marVin hat geschrieben:
Mit dem Gesamtkunstwerk Hannover 96 hat es ja nach dem Rückzug von Kind nicht so richtig geklappt. Was ist deiner Meinung nach schief gelaufen, als Kaenzig und Vehling zusammen mit Fromberg das Ruder in der Hand hatten, Neururer installierten und es erst sportlich kurz aufwärts und dann rapide bergab ging?
Bezüglich der wirtschaftlichen Ausgangssituation äußerte sich Vehling kurz nach Amtsantritt folgendermaßen: „Wenn Sie die Strukturen meinen, dann sind wir vielen anderen Bundesligisten bereits weit voraus. Ein Verdienst von Martin Kind und den Mitgesellschaftern. Sie haben Außerordentliches geleistet. Wir sind für die Zukunft sehr gut gerüstet, was die wirtschaftliche Ausgangsituation angeht.“
Aber die sportliche Talfahrt mit Kaenzig, Vehling, Fromberg und ihrem Trainer Neururer sprechen eine sehr deutliche Sprache. Auch wie Kaenzig vorher mit Lienen und der Kadersituation umgegangen ist und wie sich sein Nachfolger in Hannover aufführte und Rückendeckung von Kaenzig und Vehling genoss. Ich persönlich machte mir zu dieser Zeit mehr sorgen, als vorher unter Kind, auch wenn ich ihm immer sehr skeptisch gegenüberstand und auch noch stehe. Kaenzig hat meiner Meinung nach den größten Mist gebaut und ich war froh, dass Kind eingriff, Neururer beurlaubte und Hecking holte.
Kaenzig und Vehling haben unter Kind gewirkt und etwas zum Gesamtkunstwerk Hannover 96 beigetragen, danach haben sie es fast gegen die Wand gefahren.
@ ElFi. Alsoooo, dann atme ich mal tief durch...
@ marVin. Wir kommen an diesem Punkt nicht zusammen. Für dich steht fest, dass in der Saison 05/06 alles schief gelaufen sei und 96 fast an die Wand gefahren worden sei. Ich sehe das völlig anders und verstehe nicht, warum Du angesichts der jetzigen Situation diese These weiterhin aufrecht erhälst. Denn was ist heute besser als in der Amtszeit von Kaenzig und Vehling? Gar nichts- im Gegenteil. Selbstverständlich können wir anhand der vorliegenden und überprüfbaren Fakten die Arbeit von Kind, Hochstätter und Hecking bewerten, lieber Kobold. Die Zeitungen des Madsack-Verlags sind hier die am wenigsten maßgebliche Quelle. Schon deswegen weil Madsack Mitgesellschafter von 96 ist und in Bezug auf die 96-Berichterstattung nicht über die nötige journalistische Unabhängigkeit verfügt.
Die Entwicklung von 96 sehen wir selbst und die Ergebnisse dieser Entwicklung manifestieren sich sportlich in der Tabelle und wirtschaftlich in der Bilanz, die jeder im Internet einsehen kann. Die Tabelle lügt nicht und die Bilanz auch nicht.
Aber zu deinen einzelnen Punkten, marVin:
Über von Fromberg brauchen wir nicht weiter zu reden. Er war durch den Gerichtsbeschluss, die ihm eine Geschäftsführungstätigkeit bei 96 aufgrund seines Notamtes untersagte, ein zahnloser Tiger und hatte keinen operativen Einfluss auf die gefällten Entscheidungen.
Aber wo haben Vehling und Kaenzig den Verein fast an die Wand gefahren? Kaenzig hat mit Neururer einen Trainer geholt, der von seiner Persönlichkeit nicht nach Hannover und zu 96 passte. Dass Kaenzig nach dem verbissenen Lienen einen Trainer suchte, der mehr Fähigkeiten im Bereich der Motivation besitzt und dem 96-Spiel mehr offensive Impulse geben kann, fand ich durchaus nachvollziehbar. Das ist ja auch zunächst gelungen. Man kann Kaenzig sicher vorwerfen, dass er Neururers Imkompatibilität zur norddeutschen Mentalität unterschätzt hat.Dies ist für mich das einzige, was richtig schiefgelaufen ist. (Ach hätte er nur den Artikel des Bochumer Fans "Peter Madsen" hier im Forum gelesen- uns wäre viel erspart geblieben).
Aber davon zu sprechen, dass es sportlich rapide bergab ging, finde ich doch sehr überzogen angesichts der Tatsache, dass Neururer in seiner ersten Saison hier von 22 Spieltagen 12 x auf einem einstelligen Tabellenplatz stand und nie ins untere Drittel der Tabelle abrutschte wie es diese Saison unter Hecking dauerhaft der Fall ist.
Die drei Niederlagen zu Saisonbeginn 06/07 sind auch nicht geeignet um daraus einen sicheren Abstieg zu konstruieren. Hecking stand zu Beginn der laufenden Saison auch zwei Tage auf dem letzten Tabellenplatz und hat jetzt nicht nur gegen einen Aufsteiger, sondern schon gegen zwei verloren. Momentan haben wir den 12 Spieltag hinter uns. Die beste Platzierung in dieser zeit war 2 x der 12. Tabellenplatz, meistens standen wir jedoch auf dem 13. oder 14. Tabellenplatz. Dieser 12. Tabellenplatz, der unter Hecking in dieser Saison der Beste ist, war 05/06 unter Neururer der schlechteste und diente als sportliche Begründung als er die letzten 5 Spieltage unverändert beibehalten wurde. Wenn Du ebenso wie Kind damals darin eine akute Abstiegsgefahr erkannt haben willst, warum dann jetzt nicht?
Ich war zwar froh, dass der Schwätzer hier weg war, aber nicht als Konsequenz der
sportlichen Situation.
Der Umgang Kaenzigs mit der Kadersituation zeigte im Gegensatz zu Hochstätter einen betriebswirtschaftlich verantwortungsbewußten Manager, der seine Transfers der wirtschaftlichen Situation anpasste, überschaubare Transferrisiken einging und die Mannschaft kontinuierlich verstärkte (Enke, Balitsch, Yankov, Huszti). Finanziell desaströse Fehlkäufe sehe ich unter ihm auch nicht, wenn auch einige Flops dabeiwaren, die aber finanziell verkraftbar waren. Außerdem hatte er meiner Meinung nach ein erkennbareres Konzept für seine Transfers. Es wurden nur wenige bekannte Namen eingekauft (Brdaric, Hashemian, Tarnat) aber vielmehr wurden Positionen besetzt. Z.B. für die IV Troest als Back up für den Fall eines Mertesackerverkaufs, Andersson als beidfüßiger AV als Konkurrenz für Cherundolo und back-up für Tarnat. Bruggink als technisch versierter zentraler Mittelfeldspieler, Huszti als linksfüßiger schneller Flügelspieler. dass er angesichts eines Transferetats von 1 Mio nur ablösefreie Spieler oder unbekannte Talente kaufen konnte, ist nicht ihm anzulasten, sondern Ausdruck der vorgefundenen Finanzlage, die Moar und Kind als Manager und Geschäftsführer zu verantworten hatten.
Kaenzig verpflichtete die Trainer zur Einbindung der Amateure, indem er institutionelle Brücken baute wie das Integrationstraining. Bei den Trainern nicht gerade beliebt ("Touristen") aber erfolgreich wie die Karrieren von Mertesacker und Rosenthal bewiesen. Auch hatte eine Reihe junger Spieler unter PN mal Gelegenheit, sich auch in einem BL-Spiel auszuprobieren (Hahne, Montabell, Bikmaz, Dietwald...) Bei Hochstätter kann ich ein derartiges Konzept nicht erkennen. Alle zwei Wochen mit den Ama-Trainern zu sprechen, reicht bei weitem nicht aus.
Kaenzig hat den Profis nicht gerade den Hintern gepudert, aber meiner Meinung nach ist es auch besser, wenn der Manager als Vorgesetzter keinen allzu engen und persönlichen Kontakt zu den Spielern pflegt. Zu den Trainern übrigens auch nicht. Zu große Nähe erschwert letztlich die Handlungsfähigkeit in kritischen Zeiten, wenn man einen Trainer eventuell entlassen muss. Dass ein Manager aber dem Trainer den Rücken stärken muss, solange er sich noch nicht zur Entlassung entschlossen hat, ist eine Notwendigkeit, wenn ein Trainer seine Autorität gegenüber der Mannschaft nicht verlieren soll. Da unterschied sich Kaenzig nicht von anderen Managern in der BL.
Neururer hat es aber umgekehrt versucht und sich bemüht die Autorität der Vereinsführung zu erschüttern, indem er das gemeinsam vereinbarte und öffentlich verkündete Saisonziel "einstelliger Tabellenplatz" öffentlich in Frage stellte ("Scheißziel"). Vehling hat ihn daraufhin öffentlich abgemahnt. Von Rückendeckung für Neururer durch Vehling konnte man von da an nicht mehr ausgehen. Auch von Neururers Kritik an Klinsmann als Nationaltrainer hat Vehling sich im Namen von Hannover 96 sofort öffentlich distanziert und die Äußerung als PN´s persönliche Ansicht gekennzeichnet. Angesichts der bekannt gewordenen vertraglichen Trennungsklausel zum Jahresende bei nicht-Erreichen eines einstelligen Tabellenplatzes wäre Neururer mit großer Wahrscheinlichkeit auch von Vehling entlassen worden.
Deine Behauptung, Kind hätte
eingegriffen und Neururer entlassen, wird nicht dadurch wahrer, dass du sie immer wiederholst. Fakt ist, dass Kind noch mehrere Monate mit Neururer weitergemacht hat und ihm sogar in unerträglicher Weise noch den Rücken gestärkt hat. PN durfte seinen ererbten Ko-tainer Schjönberg öffentlich durch ein "Anwesenheitsverbot" demütigen, er brauchte keine "Touristen" (=Amateure) mehr einbeziehen, er durfte dem entmachteten Manager auf der Nase herumtanzen. Eingreifen oder durchgreifen sieht deutlich anders aus. Erst als nach zwei Niederlagen gegen Bremen und Hertha zum Saisonauftakt auch noch die hohe Niederlage gegen den Aufsteiger Aachen dazukam und diese sportlichen Argumente die öffentliche Abneigung gegen den Trainer noch unterstützten, hat Kind sich zur Entlassung von PN durchgerungen.
Ich erkenne im Gegensatz zu dir in Kinds Handeln keine Linie und kein Konzept. Mal Millionen und volles finanzielles Risiko bei Transfers unter Moar und Hochstätter dann Verordnung des totalen Sparprogramms unter Kaenzig, wobei er sich für die Dauer der unpopulären Maßnahmen zurückzieht und seinen ersten Offizier (Vehling) an Deck des sinkenden Schiffes schickt und erst zurückkehrt als man doch noch den sicheren Hafen erreicht.
Das Beschwören der Abstiegsangst angesichts eines 12. Tabellenplatzes wirkt rückblickend noch stärker als damals wie ein künstlich herbeigeredeter Rechtfertigungsgrund für Kinds Rücktritt vom Rücktritt. Schon damals war auffallend, dass trotz Kinds massiver Kritik ("Abstiegsgefährung", "Stillstand ist Rückschritt") bis zum Ende der Transferfrist kein einziger neuer Spieler geholt wurde, der diese angeblich so abstiegsgefährdete Mannschaft verstärken könnte. Nein, plötzlich war sogar von einer "guten Mannschaft" die Rede, obwohl es genau die Mannschaft war, für die auf Kaenzig und Vehling eingeprügelt wurde. In der Winterpause wurde dann nur Thomas Kleine gekauft, der ebensowenig wie vorher Jonas Troest einschlug und kurze Zeit später wieder weg war. In der augenblicklichen Situation gibt es angesichts eines schlechteren Tabellenverlaufs als unter Neururer sogar Treueschüre für den Trainer und die öffentliche Zusage mit Hecking auch in die zweite Liga zu gehen. Warum ist Kind dann aber überhaupt ins Amt zurückgekehrt? In die zweite Liga hätten wir auch auch mit Lienen und Neururer gehen können. Das wäre erheblich billiger gewesen!
Meine Kritik an Kind bezieht sich hier ausschließlich auf seine operative Tätigkeit als Geschäftsführer von 96. Seine Verdienste als Geldgeber und unternehmerischer spiritus rex von 96 sehe ich dagegen sehr positiv. Er hat durch die Ausgliederung der Profimannschaft und die Gründung der verschiedenen 96-Firmen unserem Verein die modernen Strukturen gegeben, die für ein Bestehen im Wettbewerb der Bundesliga nötig sind. Auf diese Strukturen als Voraussetzung für wirtschaftlich erfolgreiches Handeln bezieht sich auch Vehling in dem von dir zitierten statement. Das Tagesgeschäft eines Bundesliga-Geschäftsführers ist nicht Kinds Stärke. Dazu müsste er mehr vor Ort sein und seine Mitarbeiter anleiten und kontrollieren. Mehr mit den Fans/Kunden zusammenarbeiten und die Arbeit der sportlichen Führung stärker auf die finanziellen Gegebenheiten verpflichten. Risiko gehört zu jedem guten Unternehmer, aber auch das Gespür dafür, wann das Risiko zum absehbaren Harakiri wird.