüber, vor dem verrottenden Toilettenhaus, äh, vor den aussergewöhnlich pittoresken Sanitären Anlagen, wollte ich sagen.
Weil vier Stunden später die Schalker Amateure hier im Stadion ihr erstes Oberliga-Heimspiel der Saison bestreiten werden, müssen die A-Jugendlichen mit dem Nebenplatz vorlieb nehmen. Das ist auch ein schöner Rasenplatz, aber statt Tribüne gibt’s hier nur drei Holzbänke, einen noch leicht feuchten Grashügel und ein paar Baumstümpfe. Man steht also. Und das trifft nicht nur auf uns etwa 80 Zuschauer zu, sondern auch auf Trainer Elgert, denn auf den harten Ersatzbänken sitzen 10 Schalker Auswechselspieler und für den Chef und seinen Assistenten ist kein Platz mehr. Einer der Jungs wird beordert, um die beiden unverzichtbaren Plastikstühle zu holen und in der Sonne an der Mittellinie aufzubauen, und dann müssen die Nachwuchshoffnungen ihre Bank an den Trainer heranrücken, damit sie seinen weisen Ausführungen während des Spiels besser lauschen können.
Die Jungs aus Hannover sind nicht so zahlreich, und laufen, wie ihr hinterm Tor geparkter Reisebus, ganz in Weiss auf, bei den natürlich in Blau erscheinenden Schalkern haben wir mal wieder Probleme zu erkennen, wer das denn alles ist: Lamczyk – Bayram, Grembowitz(??), ? (ist das Boenisch? Dann muss er beim Friseur gewesen sein, und ausserdem spielt der doch sonst ganz links ?), ? – Klinger – Kunert, Heppke – Baumjohann – Altin(?), Perras(?)
Das Spiel beginnt und Schalke04 ist sofort am Drücker. Unser 9er (Perras, glaub’ ich) ist nicht nur gross, sondern auch unheimlich schnell. Links steht Markus Heppke gut, er spielt stark nach vorn, setzt den schnellen Stürmer mehrmals gut in Szene, aber Elgert scheint er manchmal zu weit weg vom Gegenspieler zu stehen. Seine „Makkkusss!“-Rufe sind so häufig, dass man sich daran gewöhnt wie an’s Rauschen der A42 da drüben hinter der Seitenlinie. Nach 10 Minuten scheint um Heppke herum eine Luftdruck-Anomalie zu herrschen, denn offenbar hört er die Rufe seines Trainers nicht mehr, obwohl diese gerade deshalb noch lauter werden.
Rechts kommt Kunert jetzt öfter nach vorne, meist läuft der Ball von Baumjohann zu Kunert, der rennt und dribbelt, und gibt zu Perras, aber mehrfach wird zweifelhaft auf Abseits entschieden. Hannover sieht wirklich nicht gut aus, man kämpft ums Überleben, und erst nach 20 Minuten kommen die „Roten“, wie sie sich ja bescheuerterweise aus Marketinggründen seit einigen Jahren nennen, erstmals brauchbar vor’s Tor. Lamczyk hat keine Probleme mit dem Ball, aber offenbar mit dem Abschlag – den drischt er nach vorne, wo nur ein Blauer in der weissen Abwehr lauert. „Dennis !!! Drei gegen Eins !“ ruft Elgert, und zukünftig wird Lamczyk den Ball lieber abwerfen.
Ich bemühe mich derweil um meinen besten Rehblick, und erreiche so, dass meine Weltbeste mal hinüber zum Grill läuft, um dort nach dem Rechten zu sehen. Nein, sind noch nicht fertig? Wieso pflaumt Elgert den Grill-Meister nicht mal an ? Naja.
Unser Trainer hat auch so genug zu tun. „Sali! Eins gegen Eins !“ (soll heissen: versuch doch mal ein Dribbling – trau dich!), dann „Perfekter Zweikampf!!“ nach einem Pfiff des Schiedsrichters gegen Schalke und der erwidert „Linienrichter-Entscheidung! Wird genauso akzeptiert wie Schiedsrichter-Entscheidung!“, und dann natürlich wieder: „Makkkuus!“ ergänzt um „Explodier doch mal !!“, und tatsächlich tut der das dann auch: Nach einem guten Lauf von Grembowitz (?), kommt der Ball links hinaus zu Heppke, und der zerlegt glücklicherweise nicht sich, sondern die gegnerische Abwehr, flankt hoch über Verteidiger und Torwart hinweg zu Kunert, der aus 12 Metern hart und flach zum 1:0 verwandelt.
Fünf Minuten später dann startet Heppke wieder, diesmal aber direkt auf’s Tor zu, er umspielt die Verteidiger und schiebt zum 2:0 ein – wirklich eine Klasse Einzelleistung. Fortan ist Heppke auch wieder voll dabei, nachdem er sich die Minuten vor dem ersten Tor doch etwas hängen lies. Mit Kunert wechselt er jetzt ab und zu die Seite, und die Hannover’sche Abwehr ist ziemlich in Verlegenheit.
Aber es kommt zu keinem weiteren Tor, Elgert fordert in den letzten Minuten „Kontrolle“ und die Aussenstürmer ziehen sich weiter zurück, machen das Mittelfeld zu.
2:0 zur Pause. Schalke ist wirklich total überlegen, ohne aber besonders gut zu spielen. Im Mittelfeld hat Baumjohann ein paar wenige Szenen, glänzt insbesondere, wenn er den Ball nur streichelt und leicht an seinen Gegenspielern vorbei zaubert – aber wenn etwas nicht gelingt, und das passiert häufig, dann braucht der Jungprofi eine ganze Weile, bis er die Enttäuschung überwindet und wieder Gas gibt. Elgert muntert ihn mehrfach auf, aber je länger das Spiel geht, desto häufiger findet es ohne Baumjohann statt. Vielleicht trainiert und spielt er bisher zu selten mit dieser Elf.
Zu Höchstform aufgelaufen ist glücklicherweise inzwischen der Grill. Ach, welche Leckerei ! Mit der vielleicht doch besten Bratwurst der Republik verziehen wir uns jetzt hinüber an die andere Seitenlinie, setzen uns ins Gras, blinzeln in die Sonne und verfolgen so eine zweite Halbzeit, zu der Schalke auf drei Positionen verändert aufläuft: Drei der Besten sind draussen geblieben: Bayram, Heppke, Klinger.
Das Spiel ist jetzt viel ausgeglichener. Hannover hat zwei gute Chancen, aber unsere Innenverteidigung rettet. Vorne sorgt Perras für viel Wirbel, ist zu schnell und zweikampfstark für seine Gegenspieler. Aber das Spiel verliert mehr und mehr an Klasse, plätschert schliesslich nur noch so dahin.
Der Gäste-Torwart brüllt konstant sein „Verschieben!“, „Jetzt! Alle!“, und andere Wichtigkeiten ins Feld, mit einer Stimme, die an einen Hirsch in gewissen Nöten erinnert. Vor uns die Mädels am Zaun kichern bei jedem Schrei des Keepers. Ungefähr um die 65.Minute herum werden auch Perras und Kunert ausgewechselt, und jetzt ist Hannover sogar leicht überlegen, aber nur bis zum 16er geht ihr Spiel, dann fehlt’s an Ideen.
Ich ertappe mich dabei, dass ich in der Birke gegenüber die Blätter zähle, und zwinge mich, die letzten zehn Minuten nochmal aufzupassen. Das lohnt sich, denn schon kurz darauf fuddelt sich Baumjohann in die Abwehr der Weissen, äh, „Roten“, legt zurück zu Durmaz und der knallt den Ball aus 22 Metern zum 3:0 unter die Latte. Tor des Monats, würde ich mal sagen. Hat natürlich niemand gefilmt, logisch.
Jetzt erscheint Bilal Aziz, der nachher mit den Amateuren gegen Sprockhövel spielen wird, und als Antwort auf das „Na, Bilal, Alles Klar?“ eines Zaungastes zeigt er das Victory-Zeichen – aber der U23-Trainer Kleppinger, der mit Flipcharts beladen aufkreuzt, der schüttelt den Kopf – „ja, wir haben einige Verletzte nachher..“. Und dann kommen auch schon die Betreuer der Amateur-Elf und schleppen alles Mögliche in die Kabinen.
Auf dem Platz tut sich nicht viel. Erst in der 90.Minute kommt Hannover zu einer guten Chance: Ein Freistoss aus 20 Metern, ein schöner Schlenzer, und „Päng!“ – an den linken Pfosten. So ein Pech. Der Schiedsrichter lässt ein wenig nachspielen, und plötzlich ist der Hannoveraner Linksaussen durch, schiesst, Lamczyk kommt nicht ran, „Päng!“, derselbe Pfosten.
Während der Ball wieder ins Mittelfeld läuft, lehne ich mich zurück und meine altklug zu der holden Hellenin: „Da, jetzt pfeift er ab, ohne dass die noch ein Tor schiessen“ und rums, zappelt das Ding im Netz. Die Europameisterin nickt ihrem Göttergatten lächelnd zu, und der Pseudo-Fussball-Experte errötet leicht – wegen der vielen Sonne, versteht sich. Einen Verzweiflungsschuss nach vorne hat der hinterlistige Rechtsaussen aufgenommen und aus 16 Metern in den Winkel gedroschen. Kann ja keiner ahnen. 3:1. Angepfiffen wird nicht mehr.
Die erste Halbzeit macht Hoffnung, aber Hannover war wirklich viel zu schwach, es würde mich wundern, wenn Leverkusen, Bochum und Köln, ja, oder sogar die Schwatt-Gelben nicht deutlich stärker wären. Apropos: Als wir gerade gehen wollen, taucht Heiko Herrlich auf, ganz in schwarz, und wie immer bin ich überrascht wie klein und dünn doch viele Profi-Fussballer sind. „Na, fischste in fremden Gewässern ?“ wird er gefragt von einem anderen Ex-Profi, der das Spiel bei den Hannoveranern an der Bank verbrachte (Ich komm doch echt nicht auf den Namen – dabei ist die „Lockenpracht“ geradezu legendär!). Heiko Herrlich bejaht die Frage und grinst. Tut irgendwie richtig gut, ihn hier so gesund und fröhlich auf’m Sportplatz zu sehen.
Wir haben jetzt über zwei Stunden Zeit bis zum nächsten Spiel, man könnte sich am Parkstadion die U17 gegen Baunatal ansehen, aber wir bleiben lieber hier „in der Gegend“ und testen mal die Bratwurst in der Kneipe des Fanclub-Verbandes. Für’ne Medaille reicht’s nicht, aber die Bedienung ist erste Sahne.
Und dann sitzen wir wieder in der Sonne an der Glückaufkampfbahn, futtern ein paar Brombeeren von den Büschen hinter den alten Stehplätzen, und warten auf das nächste Match.
Fussball ist doch was Feines.
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