Aktuelles zu AWD:
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Milliardendeal in der Finanzbranche
Swiss Life übernimmt AWD
Familie Maschmeyer verkauft Großteil ihrer Aktien / Geschäftsmodell soll unverändert bleiben
Von Gerd Zitzelsberger und Thomas Öchsner
Zürich - Der Finanzvertrieb AWD schlüpft unter das Dach von Swiss Life. Der größte Schweizer Lebensversicherer will einen Großteil der Aktien von AWD-Vorstandschef Carsten Maschmeyer übernehmen und den AWD-Aktionären ein Übernahmeangebot machen. Am Aktienmarkt geriet Swiss Life deshalb heftig unter Druck.
In der Finanzbranche bahnt sich ein neuer Milliardendeal an: Swiss Life will 20 Prozent des AWD-Kapitals von der Familie Maschmeyer zu einem Preis von rund 230 Millionen Euro übernehmen. Für die restlichen gut zehn Prozent der Maschmeyer-Aktien hat die Versicherung nach eigenen Angaben ein langfristiges Vorkaufsrecht erworben. Das kündigten der Versicherer und AWD am Montag in Zürich und Hannover an. Den freien Aktionären machen die Schweizer ein Übernahmeangebot von 30 Euro pro Aktie und damit auf gleicher Basis wie der Familie Maschmeyer. Dies bedeutet einen Aufpreis von 36 Prozent gegenüber dem Durchschnittskurs der vergangenen drei Monate. Die Offerte will Swiss Life im Januar vorlegen.
Der Versicherer bewertet damit den AWD-Konzern mit insgesamt 1,16 Milliarden Euro. Fünf Prozent des AWD-Kapitals haben die Schweizer bereits an der Börse erworben. Vorerst soll AWD, derzeit der zweitgrößte Finanzvertrieb in Deutschland, ein eigenständiges börsennotiertes Unternehmen bleiben. Swiss-Life-Vorstandschef Rolf Dörig hält es jedoch nicht für ausgeschlossen, dass der Versicherer "einmal 100 Prozent an AWD erwerben" werde. Maschmeyer verteidigte den Aktienverkauf: Swiss Life sei ein starker Partner, "der uns beim Erreichen unserer ehrgeizigen Wachstumsziele auch außerhalb Deutschlands unterstützt". Zugleich wehrte er sich gegen Vorwürfe, der Deal nutze vor allem ihm selbst. Der Verkauf des Aktienpakets habe überhaupt nichts mit Schwäche zu tun. "Wenn ich hätte Kasse machen wollen, hätte ich unsere 30 Prozent in einer Auktion angeboten", sagte er.
AWD war vor kurzem von seiner Geschäftsprognose für 2007 teilweise abgerückt. In den vergangenen Monaten waren mehr als 100 Berater, darunter auch einige Topverkäufer, zum neuen Konkurrenten Formaxx gewechselt. Die Fluktuation im Außendienst betrage bei AWD normalerweise sechs bis acht Prozent. In diesem Jahr werde sie bei acht bis zehn Prozent liegen, sagte Maschmeyer. Die britische Tochtergesellschaft hatte in den ersten neun Monaten Verluste geschrieben. Möglicherweise werde sie nun verkauft, so der AWD-Chef.
Fünf Jahre weiter Chef
Bei der Landesbank Baden-Württemberg hieß es, die geplante Übernahme werfe die Frage auf, ob AWD womöglich mehr Probleme habe als bislang bekannt. Der Aktienkurs von Swiss Life gab bis Handelsschluss mehr als sieben Prozent nach. Die Papiere von AWD legten dagegen um 28 Prozent auf 29,36 Euro zu.
Dörig und Maschmeyer betonten, am Geschäftsmodell von AWD werde sich nichts ändern. Ist ein Finanzvermittler mit einem Produktanbieter eng verbunden, liegt der Verdacht nahe, dass die Vertreter dessen Verträge bevorzugt verkaufen. Maschmeyer hatte bislang stets betont, es sei ein Vorteil für die Beratung, dass kein Produktpartner maßgeblich an AWD beteiligt sei. Nun sagt er: Die Unabhängigkeit von AWD bleibe trotz seines Aktienverkaufs "in Stein gemeißelt". Er selbst wolle noch mindestens fünf Jahre Vorstandschef bleiben.
Zu der Frage, ob der AWD-Außendienst künftig seine Beratungsintensität vermehrt den Swiss-Life-Produkten zuwendet, sagte Dörig: Wenn AWD zukünftig Swiss-Life-Produkte vertreibe, heiße dies nicht, dass das Unternehmen dies bevorzugt tue. Die Synergie-Effekte bezifferte er mit 30 Millionen Euro jährlich.
Vor allem in Schweizer Bankenkreisen stieß die geplante Übernahme auf Skepsis. Aktienhändler vermuteten, Swiss Life wollte damit schnell die Erlöse von insgesamt gut 2,4 Milliarden Euro aus dem Verkauf der Gotthardbank sowie aus der Veräußerung der Aktivitäten in den Niederlanden und in Belgien anlegen. Denn mit voller Kasse könnte der Schweizer Lebensversicherer selbst zum Übernahmeziel werden.
Am Aktienmarkt äußerten sich Analysten skeptisch, ob der Preis für AWD angemessen sei. Gemessen am Buchwert des deutschen Unternehmens liege das Übernahmeangebot sehr hoch, hieß es etwa bei der Züricher Kantonalbank. Auch passe AWD mit seinem Image als aggressiver Verkäufer von Vorsorgeprodukten nicht zur "altehrwürdigen Swiss Life", ließ die Bank Wegelin erklären. Die Bank Vontobel zog in Zweifel, ob die Kunden den Finanzvertrieb aus Hannover weiterhin als unabhängig ansähen. (Kommentare, Seite 20)
(SZ vom 4.12.2007)
Kommentar:
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Riskanter Einkauf
Von Thomas Öchsner
Die Geschichte kommt einem bekannt vor: Im März 2005 verkaufte der Vorstandschef von AWD, Carsten Maschmeyer, ein 20-Prozent-Paket an AWD für 235 Millionen Euro. Der Zeitpunkt war ideal: Der Finanzvertrieb hatte Rekordzahlen vorgelegt. Der Aktienkurs war stetig gestiegen. Und von dem Gewinneinbruch, den AWD ein halbes Jahr später meldete, war noch nicht die Rede. Jetzt wird Maschmeyer erneut ein großes Aktienpaket veräußern. Wieder dürfte er den Termin gut ausgewählt haben, zumindest für sich selbst. Ob aber der zukünftige Großaktionär Swiss Life mit Maschmeyers Handelsvertretern viel Freude haben wird, ist zu bezweifeln.
AWD hat große interne Probleme. Führende Vertriebsmitarbeiter haben das Unternehmen verlassen. Die Konkurrenz wächst. Das Deutschland-Geschäft schwächelt, in England verzeichnet der Konzern Verluste. Von dem Ziel, bis Ende 2008 etwa 8000 Verkäufer zu haben, die Provisionen generieren, ist der Finanzvertrieb derzeit weit entfernt. Es ist deshalb erstaunlich, dass Swiss Life für die AWD-Aktien einen Aufschlag von mehr als 30 Prozent zahlen will.
Hinzu kommt eine weitere Unsicherheit: Die geplante Übernahme von AWD ist eine Kehrtwende Maschmeyers. Stets war er stolz darauf, unabhängig von einer Bank oder Versicherung agieren zu können. Die Werbung mit der Unabhängigkeit war die Basis für den Aufstieg von AWD zum zweitgrößten Finanzvertrieb Deutschlands. Als mögliche künftige Konzerntochter dürfte AWD dagegen erhebliche Probleme haben, dieses Image weiter zu pflegen.
Mindestens fünf Jahre will Maschmeyer noch an der Spitze von AWD bleiben. Gut möglich, dass jetzt der eine oder andere eigene Mitarbeiter darauf wettet, dass er früher gehen wird. (Seite 20)
(SZ vom 4.12.2007)
Über Carsten Maschmeyer:
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Anhauen, umhauen, abhauen
AWD-Vorstandschef Carsten Maschmeyer hat sich und sein Unternehmen stets gut verkauft - jetzt geht er auf Nummer sicher
Von Thomas Öchsner
Wenn Carsten Maschmeyer, Vorstandsvorsitzender des Finanzvertriebs AWD, über seine Geschäfte redet, schwelgt er gerne in Superlativen. Das Unternehmen wird in den hauseigenen Pressetexten stets als "größter unabhängiger Finanzdienstleister in Europa" gefeiert. Und er selbst, heute immerhin 48 Jahre alt, ließ sich schon "Europas erfolgreichster Jungunternehmer" nennen. Auch Mitte August, als Maschmeyer die Halbjahresbilanz von AWD in Frankfurt präsentierte, zeigte er sich zufrieden und lobte die zum Teil guten Umsatzzahlen im Ausland. In Wirklichkeit muss schon damals in der Firmenzentrale in Hannover Krisenstimmung geherrscht haben. Ein flaues Geschäft in Deutschland, abtrünnige Verkäufer und eine desaströse Entwicklung der Tochter in Großbritannien bereiteten Sorgen, der Aktienkurs stürzte ab. Doch jetzt hat Maschmeyer die Reißleine gezogen - mit seinem vorerst letzten großen Coup: Heimlich, still und leise verkauft der Multimillionär und AWD-Haupteigner einen Großteil seines Aktienpakets an die Swiss Life.
Für den AWD-Chef ist dies ein später Triumph: Als er den Finanzvertrieb in den neunziger Jahren aufbaute, galt Maschmeyer als "Champion der Klinkenputzer". "Maschi", wie in manche bewundernd, andere ironisch nennen, hat lange darauf hingearbeitet, in den Vorstandsetagen der Finanzelite anerkannt zu werden. Und nun übernimmt ausgerechnet eine altehrwürdige Schweizer Versicherung sein Lebenswerk.
Mit goldener Geldklammer
Der Aufstieg des Carsten Maschmeyer erinnert an den US-amerikanischen Mythos "vom Tellerwäscher zum Millionär". Mit 19 Jahren, nach dem Abitur, begann Maschmeyer das, was er am besten kann: verkaufen, verkaufen, verkaufen. Er arbeitete damals für den OVB, einen Finanzvertrieb, der heute zu seinen Konkurrenten gehört. Jeder ist sein potentieller Kunde: Die Kameraden bei der Bundeswehr. Der Mann, der auf der Autobahn eine Panne hat. Die Freunde im Leichtathletikverein des damaligen niedersächsischen Bezirksmeisters. Mit 24 Jahren ist er Landesdirektor, die höchste Position in der Hierarchie des OVB. Maschmeyer ist der Starverkäufer, für sein Medizinstudium hat er längst keine Zeit mehr.
Es war die Zeit der Drückerkolonnen, die den Kunden im heimischen Wohnzimmer nach dem Motto: "anhauen, umhauen, abhauen" Versicherungspolicen und andere Finanzprodukte aufschwatzten. Verkäufer trugen Hemdkragen, die eine Goldecke mit Brillanten hatte. Beim BeZahlen öffneten sie ihr Sacco und zogen Tausendmarkscheine aus der Innentasche, die in einer goldenen Geldklammer gebündelt waren. Maschmeyer begriff schnell, dass er mehr konnte: Mit 28 Jahren baute er AWD auf. Heute, knapp 20 Jahre später, setzt AWD mit konzernweit gut 6000 Finanzvertretern pro Jahr mehr als 700 Millionen Euro um.
Wahlanzeige für Schröder
Bundesweit bekannt wird Maschmeyer 1998, zwei Jahre vor dem Börsengang. 650 000 DM ließ er damals springen, um vor der Landtagswahl in Niedersachsen in Tageszeitungen eine anonyme Anzeige zu schalten. Text: "Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein." Gerhard Schröder brauchte damals einen möglichst hohen Wahlsieg, um Kanzlerkandidat der SPD zu werden. Maschmeyer wurde als Geldgeber der Anzeige rasch enttarnt. Jahre später sagte er, es sei ihm nur darum gegangen, "Lafontaine zu verhindern, wenn es Kohl nicht schafft". Doch die Freundschaft zum ehemaligen Kanzler ist geblieben, Schröder trat sogar als "Ehrengast" bei einer Vertriebsveranstaltung von AWD auf.
Heute würde Maschmeyer so etwas, wie die Sache mit der Anzeige, nicht mehr passieren. Und er würde auch nicht mehr, wie damals beim Fest zum einjährigen Bestehen des AWD, auf einen Elefanten steigen und sich von 1700 Mitarbeitern bejubeln lassen. Es gibt wohl kaum einen Manager einer großen deutschen Aktiengesellschaft, der sein Image so perfekt geändert hat. Die schimmernden Seidenanzüge, die er Anfang der neunziger Jahre getragen haben soll, sind verschwunden. Vom Oberlippenbart abgesehen wirkt Maschmeyer heute eher wie der Vorstand eines Versicherungskonzerns. In kleiner Runde redet er bedächtig und leise, so als ob er Kreide gefressen hätte, und nicht gerade wie ein "begnadeter Verkäufer" (Der Spiegel).
Auch das Image von AWD hat sich geändert. Der Finanzvertrieb wirbt sehr erfolgreich damit, Kunden unabhängig zu beraten und für sie die besten und günstigen Finanzprodukte herauszusuchen. Ob dies aber der Wirklichkeit entspricht ist umstritten. Die einen bescheinigen AWD einen erstaunlichen Wandel. Die anderen, zumeist Verbraucherschützer, haben stets daran gezweifelt, ob sich die Beratung wirklich am Bedarf des Kunden orientiert. Auch ehemalige AWD-Mitarbeiter äußerten sich kritisch.
Die Schweizer Bank Wegelin kommentierte die geplante Übernahme am Montag trocken: "Swiss Life holt die Drückerkolonnen von AWD unters Konzerndach." Maschmeyer kann dies egal sein: Er hat mit dem Deal seine Schäfchen ins Trockene gebracht.
(SZ vom 4.12.2007)
Stand so oder ähnlich sicher auch in NP und HAZ, wenn ich deren weltklasse Wirtschaftsteile richtig einschätze.