HANDELSBLATT, Donnerstag, 13. Dezember 2007, 16:21 UhrFußballvereine wollen keine FremdinvestorenOligarchen sind unerwünschtVon Marcus Pfeil und Martin HenkelLediglich sieben Vereine der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga würden sich einen Fremdinvestor als Mehrheitsgesellschafter ins Boot holen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Handelsblatts unter den 36 Bundesligisten.
BERLIN. Mehr als die Hälfte der Klubs sind jedoch für eine Beibehaltung der so genannten „50+1“-Klausel. Die Zweidrittelmehrheit, die erforderlich wäre, um die Klausel zu kippen, kommt derzeit also nicht zustande.
Seit 1999 erlaubt die Deutsche Fußball Liga (DFL) die Ausgliederung der Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft, um den Vereinen die Finanzierung und Suche nach Partnern zu erleichtern. Bisher haben 17 Vereine davon Gebrauch gemacht. Die „50+1“-Regel verbietet es den Klubs jedoch, die Mehrheit der Stimmen an diesen Kapitalgesellschaften zu veräußern. Klubs, die gegen die Vorschrift verstoßen, droht die Deutsche Fußball Liga (DFL) mit Lizenzentzug.
Es gibt kaum ein Thema, dass die Liga so sehr spaltet, wie dieser Passus in den Satzungen des DFB und des Ligaverbandes. Auf der einen Seite formieren sich Vereine, unter denen die Angst umgeht vor amerikanischen Investoren und russischen Oligarchen, die in der Bundesliga schmutziges Geld waschen könnten. Auf der anderen Seite stehen die Vereine, die sich dem Kapitalmarkt öffnen wollen, um mit den Ligen in England und Spanien mithalten zu können. „Das Ergebnis zeigt die Skepsis der Vereine, sich in die Hände eines Investors zu begeben“, sagt Stefan Ludwig von der Unternehmensberatung Deloitte.
Stattdessen warnen die „50+1“-Bewahrer vor englischen Verhältnissen, schließlich sei die Premier League zwar ein Spektakel, aber ein viel zu teures, das sich der gemeine Fan längst nicht mehr leisten könne.
Angst um EinflussHinter diesen Argumenten versteckt sich aber auch die Angst der Vereinsoberen, Einfluss zu verlieren. „Dabei würden sie ja weiterhin selbst entscheiden, auch wenn die Regel gekippt würde“, sagt Ludwig. Im Arbeitskreis Finanzen der DFL hätten Vereinsvertreter sogar Sorge um ihre Jobs geäußert, berichtet einer der Teilnehmer. „Ich kenne keinen bösen Investor, der einen Klub an die Wand gefahren hat, dafür aber einige Vereinsvorstände“, umschreibt Ilja Känzig, Chef der Beratungsfirma Boutique Football und früher Manager bei Hannover 96, das Problem. In vielen Vereinen zählten Länderspiele noch immer mehr als eine betriebswirtschaftliche Ausbildung.
Betriebswirtschaftlich argumentieren die Gegner von „50+1“, angeführt von Martin Kind, Geschäftsführer der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA, ein Kaufmann, der sein Geld mit Hörgeräten verdient hat und damit den Verein in den neunziger Jahren vor der Insolvenz bewahrte. Er will die lästige Klausel so schnell wie möglich abschaffen, damit er über eine Kapitalerhöhung regionale Investoren an 96 beteiligen kann. Nur so glaubt er, mithalten zu können, zumindest mit Bremen und dem HSV, die doppelt so hohe Einnahmen haben wie Hannover und deshalb laut Kind auch Gewinne erwirtschaften. Mit „Wettbewerbsfähigkeit“ argumentiert auch Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der sagt, dass die Abschaffung der „50+1“-Regel der Bundesliga international helfen würde.
Kind, Rummenigge, die Werksvereine aus Wolfsburg und Leverkusen, und drei Vereine, die nicht namentlich genannt werden wollen, bilden die Opposition. Sie schwärmen von den Zuständen in England, von Investoren wie Malcom Glazer, dem Eigentümer von Manchester United, oder von Stan Kroenke, der sich mit 100 Mill. Euro bei Arsenal London eingekauft hat. „In England gibt es zwei unterschiedliche Typen von Investoren“, sagt Ludwig. Nicht nur Oligarchen wie Roman Abramowitsch (FC Chelsea) oder den früheren thailändischen Premier Thaksin Shinawatra (Manchester City), sondern auch Finanziers wie Glazer, die sehr wohl Renditeziele verfolgen und auf die Business-Pläne schauen. „In England hat sich die Branche dadurch professionalisiert“, sagt Arnd Hovemann von Ernst & Young.
Ob Investoren in Deutschland Schlange stünden, wenn es das Verbot der DFL nicht gäbe, auch darüber gehen die Meinungen auseinander. „Viele Unternehmen beobachten den Markt“, sagt Känzig. Dabei kämen vor allem strategische Investoren in Frage, ähnlich wie Adidas beim FC Bayern, sagt Ludwig. In der Branche wird vor allem der US-Sportinvestor Anschutz Entertainment Group gehandelt. „Bei Private-Equity-Investoren sehen wir hingegen eine starke Zurückhaltung, weil deren Anlagehorizont drei bis fünf Jahre beträgt“, sagt Berater Ludwig. Wie schwer sich die DFL im Umgang mit dem Thema tut, zeigt das Beispiel des FC Carl Zeiss Jena, das die Debatte im Sommer erst entzündet hatte, als sich die russische Firma Alpha Group Invest mit 49 Prozent an dem Verein und dessen Geschäftsführung beteiligen wollte. Die Liga drohte mit Lizenzentzug.
Seither versucht die DFL, das Thema klein zu halten. In keiner der großen Ligen in Europa werden Investoren so ausgegrenzt wie in Deutschland. Die Uefa verbietet nur, sich gleichzeitig an mehr als einem Klub mehrheitlich zu beteiligen.
Kind hat der DFL vorsorglich mit einer Klage gedroht, dann aber einen Kriterienkatalog erarbeitet, den er vergangene Woche mit den Ligavertretern in Frankfurt diskutierte. Eine Arbeitsgruppe soll nun einen Kompromiss erarbeiten. Dabei wird es um Sperrminoritäten für die Klubs gehen und darum, sicherzustellen, dass Investoren langfristig ernsthafte Absichten verfolgen.
„Die Regelung wird fallen“, sagt Hartmut Zastrow, Geschäftsführer der Marketingagentur Sport und Markt. Es werde aber einen deutschen Weg geben. Und wenn erstmal einer anfange, dann müssen die anderen nachziehen. Wenn es nach Martin Kind geht, will er am liebsten schon „im Sommer, spätestens aber Ende 2008“ damit anfangen.
URL:
http://www.handelsblatt.com/News/Sport/ ... nscht.htmlInfografik: Ergebnis der Umfrage zur 50+1-Regel
http://bc1.handelsblatt.com/news/loadbin/ShowImage.aspx?img=1580938&l=1Infografik: Fußballinvestoren in Großbritannien
http://bc1.handelsblatt.com/news/loadbin/ShowImage.aspx?img=1580939&l=1