So, ich habe heute
60 Minuten Atlético gesehen und gebe mal meine Eindrücke zu Besten:
Das Fazit zuerst: Erwartungsgemäß eine sehr schwer zu bespielende, sehr clevere und homogen Mannschaft. Aber auch keine Übermannschaft. Respekt ist angesagt, aber keine Angst.
Am auffälligsten ist das gute
Devensiv-Verhalten. Die Null muss stehen und dazu wird das Spiel ohne große Strurmläufe möglichst erstmal in des Gegners Hälfte massiv verschoben. Gummibandartig und bestens abgestimmt verlagern sich die Reihen. Perfektes "Verschieben" nennt man das wohl. Hatte sich Madrid in des Gegners Hälfte festgesetzt, rückte die hintere Viererkette öfters bis an die Mittellinie vor, stand dort stoisch und ließ lediglich eine Art Libero zur Absicherung 10 Meter dahinter.
Das wirkte alles sehr homogen, sicher abgestimmt und wie geschmiert eingespielt.
Für den angreifenden Gegner werden die Räume ganz schnell eng. Ein Madrilen ausgespielt, wartet gleich schon der nächste. Manchester-Bezwinger Bilbao erreichte auf diese Weise in HZ gefühlte Null-mal den Madrider Strafraum. Von daher kann ich auch nicht sagen, wie die Abwehr bei hohen Bällen in den Strafraum durch Ecken etc. in Form ist. Solche Situation traten meist gar nicht erst ein.
Von hinten raus wird bei Balleroberung sofort schnell nach vorne gespielt. Und überhaupt läuft das Umschalten von defensiv nach offensiv (und umgekehrt) geschmeidig wie eine Mercedes-Automatik.
Das Angriffsspiel erschien mir etwas unorthodox. Es wurden relativ wenig die Flügel gesucht, sondern man versuchte immer wieder, das Zentrum der gegenerischen Hälfte zu besetzen, um von dort aus in den Strafraum zu heben (aber auch mal Richtung Flügel). Dabei wechseln Außenspieler auch mal gern die Position, indem sie plötzlich von der mittigen Seite einfach quer Richtung Zentrum der Spielfeldhälfte ziehen, statt den Weg Richtung Eckfahne lang am Flügel zu suchen. Das kann für die Defensivspieler verwirrend werden, wenn sie - statt routiniert zu übergeben sich von ihren Positionen zu weit wegziehen lassen.
Die Sturmqualität schien mir am Ende nicht sonderlich, außer, dass halt der sehr bewegliche Falcao konstant seine Buden macht. Den suchen sie, er ist nicht auszuschalten und hat ungefähr die Hälfte aller Liga-Tore für Atlético erzielt - das sagt eigentlich alles.
Über
einzelne Spieler und besondere Qualitäten etc. kann ich nix sagen, ich habe mich in der kurzen Zeit eher auf den Gesamteindruck konzentriert. Die eigentliche Stärke ist - ähnlich wie bei uns - eher das kompakte, taktisch disziplinierte und technisch augeglichene Team statt auffallender Einzelkönner.
Auffällig war noch
- die permanente viele Bewegung auf dem Platz - als Folge der konsequenten Taktik, unablässig zu verschieben, um die Räume eng zu halten.
- Das Antizipieren. Sie haben ein gutes Auge und Gespür dafür, wo der Gegner den Ball wahrscheinlich hinspielen wird. Das verschafft ihnen immer wieder kleine Vorteile bei Antritt und Laufweg.
- längere Zeiten ohne Spielunterbrechung, wenn es minutenlang keine Fouls und Ausbälle gab.
- Es wurde robust (männlich-herb

) gespielt, überflüssige Fouls wurden aber ziemlich vermieden; 1 Taktikfoul gab hingegen sofort Gelb vom konsequenten Schiri. Atlético hat zwar erst 1 Platzverweis, aber 90 Gelbe im laufenden Ligabetrieb zeugen doch davon, dass man im Zweifelsfallegern gern die Gangart verschärft.
- Sie suchen auch gern mal den Freistoß mittig vor dem 16er.
- Da Bilbao bis zum Schluss nicht aufgab (das Tor fiel in 90+3), wurden die letzen 20 Minuten wuseliger als ohnehin und auch emotionaler und hektischer. Das ist bei Südländern viellicht normal, unsere Elf sollte da aufpassen, sich nicht in eine sich aufheizende Atmosphäre hineinziehen zu lassen.
Womit ich bei vorsichtigen Ratschlägen wäre:
- 90 Minuten lang 100% Konzentration. Keine Sekunde auf keiner Position schlafen.
- Nie aus der Ruhe bringen lassen, nie provozieren lassen, denn jedes "Hochkochen" spielt nur den Spaniern in die Hände (hier: Füße).
- Kompakt stehen, aber ich nicht hintenreindrängen lassen, sonst riegeln die schon an der Mittelline ihre Hälfte komplett ab (s.o), Folge sind dann Ballverluste bei Vorwärtsbewegung schon in der eigenen Hälfte, wo sie sofort und frühzeitg stören und pressen. Deshalb, wenn sie stark aufgerückt sind: Bälle von hinten möglichst lang Richtung Mittelfeld rausspielen und auf Konter hoffen, sonst braucht's für jeden Meter Raumgewinn vor dem eigenen 16er 20 Pässe und Klein-Klein ohne Ende.
- Standards wie Ecken und Freistöße (sofern man sie überhaupt bekommt), konzentriert abliefern, sie bieten wohl eher Tormöglichkeiten, als den Ball in den Strafraum zu kombinieren.
- Wie oben schon beschrieben, scheint mir der auffällig häufige Versuch der Zentrumsbeherrschung mitten in des Gegners Hälfte eine Schwachstelle im Angriff zu sein. Gefährliche Situationen über außen kreieren sie damit nicht so häufig. Man darf halt nur nicht darauf reinfallen, seine eigene Außenverteidiger zu weit nach innen zu ziehen.
- Überraschnungsmomente: Auch die Fähigkeit des Vorausahnens hat einen Nachteil, nämlich wenn es der Gegner völlig anders macht als von der Situation scheinbar vorgegeben. Hier dürfen wir auf einen topfitten Jan Schlaudraff hoffen, der ja nachweislich auch mal spanischer als ein Spanier sein kann

UNd: taktische Disziplin erstarrt, wenn die kreativen Momente fehlen (letztes Wochenende: Mallorca - Atlético 2:0)
Kurzum: Wenn unser Team alles richtig und nix falsch macht, cool bleibt und sich läuferisch nicht zermürben lässt, ist (wenigstens) ein Unentschieden in Madrid alles andere als unrealistisch.
Das nächste zu beobachtende Spiel von unserem Gegner: in Saragossa, So., 25.3. um 12.00 (!!) Uhr.