Der Kommentar der örtlichen
Yellow Press:
Die Süddeutsche Zeitung hat geschrieben:
Wer mit den Kampfhunden spielt
Von Thomas Kistner
„Die Scheinheiligkeit, mit der für die Öffentlichkeit angeblich nach Information gesucht wird, kotzt mich langsam an. Wir müssen uns Gedanken machen, ob diese Gesellschaft nicht total pervers ist. Wir haben andere Probleme als die Affäre um den Nationaltorwart Oliver Kahn.“
Uli Hoeneß, Abteilungsleiter Attacke beim FC Bayern, packt wieder mal die Posaune aus; was er am Donnerstag in Kameras und Mikrofone blies, lässt sich sicher unterschreiben. Zuvor gehört allerdings geklärt, welchen Gesellschaftsteil er genau meinte. Es klingt ja ziemlich schräg, wenn sich Kritik an einer total pervertierten Gesellschaft just aus deren pervertierstestem Teil erhebt – dort, wo sie zuerst hinzielen müsste. Der Bayern-Manager wendet sich gegen ein zu voyeuristisch gewordenes Sportpublikum. So mag es sein, aber es war nicht immer so. Ursache und Wirkung sind Hoeneß ein wenig durcheinandergeraten.
Kommt öfter vor. Erinnert sei an jenen offenen Brief,den Hoeneß im Sommer 2001 aus Anlass der Kirch-Krise an die Nation gerichtet hatte: „Etwas mehr natürliche Bescheidenheit würde uns gut tun.“ Den Deutschen ginge es am besten von allen in der Welt, hohe Salärs und dicke Autos, trotzdem seien sie immer am Jammern. Eine wohlfeile These, die er dann selbst niedergrätschte mit einem Plädoyer für den Filmhändler Kirch. Maßlos zwar ist die Gesellschaft – nur im Fußball, fand er, dürfe künftig noch mehr geaast werden. „Wenn ARD/ZDF nicht bereit sind, eine Milliarde an die Klubs zu zahlen, muss man einem Privatunternehmer wie Kirch die Chance geben, sein Geld zurückzukriegen.“
Muss man natürlich nicht. Da die Milliarden in diesem Geschäft eh nur in den Designertaschen einiger hundert Jungprofis versickern, sind Da-Capo- Appelle an den öffentlichen Gemeinsinn eher überflüssig. Auch darf es einem Unternehmer überlassen bleiben, wie viel Geld er wo verpulvern will. Derlei Vorgänge zeigen aber, wie peinlich es stets dann wird, wenn sich das Profigewerbe im Themenkreis Gesellschaft und Moral verdribbelt.
Der Fußball hat seine eigenen Anstandsregeln, leider reichen sie nur bis zur Eckfahne. Hier mal zu schweigen von diskreten Kirch-Deals, den bekannten und den noch unbekannten, zu schweigen auch von Klub- und Verbandschefs, die der Fiskus oder der Staatsanwalt jagt: Packt ein Torwart auf dem Rasen einen Kicker am Schla-fittchen, ist das schlecht (und teuer: 10000 Euro Strafe). Rückt einem Spieler indes die Polizei ins Haus, weil sie ihn in einem Schmugglerring wähnt, wird das vom Verein bagatellisiert. Feiert einer zu oft Fasching, wird er mit Bußgeld belegt. Verprügelt einer seine Frau, bis die Polizei eingreift, ist das für den Verein kein Problem, so lange nur die fußballerische Leistung stimmt. Bleibt die aus, fliegt er raus.
Lauterkeit ist Interpretationssache im Fußballgeschäft, schon lange blickt der Normalbürger staunend auf dieses Freigehege. Wer hier ausbrechen und sich eine öffentliche Rolle mit zusätzlichen Millionen aufwiegen lassen will, wechselt auf das Terrain eines Boulevards, den sich die Branche selbst gezüchtet hat. Also muss er wissen, dass er dort mit Kampfhunden spielt.
Es ist die Sache von Oliver Kahn, ob er sich bei Wetten dass neben Jennifer Lopez aufs Sofa setzt. Es ist aber nicht mehr Sache des Sportjournalismus, darüber zu berichten. Das übernehmen Bild, Bunte, aktuelle und all die schrillen Blättchen, die bekanntlich auch überall dort auf der Lauer liegen, wo sich der Torwart jüngst mit seinem letzten Fang präsentierte. Was dann passiert, weiß heute jedes Kind. Deshalb ist es weit am Tor vorbei geschossen, für eines der üblichen Gemetzel in der Privatsphäre gleich die ganze Gesellschaft in Haftung zu nehmen – oder den seriösen Teil der Medien.
Wenn der Fußball nun ein Problem erkennt mit dem engen Umfeld, das er kreiert hat und von dem er lebt, dann liegt es an ihm selbst, die Umgangsregeln zu ändern. Wetten, dass er das gleich in Angriff nimmt? Ab diesem Samstag: Im Namen der Liga, des Geldes und des scheinheiligen Geistes.