Mit Bemeh on Tour.....
Bereits am frühen Freitag wurden die 96-Schals eingepackt und der Weg nach Heilbronn eingeschlagen. Liebe Gastgeber, deren Zuneigung zu Dietmar Hopp und 1899 Hoffenheim nicht verborgen blieb, warteten bereits auf uns. Es sollte ein schöner Abend werden, wo der Fußball nicht das Hauptthema für sich in Anspruch nehmen konnte.
Wie in dieser Gegend üblich, wird vor dem Wochenende in der Tageszeitung veröffentlicht, wer den Besen vor die Tür stellt. Besenwirtschaft nennt man die Lokalitäten. Wer Beine und gute Laune hat, drängt in die Wirtschaft. Alle Altersstufen sind vertreten und schlürfen die Weine des Hauses. Eine eigene "Besenkarte" mit kleinen Speisen lässt dem Gast die nötige "Unterlage" schaffen, um nicht vorzeitig neben dem Tisch liegen zu müssen.
Warum die Besenlokale bis zum letzten Platz gefüllt sind, haben wir jetzt auch verstanden. Gute Laune ist an der Tagesordnung und der Geldbeutel lacht noch dabei; denn mit dem Einsatz von 20 Euro kann man locker alle Sorten auf der Weinkarte probieren und ein leckeres lokales Essen zu sich nehmen.
Wie bei Bemeh und mir üblich, hören wir in der Kneipe erst auf, wenn alle Themen durch sind. Da wir die 40 überschritten haben, können wir auch über Dinge reden, die nichts mit dem Fußball zu tun haben....
Ach ja, richtig, Fußball wurde auch gespielt. Den Wein noch in den Kleidern hängen, machten wir uns auf zur Rhein-Neckar-Arena nach Sinsheim. Die Anfahrt war ohne Probleme, da sehr nah an der Autobahn gelegen. Man stellt ja gerne Vergleiche an, so auch dieses Mal. Der Weg zur Allianz-Arena und VW-Arena ist weit weniger angenehm. Was die genannten neuen Tempel verbindet, ist der fehlende Charme im Umfeld. Da ist kein Maschsee für die Augen und auch kein Courtyard für die Vorglühphase zu finden. Autos, Einweiser und Polizisten prägen das Bild vor dem Stadion. Der Geruch von Bratwürsten fehlt ebenso wie das alkoholhaltige Bier. Man kann nicht alles haben, einen Dietmar Hopp und dann auch noch die gefühlte Stadionatmosphäre eines Traditionsvereins. Da standen wir da, Bemeh, Carpaccio, ElFi und ich, ohne richtiges Bier und weinten den "Durchgezapften" bei Heimspielen nach,
Das Spiel ist schnell erklärt. Die "Roten" waren in den ersten 20 Minuten so gut wie nicht auf dem Platz. Unsicherheiten, Nervosität und Fehler prägten das Bild. Einzig Kapitän Robert Enke und Hanno Balitsch zeigten sich in dieser Phase von der Körpersprache her voll im Bilde. Hoffenheim dominierte deutlich, ohne den Glanz des Hinspiels auch nur ansatzweise wiederholen zu können. Überraschend eigentlich, dass sie einen Elfmeter brauchten, um in Führung gehen zu können.
Was sich schon im Kreis vor dem Spiel bei einer Ansprache an die Mitspieler andeutete, wurde im Spiel mehrfach bestätigt, nämlich die von Robert Enke an diesem Tag ausgehende Leidenschaft und Willenskraft, dem drohenden Abfall auf den Relegationsplatz zu entgehen. Vorbildlich, wie sich Enke als Kapitän zeigte, absolute Spitzenklasse auch seine Taten bei gefährlichen Situationen im Strafraum. Oft frage ich mich aber auch, wieso man ihn auch anders sehen kann, wie zum Beispiel in München. In diesem Spiel eine Heulsuse und ein Jammerlappen, drehte er in Hoffenheim einfach ebenso deutlich in die andere Richtung. Hut ab Robert Enke, so bist du auch bei mir die Nummer 1 in Deutschland.
Als der Ausgleich fiel, befreiten sich die "Roten" sichtbar. Carlos Eduardo stellte Balitsch einige Aufgaben, die er nicht zu lösen vermochte. Für Balitsch aber kein Grund, den "Sand in den Kopf" zu stecken. Nicht nur sein Einsatz beim Ausgleich zeigte, den kannst du mental einfach nicht in den Boden stampfen. Auch hier
Mario Eggimann überrasche ebenfalls sehr angenehm. Seine Willenskraft und Leidenschaft konnte er bei vielen Zweikämpfen nutzbringend anbringen. Mit jedem gewonnenen Duell wurde er sicherer und stärker in seinen Aktionen. Sein Tor war eine einzige Energieleistung. der ganze Körper explodierte, um die Kugel dahin zu bringen, wo wir sie sehen wollten, in Hildes Bude. Mein Blick sagt mir aber auch: Antizipieren ist nicht seine Stärke und die Teilnahme an einer Kombination über mehr als zwei Stationen sollten wir eher nicht von ihm erwarten. Turm in der Schlacht und Kopfballungeheuer an guten Tagen zwar, nicht aber ein moderner Innenverteidiger.
ElFi und Bemeh, deren Blutdruck von Minute zu Minute weiter nach oben schnellte, sahen unseren "Jürgen" meiner Meinung etwas zu kritisch. Warum, so wiederholt meine nicht gestellte Frage, werden seine Fehler so gnadenlos verbal herausgestellt? Bei Bastian Schulz und "Koka" Rausch sind die "Scharfrichter" nicht zu hören. Deren taktische Mängel waren auch in Hoffenheim sehr offenkundig. Bei Bastian Schulz noch mehr als bei Rausch. Die machen noch jede Bewegung mit, den der auf sie zukommende Angreifer anbietet. Zudem ist mir Rausch generell zu hektisch in seinen Aktionen. Einige Trainer, so auch Rangnick, kennen seine Art des Spiels inzwischen und wissen darauf eine Antwort, die der Druckerhöhung. Was Rausch zu hektisch ist, ist Bastian Schulz zu behäbig. Manchmal dauert es eine Ewigkeit, bis er Bedrohungen erkennt. Rausch wird sich steigern können, Basti Schulz dagegen spreche ich die Möglichkeit ab, vom Talent her Bundesligaspieler werden zu können.
Als die Führung erzielt werden konnte, dominierten die "Roten" im Spiel. Einschränkend muss dazu aber gesagt werden, ohne daraus mehr Strafraumaktionen entwickeln zu können.
Hilde bekam zwei richtige Bälle auf seine Kiste, die dann zum Einschlag führten. Demnach sollten wir nicht dem Schiedsrichter ans Leder gehen, sondern vielmehr darüber diskutieren, warum der Strafraum von uns nicht gebührend "eingenommen" werden konnte. 1899 Hoffenheim war durch die Bank erschreckend schwach. Mit Ausnahme von Eduardo und Beck habe ich keinen Spieler mit guter Tagesform bei Hoffenheim gesehen.
Die "Roten" leben. Die Schwächen unseres Trainers zeitigen auch gute Ansätze. Die Hierarchie stimmt, weil die Mannschaft nicht als Mannschaft untergehen will. Darauf lässt sich aufbauen und einen Trainer Hecking bis Saisonende ertragen.
Wenn schon Fußball - dann richtig. Bemeh und ich sind am Sonntag noch in Fürth gewesen, um die Greuther gegen 1860 München zu sehen. Ein interessantes Kampfspiel - auf alter Kampfstätte mitten in der Stadt - mit glücklichem Ausgang für die Fürther (1:0). Auf dem Weg dorthin haben wir vergeblich nach Frau mit Pferd Ausschau gehalten. Ob sie noch in Stuttgart war oder schon in Offenbach bei Dieter Müller?
Noch zum Spiel: Eine Rakete der Rechtsverteidiger der Löwen, Rukavina.Talent, Willens- und Durchsetzungskraft, Einsatz sowie taktisches Geschick - ein Augenschmaus.
Und Benny Lauth? Bester Stürmer auf dem Platz, der auch - wie in der 2. Liga üblich - richtig zur Sache geht. Bemeh sah auch den alten Benny, der nicht immer nachsetzen wollte. Sieht nicht gut aus, werte ich vergleichsweise weniger kritisch. Eine Großchance hat er versemmelt, viele andere aber auch gut vorbereitet.
Vielleicht noch ein Wort zur Fanszene in Hoffenheim und zu Umständen um 1899 Hoffenheim herum. Man hat schon den Eindruck, im Kraichgau regiert nur Dietmar Hopp. Ohne ihn geht so gut wie nichts.
Fehlende Tradition, um auf den Fußball zu kommen, kann man nicht kaufen, sollte uns aber nicht ermuntern, daraus ernsthaft einen Vorwurf oder gar Häme abzuleiten. Da ist ein Prozess in Gang gesetzt, der noch nicht abschließend bewertet werden kann. In so extrem kurzer Zeit Bundesliga werden, muss von allen dort noch verdaut werden. Nach der Verdauung ergeben sich weitere und neue Chancen in der Entwicklung.
Hopp bringt Segen aber auch Abhängigkeit. Ich würde ihnen gerne zurufen wollen, lasst nicht alles Hopp werden, geht auch selbst euren Weg.
Wie es so ist, lief uns auf dem Gang zum Parkplatz auch noch Oliver Pocher über den Weg. Ohne 96-Schal verteilte er seine Autogramme. Ihn gerade erblickt, wurde mein Begleiter Bemeh plötzlich ganz unruhig. "Jetzt ist er dran...." hörte ich ihn sagen und die Dinge nahmen ihren Lauf. Sie, Herr Pocher, haben in der Glotze behauptet, das Hermanns-Denkmal liegt in Porta Westfalica. Stimmt doch überhaupt nicht, hetzte Bemeh, das Ding steht im Teutoburger Wald. Sichtlich überrumpelt stammelte Pocher was von A2 und so... und drehte schnell ab. "Für die ARD reicht's", waren seine letzten Worte beim schnellen Abgang aus der Gefahrenzone. Wie man sieht, Fußball ist nicht alles....