Vorab: Ich weiß, dass hier nur Fußballexperten mit sachkundigen Infos eröffnen sollten. Ich widersetze mich noch mal. In der nächsten Woche eröffne ich nicht. Versprochen!
Eigentlich hatte ich mich auf den 96er Muppetshowkorso bestehend aus Zündapp mit angetüddeltem Faxgerät, Bonanzarad, NSU Quickly, Kreidler Florett gefreut. Alle Fahrer mit (Kunst)Lederjacke und Pornobalken.
Noch haben wir uns nicht belohnt, aber in der nächsten Woche würz was!
Es wird grandios!...man braucht nur 10 Minuten.
Es ist doch so: Würzburg liegt (zumindest für die Niedersachsen, aber auch beispielsweise für die Einwohner von Papua-Neuguinea oder den Bürgern in 14715 Kotzen im Havelland) in Bayern, München aber auch und das erst recht! Hannover liegt kartentechnisch eher oberhalb davon, wenn man die Karte unseren Gepflogenheiten folgend richtig herum hält. Ich kann die Karte aber drehen wie ich will und überhaupt: Die Illusion kann manchmal beflügeln und zu Höchstleistungen anstacheln.
Warum sich daher nicht einer Illusion hingeben?
Ein ehemaliger bayerischer Ministerpräsident hat mal Folgendes… so oder ähnlich… man weiß es nicht genau... von sich gegeben: „Wenn Sie in äh… Bayern in den Hauptbahnhof oder äh… in den Flughafen einstoibern, sind sie in 10 Minuten in äh… München.“
Zur Einstimmung wird folgendes Stammelstatement empfohlen:
Stoiber 10 Minuten Transrapid(Wer es nicht kennen sollte: Bitte anhören, es lohnt sich!
)
München?
Da will aber aus der zweiten Liga nun wirklich niemand hin, selbst Kiel nicht. Parken in München ist auch für den eingeborenen Kieler doof und teuer. Und überhaupt: München findet man in der Zweitligatabelle auch gar nicht, selbst wenn man eine Lupe zur Hand nimmt. Was soll man also da?
Die Kieler mussten aber dann vor wenigen Wochen doch gegen München ran, weil es ja noch diesen Pokal gibt, für den sich die Kicker von Hannover 96 scheinbar zu fein sind. Die Kieler waren dann aber auch so schlau, dass sie sich die Bayern lieber innerhalb von 10 Minuten per Bahnhof oder Flughafen oder Amazon Prime (man weiß es nicht so genau, Stoiber sei Dank!) haben liefern lassen, um denen schließlich im heimischen Stadion die Lederhosen auf schmerzhafte Weise auf links zu drehen. Ein Heimspiel hat zudem für den gemeinen Kieler Spieler den Vorteil, dass man schneller zuhause ist. Die Zusammenfassung der aktuellen Sportereignisse in der Sportschau lässt sich also rechtzeitig bewundern. Der Kieler Spieler reibt sich dann verwundert die Augen und denkt: „Nawattnu! Wir haben ja gar nicht gegen Würzburg gewonnen sondern gegen...! Das ist ja fein!“
Was macht hingegen der vereinsmäßig organisierte und rotgewandete Ballakrobat und obendrein noch äußerst pfiffige Niedersachse aus der Landeshauptstadt? Er steigt selbstlos in die zweite Bundesliga ab, anschließend in den Bus ein und lässt sich umständlich zur HDI-Arena kutschieren. Am heutigen Tag soll es ein ganz besonderes Spiel geben. Den Spielern wurde vorab weisgemacht, sie würden sich auf den Weg nach München machen. Der raffinierte Psychotrick hinter der Lüge verfolgt einen verwegenen Plan: Das Selbstbewusstsein der Truppe soll gestärkt werden, indem man ihnen vorgaukelt am Ende des Spieltages gegen München gewonnen zu haben. Ein tolles Konzept um vielleicht doch noch mal in dieser Saison oben anklopfen zu dürfen.
Im Bus wird zur Einstimmung gejohlt, gesungen, gefeiert, gelacht und richtig Krach gemacht. Kurz: Die Luft wird mit hoffentlich coronafreien Aerosolen angereichert. Mutmachgesänge ertönen um den Münchnern Angst zu machen. Die gesanglichen Darbietungen haben eine eigene Qualität. Ein kleiner Auszug:
„Zieht euch warm an, ihr seid gleich arm dran!“ oder „Wir werden euch entmüllern“ oder „Nur Hannover kann gewinnen, sonst kann da was nicht stimmen.“ oder „In München steht ein Sackbahnhof."
Zugegeben: Ziemlich Alaba und überdies kein Wort von Würzburg. Die Spannung bleibt am köcheln.
Bei der Aufstellung gibt es indes einen kleinen Wermutstropfen: Für das Spiel wollte man den neu verpflichteten Kracher David Nawattnu mitnehmen. Der passte aber nicht durch die Bustür und blieb daher kurzerhand protestierend und übergriffig werdend zuhause. Die Spieler freute es zunächst, da sie annahmen, dass für sie nun mehr Häppchen im neu gestalteten Busbuffet übrig bleiben würden. Ärgerlicherweise wurde allerdings folgendes Detail übersehen: Falette am Buffet! Es hatte keiner mit Simon Falette gerechnet, der seine Mitspieler taktisch klug vom Buffet wegzuschubsen vermochte. Erkenntnisse des Tages: Falette hat alle Häppchen und Nawattnu kann nur Heimspiele. Da kann er dann zu Fuß. Läuft!
Ausgestiegen wird dann nach gefühlten 10 Minuten hungrig und mit heiserer Stimme in: Hannover. Die Hannoveraner haben keine Frauenkirche, sondern die Erlöserkirche in Hannover-Linden. Beide Sakralbauten kann man sowohl in München als auch in Hannover vom Stadion aus nicht sehen, somit ist die Illusion perfekt. Man ist in DER Fußballmetropole südlich von Deutschland angekommen. In München! Die Spieler sind etwas irritiert, frohlocken aber: „Halleluja, wie gastfreundlich! Die haben sich ja redlich Mühe gegeben. Das alles sieht ja so ähnlich aus wie in unserem dahoam, also in Hannover. Und warum, steht da David Nawattnu frittierend vorm Stadion? Der hatte doch nicht in den Bus gepasst!“
Nur am Rande sei erwähnt, dass das Parken in Fake-München günstiger ist. Der Bus muss allerdings quer parken. Vorsorglich zieht der nach ISANA Aromadusche duftende Busfahrer daher mehrere Tickets und legt diese gewissenhaft in jedem zweiten Seitenfenster gut sichtbar aus, um das Ordnungsamt milde zu stimmen. Unterm Strich kostet das Parken mit 18,96 € je angefangene halbe Stunde also je einen Nawattnu. Das sind pro Stunde zwei Nawattnus und dann leider doch mehr als in München. Ein kleines Ärgernis, aber das ist trotz Allem besser so, denn die Politesse an sich ist spaßbefreit. Sie ist quasi, wie auch Kenan Kocak, ein Android, allerdings mit Umhängetasche. Und mit der will man sich nicht anlegen, weil sie eventuell auch beißen könnte. Die Politesse oder der Herr Kocak, nicht die Umhängetasche.
Tabellentechnisch ist die Situation völlig orakelbefreit und faktenschwanger wie folgt schnell skizziert: München in der 1. Bundesliga ganz oben, Würzburg in der 2. Bundesliga ganz unten, irgendwo dazwischen unmotiviert herumlungernd, aber näher an Würzburg: Hannover. Wenn ich also die Tabelle der ersten und zweiten Bundesliga drehe, ändert sich für Hannover am wenigsten. Und das ist auch gut so, denn das lässt eine sichere Prognose zu, die auch nicht ansatzweise in den Verdacht von jeglicher querdenkender Gewagtheit kommen dürfte.
Bei Betrachtung der Ausgangslage ist daher meine unumstößliche Voraussage folgerichtig eine 1:3 Heimniederlage der Bayern in Hannover, der vermeintlichen Auswärtsmannschaft, was ja im Endeffekt dann doch einen Heimsieg ausmacht. Für 96, der Mannschaft, die nicht gegen die aus München, sondern aus Würzdingens, also eben da, wo man die Frauenkirche und auch die Erlöserkirche erst recht nicht vom Stadion aus sehen kann... Gewissermaßen irgendwie doch in München... puh!
Herrgott sakra! Man muss das hier alles auch nicht auf die Golwaage legen!
Der Rest ist schnell erzählt, da in der Kürze die Würzburg liegt. Torschützen: Ducksch mit Finger im Ohr, Haraguchi, Twumasi, Abpfiff, Rückfahrt ohne Häppchen. Nur so wirds laufen!
Nach einer quälend langen Rückreise, die deutlich länger als 10 Minuten gedauert hatte, ist der gemeine Hannoversche Spieler endlich zuhause angekommen. Erschöpft lässt er sich aufs heimische Sofa fallen. Der erste Griff gilt der Fernbedienung, um die Zusammenfassung der gestrigen Sportereignisse in der Sportschau zu bewundern. Der Hannoversche Spieler reibt sich dann verwundert die Augen und denkt: „Nawattnu! Wir haben ja gar nicht gegen München gewonnen! Und überhaupt: Wo haben wir denn gespielt? Außerdem liegen die Pommes schwer im Magen, hätte ich lieber Häppchen im Bus, ach nee…“
Egal. Gewonnen ist irgendwie trotzdem gewonnen! Ob nun in München, in Würzdingens, der Stadt ohne Frauenkirche oder eben in der Stadt mit der Erlöserkirche. Vielleicht war es ja doch irgendwie München. In der kommenden Woche wird es vielleicht auch gegen Kiel… in Kiel, der Stadt ohne Frauenkirche, aber mit Dankeskirche.
Kiel?
Da war doch was? Ach ja, die hatten gegen Würzburg in Hannover gewonnen, oder war es doch München in Kiel? Egal, denn Hannover hat München in Würzburg oder in München oder doch Hannover besiegt und das macht irgendwie Mut, denn Illusionen können beflügeln, wenn man 10 Minuten Zeit hat und den Überblick behält.
Ich glaube an einen Sieg der Roten.
Wie gesagt: Es wird grandios!