Die Lobeshymnen nehmen kein Ende. Mario war beim 4:0 gegen die Schweiz der Mann des Spiels. Zwei Tore erzielte er selbst, einen Treffer bereitete er vor. Doch der 22-Jährige ist weit davon entfernt, öffentlich Ansprüche auf einen Stammplatz zu stellen: "Das ist nicht meine Art."

Hi Mario, wie willst du lieber genannt werden: Super-Mario, Knipser, Tor-ero oder Torheld?
(Lacht.) Mario Gomez würde ich ganz gut finden.

Sehr bescheiden. Die Öffentlichkeit überschlägt sich fast vor Begeisterung.
Das Lob freut mich natürlich. Aber ich werde deshalb bestimmt nicht abheben und verbal auf den Putz hauen.

Aber du könntest jetzt an dieser Stelle vehement einen Stammplatz im deutschen Sturm fordern!
Das kann ich auch bleiben lassen.

Spielverderber!
Jetzt mal im Ernst: Es ist nicht meine Art, durch irgendwelche Aussagen in der Öffentlichkeit einen Platz einzufordern. Das wäre respektlos gegenüber meinen Kollegen und dem Trainer. Ich werde ganz bestimmt keine Rangliste aufstellen. Ich gebe auf dem Platz mein Bestes - und dann sehen wir, was passiert.

Derzeit passiert dann vor allem, dass du nach Belieben triffst. Wirst du dir eigentlich langsam selbst unheimlich?
(Lacht.) Nein, überhaupt nicht. Aber weißt du, was mich an den ganzen Diskussionen manchmal stört?

Keine Ahnung.
Dass meine Mitspieler zu kurz kommen. Wenn sie die Dinger nicht so gut vorbereiten würden, könnte ich auch nicht treffen. Schau dir meine beiden Tore gegen die Schweiz an. Beim ersten setzt sich Clemens Fritz sensationell durch, beim zweiten bekomme ich einen Traumpass von Lukas Podolski. Das war einfach klasse.

Und jetzt freust du dich auf die EM?
Jetzt freue ich mich erst einmal auf das Spiel mit dem VfB in Hannover. Schließlich wollen wir mit dem Club noch einiges erreichen.

Und die EM?
Ist noch ein wenig weg. Natürlich werde ich alles, für dieses Ziel geben. Aber zweieinhalb Monate sind im Fußball eine lange Zeit - da kann noch viel passieren.

Nationalmannschaft
Erstaunlich geschmeidig

Im EM-Sturm dürfte Mario Gomez, 22, neben Klose stehen. Auch in der Bundesliga läuft's rund: Der Stuttgarter steht auf Platz zwei der Torjägerliste.


Von Ludger Schulze


Mario Gomez kann sich freuen: Er zählt schon jetzt zu den weltweit besten Stürmern.
Foto: dpa

Wenn man Mario Gomez so gegenübersitzt, ihn reden hört mit sanfter Stimme, geordnete Sätze in astreinem Deutsch formulierend, könnte man schon mal auf die Idee kommen, der Junge sei für seine 22 Jahre ein bisschen zu alt. Vielleicht sogar altklug.

Aber das wäre ein ganz falscher Eindruck. Mario Gomez, Stürmer der Fußball-Nationalmannschaft, ist nur ein sehr höflicher, sehr ausgeglichener, sehr klarer Mensch mit einem guten Maß an Selbstbewusstsein. "Eine wunderbare Entwicklung" bescheinigt ihm deshalb Oliver Bierhoff, der Manager der DFB-Auswahl.

Mario Gomez ist das Kind einer spanischen Gastarbeiterfamilie, der Vater hat sich hochgearbeitet und es zu einem Malergeschäft in Unlingen auf der Schwäbischen Alb gebracht mit zwei Angestellten. Offenbar hat er dem Sohn entsprechend bodenständige, eindeutige Werte mitgegeben. Das gute, alte Wort Bescheidenheit gehört dazu.

Rang zwei der Torjägerliste

Gomez genießt derzeit, was Fußballer einen Lauf nennen. Obwohl sein Klub über eine lange Phase der Saison wenig berauschende Leistungen bot, liegt Gomez mit 15 Treffern auf Rang zwei der Bundesliga-Torjägerliste - nur einen erfolgreichen Versuch hinter Luca Toni. Das ist schon alleine deshalb bemerkenswert, weil der Italiener beim FC Bayern in der besseren Mannschaft mit den unstrittig besseren Zuspielern steht.

Darauf könnte Mario Gomez sich fast ebensoviel einbilden wie auf die Wahl zum "Fußballer des Jahres 2007" - und daraus den Anspruch auf einen Stammplatz in Bundestrainer Löws Europameisterschafts-Team ableiten. Er tut es nicht. Gomez sagt: "Ich werde nicht irgendwie über die Presse fordern, dass ich spielen muss."

An dieser Stelle könnte man schon wieder einen Fehler machen und diesen braven Satz für pure Angepasstheit halten. Man hat ihn schon zu oft gehört und nicht selten dabei das Gefühl gehabt, der Sprecher meine genau das Gegenteil.

Auf der nächsten Seite: Warum Gomez seine gute Kinderstube vergisst und wo seine technischen Qualitäten liegen.



Doch mit dieser durchaus verbreiteten Stromlinienform hat Gomez nichts zu tun, seine Kommentare nach Bundesligaspielen sind bisweilen sehr treffend und recht grimmig, und einmal hat er sogar die gute Kinderstube vergessen und den Karlsruher Gegenspieler Maik Franz ein "Liebling" geheißen. Später hat er sich für den unziemlichen Ausdruck entschuldigt, seine Meinung aber hat er behalten.

Dass Mario Gomez an diesem Mittwoch gegen die Schweizer erst zu seinem neunten Länderspiel (vier Tore) kommen wird, hat zwei Gründe. Eine gewisse Verletzungsanfälligkeit und stramme Konkurrenz um die zwei Jobs in vorderster Linie: Miroslav Klose, Lukas Podolski, Kevin Kuranyi, nun auch noch Stefan Kießling und, wer weiß, vielleicht auch Oliver Neuville. "Im Sturm haben wir die wenigsten Sorgen", sagt Oliver Bierhoff, "eher haben die Trainer die Qual der Wahl."

Klose mit seinen 73 Länderspielen (37 Tore) und der Auszeichnung als bester Schütze der WM 2006 ist schon rein hierarchisch die Nummer eins, das sieht auch Gomez nicht anders. Aber weil Podolski (45/24) auf dem Weg vom Ausnahmetalent zum Weltklassemann mittendrin stecken geblieben ist, und Kevin Kuranyi (45/19) sich im Formtief befindet, sollte Gomez derzeit die logische Zweitbesetzung für die EM sein.

Weltweite Spitzenklasse

Was seine Qualitäten betrifft, ist er ohnehin nahezu ohne Limitierung: schnell, technisch versiert, beidfüßig, schussgewaltig, kopfballsicher, zweikampfstark und für seine Körpermaße erstaunlich geschmeidig. So viel kann man jetzt schon sagen: Unter den Stürmern seiner Altersklasse liegt er weltweit ganz vorne. Und wenn er seine Anlagen hegt und behutsam ausbaut, kann er mal einer werden, den man mit den Altvorderen Uwe Seeler, Gerd Müller oder Rudi Völler in einem Atemzug nennt.

Zu den guten Eigenschaften des Mario Gomez gehört auch die, dass er sehr genau weiß, was er kann - er würde es nur nie laut sagen. Das tun andere: "Viele Leute reden über mich." Vermutlich gibt es augenblicklich keinen europäischen Spitzenklub, in dem nicht Überlegungen angestellt werden, wie und wann man diesen Gomez unter Vertrag nehmen könnte.

Sein Vereinstrainer Armin Veh macht sich keine Illusion, er weiß, dass die schöne Zeit mit dem jungen Torjäger endlich ist. Mario Gomez, dessen Vertrag bis 2012 gültig ist, sagte Veh, werde noch ein Jahr bleiben und den Klub dann verlassen. Zu Bayern München, dem FC Barcelona, Juventus Turin oder sonstwohin. Er wird es sich, wenn die Zeit gekommen ist, aussuchen können.


(SZ vom 26.03.2008/mb)