Der Konferenzraum des Doubletree Guest Suites in Tampa sieht aus wie ein Ort an dem man mittwochabends Kurse in Unternehmensethik gibt. Tische und Stühle sind in einer 3-zu-1-Formation angeordnet und an den Seiten des Raums verteilt, während die Medien bei den 23 Teilnehmern des US-U23-Teams für die Qualifikation zu den olympischen Spielen löchert und nachbohrt.
In der Ecke, die der Tür am nächsten ist, sitzt ein junger Mann und schaut in die Gegend, während er darauf wartet, dass jemand mit ihm spricht. Stehend erreicht er einen Meter achtzig, eine kleinere Statur als ich jemals angenommen hätte, als ich ihn von der Tribüne aus beobachtet habe.
Sal Zizzo wirkt auf mich wie der starke ruhige Typ. Ein möglicher Frauentyp der einige merkwürdige Ideen für Frisuren der achtziger Jahre hat, die er gerne noch einmal besuchen möchte. Aber gerade als ich für mich zu dem Schluss komme, das er genau so ist, beginnt er zusprechen und ich bin ein wenig überrascht. Aus irgendeinem Grund hatte ich nicht erwartet, dass Zizzo wie ein kalifornischer Surfer klingen würde obwohl er aus San Diego stammt und die UCLA (University of California, Los Angeles) besucht hat. Ich hatte beinahe erwartet, er klänge grober, eben wie der Spieler den ich auf dem Feld beobachtet hatte, und – in Anbetracht der Tatsache, dass Zizzo sowohl die amerikanische als auch italienische Staatsbürgerschaft hat – auch italienischer.
Nachdem ich nur einige Momente mit ihm gesprochen habe stelle ich fest, dass Zizzo wirklich eine cooler Kerl ist. Seine Stimme hat diesen reservierten Ton. Vielleicht ist es der Wunsch dieses Interview möglichst schnell hinter sich zu bringen oder er hat mich möglicherweise nicht kommen sehen, aber Zizzo beantwortet alle meine Fragen zügig. Wie auch immer, er vermittelt nicht den Eindruck er sei nervös, oder dass er erst einen Moment braucht, um sich eine Antwort zurechtzulegen. Er unterhält sich so gelöst mit mir, dass ich fast vergesse wer das Interview führt. Ich lasse ihn seine Antworten so lange ausführen wie er möchte und gerade wenn ich darüber nachdenke ob er bald ins schwafeln kommt, schließt er seine Antwort auch schon ab. Wahrscheinlich ist er den Umgang mit den Medien inzwischen gewohnt. Schließlich tauchte Zizzo schon vor einer ganzen Weile auf dem Radar der Reporter auf.
Seit seinen Tagen an der Patrick Henry High School wusste Sal Zizzo, dass er Sportler werden würde. Ob der Sport, in dem er das schaffen würde Fußball sein würde, war allerdings nicht immer so klar.
Zizzo war ein dreifach ausgezeichneter Center-Field-Spieler im Baseball. Er hatte Angebote über Stipendien ans College zu gehen und dachte einmal sogar über eine Teilnahme an Probespielen zur Verpflichtung als Profi nach, als er eine eindrucksvolle Saison in der Junior League gespielt hatte. Wie kommt nun ein Vorzeigespieler des High School Baseballs in den guten alten USA dazu, wenige Jahre später bei der FIFA U20 Weltmeisterschaft zu spielen?
„Ich würde sagen es waren das Programm für die Olympiaförderung und die Nominierung für das Nationalteam, die mich in Richtung Fußball gebracht haben“ sagt Zizzo. „Während des ersten High School Jahres war ich hin und her gerissen was von beidem ich zukünftig spielen würde, aber ich bin froh, dass ich mich für Fußball entschieden habe denn für mich ist das aufregender. Baseball habe ich während der High School gespielt, weil ich gut darin war”.
Zizzo spielte beides schon während er aufwuchs, so fiel ihm die Dichotomie zwei Sportarten in der High School zu spielen nicht schwer. Er war fünf, als ihn seine Eltern für einen Freizeitverein im Fußball anmeldeten und mit 11 Jahren spielte er erstmals in einer Fußballliga. Zu der Zeit als er in die High School kam, spielte er nicht nur für die Patrick Henry High School, sondern auch für Hotspurs USA, ein Verein aus San Diego, der das Ziel verfolgte eine Auswahl talentierter Spieler gegen die besten ihrer Alterklasse aufzustellen.
Nachdem er zur UCLA kam, verbrachte Zizzo nur zwei Jahre bei den Bruins (Anm. d. Ü.: Fußballteam der UCLA) während derer er zahlreiche Auszeichnungen sammelte, vom Pac 10 Neuzugang des Jahres bis zum Zweiten All-American-Team. Nach seinem Auftritt während der U-20-Weltmeisterschaft brachte ihn das Interesse europäischer Clubs dazu, das College zu verlassen.
„Das war ein großes Turnier für mich und ich wäre nicht, wo ich jetzt bin, wenn das nicht gewesen wäre“, sagt Zizzo. „Es war ein Fall von ‚zur rechten Zeit am richtigen Ort’ Du bist auf einer weltweiten Bühne, wenn du auf einem Turnier wie diesem spielst und ich hatte Glück und spielte gut genug, um die Aufmerksamkeit einiger Vereine zu bekommen.“
Zizzos Haltung änderte sich drastisch als ich auf das letzte Spiel der Mannschaft in diesem U-20 Turnier zu sprechen kam, eine 2:1 Niederlage gegen Österreich im Viertelfinale. Mit ehrlich geknicktem Gefühl erzählt er mir:
„Wir hatten wirklich geglaubt in diesem Turnier weiter zu kommen. Wir haben gegen ein „Aschenputtel-Team“ verloren; hätten wir dieses Spiel gewonnen, wären die Tschechen unsere nächsten Gegner gewesen, die wir meiner Meinung nach hätten besiegen können und dann wäre Argentinien der nächste Gegner geworden. An solch einem Punkt, in einem Finale, da kann alles passieren. Rückblickend war das enttäuschend, weil das Spiel schnell, wir waren auf dem Rasen, es regnete, der Ball rutschte und es gab viel Kampf. Die Spielweise der Österreicher ist der deutschen sehr ähnlich, sie ist sehr aggressiv ich glaube in der Defensive wollten sie es einfach mehr.“
Während seine Stimmung durch die Niederlage am Boden war, wurde seine Erholung davon durch die Angebote aus Übersee erleichtert. Es ist natürlich klar, dass Fußball sich von den meisten amerikanischen Sportarten unterscheidet, und das gilt auch über die Eigenschaften des Spiels hinaus. Spieler in Amerika haben fast immer dasselbe Ziel, in einer fußballfreundlicheren Atmosphäre zu spielen als sie größtenteils in den USA herrscht. Darüber hinaus sind auch das Geld für Verträge in Übersee und das Niveau des Spiels in ausländischen Ligen oftmals vielfach höher als man es hier findet. So benötigte das Team Hannover 96 aus der deutschen Bundesliga nicht lange um Zizzo davon zu überzeugen nach Deutschland zu gehen.
Der Wechsel zum Leben dort war nicht einfach denn er wartet noch immer auf seinen ersten Einsatz in der Mannschaft. Zizzo sieht allerdings aus nächster Nähe den Unterschied zwischen Fußballspielen in Europa und in Amerika.
„Deutschland ist wirklich ziemlich verrückt. Die Atmosphäre ist ganz anders als alles was ich bisher erlebt habe. Da sind 30000 Fans, die Fahnen schwenken und singen. Das Team hat einige der besten Spieler der Welt, es ist unglaublich. Dort sitze ich auf der Bank und mein Herz klopft.“
Landsmann und rechter Verteidiger der A-Nationalmannschaft der USA Steven Cherundolo spielt ebenfalls bei Hannover und hatte großen Anteil an Zizzos Weg in das Leben in Deutschland.
„Steve hat mir dort drüben sehr geholfen. Wir stehen uns mittlerweile sehr nahe und er hat mir geholfen mich einzuleben und nach sechs Monaten fühle ich mich richtig wohl.“
Mit einer anderen Sprache zurechtzukommen, allerdings, erwies sich als schwierig für Zizzo.
„Mein deutsch ist ordentlich. Ich lerne es, ich habe einen Sprachlehrer und ich werde besser. Es ist schwierig, weil ich nicht gezwungen bin, es zu sprechen, viele Leute dort drüben sprechen englisch. Manchmal schaut Steve mich an und sagt: ‚Mein Gott, ich muss aufhören englisch mit dir zu sprechen’ Denn der einzige Weg, wie er es gelernt hat, war dass alle deutsch sprachen. Meine Trainer haben betont, wie wichtig es ist, dass ich es lerne und sie haben Recht, also muss ich da noch schneller vorankommen.“
Die Liga bedeutete auch eine erhebliche Umstellung, verglichen mit der Weise in der Zizzo ein Spiel hier in den USA spielen würde.
„Die Bundesliga ist wirklich aggressiv, du kannst sie fast mit der englischen Premier League vergleichen. Zu dribbeln ist so viel schwieriger, die Jungs rutschen ständig rein und helfen einander in der Defensive. Jeder hat als erste Aufgabe zu verteidigen, das ist ein bisschen anders als wir es hier in den USA spielen - oder irgendwo anders in der CONCACAF (Anm. d. Ü. Confederation of North, Central American and Caribbean Association Football), so gesehen.“
Am Abend nach meinem Zusammentreffen mit Zizzo schlugen er und seine Teamklollegen der U-23 Honduras mit 1:0 im letzten Spiel der Qualifikation für die Olympischen Spiele durch einen späten Strafstoß. Das Team reiste dann nach Nashville, wo es ihnen gelang sich mit einem 3:0-Sieg gegen Canada für die Olympischen Spiele zu qualifizieren.
Während meiner Zeit mit Zizzo fragte ich, wie groß Beijing für seine Karriere wäre, so wie das letzte Jahr für ihn lief. Noch nicht offiziell qualifiziert zu diesem Zeitpunkt sagte er:
„Es wäre das Größte an dem ich jemals teilnehmen konnte. Ich hoffe nur, dass ich diese Chance bekomme.“
Diesen Sommer wird Zizzo diese Chance bekommen. Die USA spielen in einer Gruppe mit den Niederlanden, Nigeria und Japan, was sie zu Favoriten für das Erreichen der nächsten Runde macht. Wie weit die USA kommen kann, hängt von der Übersee- Erfahrung ab. Wenn sich Spieler wie Zizzo durchsetzen, wenn es darauf ankommt, bekommen sie dieses Mal vielleicht die Chance gegen Argentinien im Finale zu spielen.
Quelle:
Artikel vom 28.04.08 von David Rice auf Sams-army.com
Anmerkung: Die Konfusion über die "zwei letzten Spiele" zur Qualifikation für Olympia 2008 stammt aus der Quelle.