Zur Strafe in rosa Trikots
Beim Online-Fußballspiel „Hattrick“ trainiert eine Frau das deutsche Nationalteam Von Christiane Eickmann

Der weibliche Rudi: Katrin Apel alias Kaalita, wie sie sich auf ihrer Homepage präsentiert.
Hannover. Ein Rudi Völler? Nein, in Deutschland gibt es zurzeit ganz viele Teamchefs, die überzeugt sind, dass sie der bessere „Rudi“ wären. Heute Abend werden sie zu Hause im Fernsehsessel sitzen und die perfekte Taktik parat haben, mit der die deutsche Nationalelf Tschechien schlagen kann. Katrin Apel hat ein bisschen Mitleid mit Rudi Völler. „Ich glaube, ich weiß, wie er sich fühlt“, sagt die 26-Jährige, die sich im Internet „Kaalita“ nennt. Denn Kaalita betreut beim Internet-Spiel „Hattrick“ die deutsche Nationalelf, hat jüngst die Qualifikation zur virtuellen Fußball-WM vergeigt und wird seitdem in diversen Internetforen hart kritisiert und mit klugen Ratschlägen versorgt.
Seit zwei Jahren spielt die in Berlin lebende Informatikstudentin beim kostenlosen Online-Spiel „Hattrick“ mit, das der Schwede Björn Holmér 1997 erfand. Mittlerweile trainieren weltweit 300 000 so genannte „Hattrick-Manager“ ihre Mannschaften, mindestens 20 000 allein in Deutschland. In jedem Land gibt es mehrere Ligen, Pokalrunden – auf internationaler Ebene Freundschaftsspiele und jeweils eine U-20- und Nationalmannschafts-WM. Die Mitspieler stellen sich ihre Mannschaft zusammen und entscheiden über die taktische Ausrichtung. Während der Spiele können sie nicht mehr eingreifen – ein Computerprogramm errechnet den Verlauf, baut Zufalls-Faktoren wie Rote Karten, Verletzungen und schlechtes Wetter ein, ähnlich wie in der realen Fußballwelt.
Doch einen gravierenden Unterschied zur Wirklichkeit gibt es: Der Coach der Nationalelf wird in jedem Land per Internet-Abstimmung für ein halbes Jahr gewählt. Kaalita gewann zur eigenen Überraschung die Wahl. Denn „Hattrick“ wird fast nur von Männern gespielt, Kaalita ist zurzeit die einzige Nationaltrainerin weltweit.
„Ich will gar nicht wissen, wie viele Stunden ich pro Woche mit ,Hattrick‘ verbringe“, sagte die 26-Jährige. Sie managt nicht nur die deutsche Nationalelf, sondern auch das Team „Framework X“, mit dem sie gerade aus der dritten in die vierte Liga abgestiegen ist. Dieser Rückschlag sei ihr aber egal, das Spiel mache süchtig.
Einige ihrer Mitspieler sind offenbar nicht nur süchtig nach „Hattrick“-Spielen, sie nehmen die virtuelle Fußballwelt auch äußerst ernst. Nach der verpatzen WM-Qualifikation bestrafte Kaalita die deutsche Nationalmannschaft, indem sie die Spieler bei einem Freundschaftsspiel gegen Rumänien in rosafarbenen Trikots auflaufen ließ. Die „Hattrick“-Gemeinde reagierte entsetzt: Was solle denn das Ausland denken, beschwerten sich gleich mehrere. „Kaalita hat sich mit den rosa Trikots nun völlig disqualifiziert und gezeigt, dass ihr die Außendarstellung Deutschlands total egal ist“, schrieb ein erboster „Hattrick“-Manager.
Doch Kaalita lässt sich nicht unterkriegen. Bis Oktober ist sie noch Nationaltrainerin. Bis dahin will sie das Nationalteam mit ehemaligen U-20-Spielern verjüngen, damit sie ihrem Nachfolger eine gute Mannschaft übergeben kann. Das Team verjüngen, wäre das auch ihr Tipp für Rudi Völler? Katrin Apel zögert, will dem Teamchef nichts raten und sagt sogar: „Nach dem 1:5 gegen Rumänien hätte ich ihm am liebsten eine tröstende E-Mail geschickt.“ Realer Fußball interessiert sie also auch? „Ja, ich bin ganz aufgeregt wegen der EM“, sagt Apel. Bei Hertha BSC und Union Berlin allerdings hat sie in der jüngsten Saison jeweils nur ein Spiel besucht – das war dann doch zu viel Realität.
Das Spiel im Internet:

, da war die verpatzte WM-Quali fast Schnee von gestern.