„Das ist die nationale Lachnummer“

Youri Mulder über Cliquenwirtschaft, Eifersucht und die letzte Chance der niederländischen Auswahl

Youri Mulder, 34, früher Stürmer bei Schalke 04, heute Co-Kommentator beim holländischen Fernsehsender NOS, über die Aussichten des holländischen Nationalteams in der EM-Qualifikation gegen Schottland. Das Rückspiel findet an diesem Mittwoch in Amsterdam statt und wird live vom ZDF ab 20.15 Uhr übertragen.

SZ: Seit der 0:1-Niederlage der holländischen Nationalmannschaft am Samstag in Glasgow singen die deutschen Fans bereits: „Ohne Holland fahr’n wir zur EM“. Ist die Vorfreude vor dem Rückspiel in Amsterdam berechtigt?

Mulder: Ja, allein schon wegen des Ergebnisses, aber sie könnte noch größer sein, wenn Holland doch noch zur Europameisterschaft fahren sollte. Dann gibt es nämlich wirklich etwas zu lachen.

SZ: Das klingt aber böse.

Mulder: Es gibt auch genug Gründe, um böse zu sein. Wenn etwas nicht klappt, man aber Einsatz zeigt, ist es nicht schlimm. Denkt man jedoch, man könne sehr gut Fußball spielen, wie es die Holländer tun, es klappt aber nie, wird man zur Lachnummer. Und unsere Nationalmannschaft ist inzwischen die nationale Lachnummer.

SZ: Glauben deshalb auch viele Niederländer nicht mehr an die Qualifikation?

Mulder: Genau, weil sie gesehen haben, dass die Schotten gemeinsam etwas erreichen wollten und die Holländer nicht. Sie sind Inseln, jeder möchte gerne gut für sich herauskommen.

SZ: Woran liegt das, schließlich ist das Team im Kern seit Jahren zusammen?

Mulder: Aber die meisten Spieler stehen in ihren Klubs auf der Kippe. Ob Kluivert, Cocu oder Overmars in Barcelona, Davids in Turin oder Frank de Boer bei Besiktas Istanbul, alle haben Probleme und sitzen mitunter sogar auf der Bank. Deshalb nutzen sie die Spiele mit der Nationalmannschaft nicht, um dort im Team erfolgreich zu sein, sondern um selbst gut auszusehen.

SZ: Seit Jahren ist von Cliquen in der Mannschaft die Rede, gibt es die noch?

Mulder: Ja, das Team wird von den Spielern dominiert, die aus Amsterdam stammen, und es ist für Spieler von Utrecht oder Twente Enschede schwierig, akzeptiert und richtig aufgenommen zu werden. Niels Oude Kamphuis von Schalke war ein Mal dabei und fand, dass es eine komische Atmosphäre ist. Um Ruud van Nistelrooy gibt es eine Gruppe, die aus Eindhoven kommt. Dann sind Kluivert, Davids, Seedorf und Reiziger, also die farbigen Spieler, schon von klein auf Freunde, und diese Jungs haben sehr viel Geld verdient. Deshalb ist jemand wie Mark van Bommel, der noch in Eindhoven ist, etwas eifersüchtig, weil die anderen auf ihn herunter gucken. Es ist tödlich, wenn Geld, Eifersucht und kleine Intrigen eine Rolle spielen.

SZ: Wäre da nicht der Trainer gefragt?

Mulder: Selbstverständlich, aber Dick Advocaat ist kein großer Trainer. Er wirkt immer bitter und vermittelt den Eindruck, als ob hinter jedem Baum ein Feind stehen würde. Unter ihm spielt niemand frei auf, weil er zu ängstliche Vorgaben macht, und seine Entscheidungen sind kaum nachzuvollziehen. In Glasgow hat er Kluivert deshalb aufgestellt, weil der im Training viele Tore gemacht hat. Aber Entschuldigung, das kann doch kein Maßstab sein! Dabei hatte er sich schon anders entschieden, wie er vorher sagte, weil es mit Kluivert und van Nistelrooy in der Nationalmannschaft immer schief gelaufen ist. Am Samstag standen sie dann doch gemeinsam auf dem Platz. Dabei spielt Roy Makaay beim FC Bayern gut, und jeder dritte Freistoß von Pierre van Hooijdonk ist ein Tor. Aber die Führung der Nationalmannschaft macht im Moment einen chaotischen Eindruck. Clarence Seedorf hatte erst am Tag der Nominierung des Nationalmannschaftskaders erfahren, dass er dabei ist, nachdem der Co-Trainer bereits öffentlich angekündigt hatte, dass er nicht geholt würde. Advocaat kann froh sein, dass die Zeitungen in Holland so brav sind. In Deutschland hätte er schon vor einem Jahr lesen müssen: „Hau ab, wir wollen dich nicht mehr sehen!“

SZ: Also warten in Holland alle wieder einmal auf Johan Cruyff?

Mulder: Wahrscheinlich wird Ruud Gullit neuer Trainer, selbst wenn wir die Qualifikation noch schaffen sollten.

SZ: Wäre Gullit denn der richtige, er redet ja sehr viel?

Mulder: Da schon, aber er hat sehr einfache und klare Vorstellungen von Fußball. Wir Holländer haben immer die Neigung, Fußball zu kompliziert zu machen.

SZ: Liegt aber nicht eines der Probleme der Nationalmannschaft darin, dass es zwar ein halbes Dutzend außergewöhnlich guter Stürmer gibt, nicht aber adäquate Spieler im Mittelfeld?

Mulder: Das stimmt schon, Davids und Cocu sind Arbeiter, aber keine Passgeber. Nur hat Davids irgendwann geglaubt, er wäre der Regisseur des Teams. Überzeugend war er aber nur, als er in Turin neben Zinedine Zidane gespielt hat und für ihn die Laufarbeit machen konnte. In Holland fehlt ein Spieler wie Ballack, und es fehlen frische Einflüsse. Beim Spiel in Glasgow ist mit im Schnitt 29 Jahren die älteste Nationalelf aller Zeiten angetreten, und vom Team, das vor zwei Jahren die WM-Qualifikation gegen Irland verpasst hat, waren noch neun Mann dabei. Auch deshalb haben wir im Fernsehen richtig Gas gegeben.

SZ: Ändert sich was?

Mulder: Jetzt wirft Advocaat die Jungen rein. Seedorf, Cocu, Kluivert, Overmars und de Boer fliegen wahrscheinlich raus, und vorne wird van Nistelrooy als einzige Spitze mit zwei Außenstürmern spielen. Eine davon ist der 19-jährige Arjen Robben aus Eindhoven, im Mittelfeld kommen die 20-jährigen Rafael van der Vaart und Wesley Sneijder von Ajax rein. Das haben wir schon lange gefordert, denn diese Spieler sind technisch gut. Es heißt zwar immer, Kluivert und die anderen wären technisch gut, aber denen springt jeder Ball weg. Wir hätten nur früher wechseln müssen, nun liegt der ganze Druck auf den jungen Wilden, wo es eine Minute vor zwölf ist.

SZ: Andy van der Meyde vom AC Mailand, der auch erst 24 ist, ist am Montag in einem Fernsehstudio kollabiert. Deutet das auf zu großen Stress hin?

Mulder: Das war Wahnsinn, er stand vor der Kamera und ist auf einmal aus dem Bild gefallen. Dabei müsste es ihn eigentlich nicht treffen, schließlich war er in Glasgow der beste Spieler. Ein Zeichen für die psychische Verfassung kann es aber schon sein.

SZ: Glauben Sie, dass es im Rückspiel trotz allem noch eine Wende geben wird?

Mulder: Ja, aber bei einer Umfrage unter Spielern und Trainern in Holland war ich der einzige.

Interview: Christoph Biermann

Mittwoch, 19. November, 17.30 Uhr:

Slowenien - Kroatien -:- ( -:- )

Die Slowenen haben sich im Hinspiel mit dem 1:1-Unentschieden eine gute Augangsposition für die Partie in Ljubljana verschafft. Allerdings muss der WM-Teilnehmer auf seinen Torschützen Ermin Siljak (Gelbsperre) verzichten.
Bei den Kroaten dürfen mit Robert Kovac (Bayern München), Niko Kovac, Josip Simunic (beide Hertha BSC Berlin) und Marko Babic (Bayer Leverkusen) gleich vier Bundesligaspieler auf einen Einsatz in der Startelf hoffen. Fehlen wird Kroatiens Nationalcoach Otto Baric aber Angreifer Ivica Olic, der ebenfalls Gelb-gesperrt ausfällt.


Mittwoch, 19. November, 19.30 Uhr:

Türkei - Lettland -:- ( -:- )

Nach der unerwarteten 0:1-Niederlage ist die Nervosität bei den Türken riesengroß. Ausgerechnet im "Endspiel" fehlen auch noch drei gesperrte Spieler. Trainer Senol Günes muss im Inönü-Stadion auf Emre (Rot-Sperre), Torwart Rüstü und Verteidiger Fatih Akyel (beide Gelbsperre) ersetzen. Für Aufregung sorgten die türkischen Behörden schon bei der Anreise der lettischen Mannschaft. Da die Letten ohne gültige Visa eingereist waren, mussten sich die Nationalspieler zunächst zwei Stunden lang in einer Schlange anstellen, um die Formalitäten zu erledigen. Außerdem wurde jeder Spieler einzeln von Rauschgifthunden am Flughafen von Istanbul beschnüffelt. Der türkische Fußball-Boss Haluk Ulusoy hatte sich für diese "Maßnahmen" bei der Regierung eingesetzt. Der Lette Valentins Lobanovs muss beim Spiel am Mittwoch ebenfalls nach seiner zweiten Gelben Karte zuschauen.


Mittwoch, 19. November, 19.30 Uhr:

Norwegen - Spanien -:- ( -:- )

Nach einer Vielzahl vergebener Torchancen im Hinspiel und mit einem mageren 2:1-Vorsprung im Gepäck reisen die eigentlich hochfavorisierten Spanier nach Norwegen. Nicht auszudenken für die Iberer, sollte ausgerechnet das Turnier beim Erzrivalen Portugal ohne sie stattfinden. Nationalcoach Saez muss bei den Skandivaviern auf Innenverteidiger Carlos Marchena verzichten, der Gelb-gesperrt ist.
Der norwegische Nationaltrainer Nils Johan Semb reagierte auf die Sperre seines Kapitäns Henning Berg und nominierte Vidar Riseth von 1860 München für die Partie nach. Ebenfalls neu in den Kader rückte Magne Hoset. Semb muss auch die verletzten Roar Strand und voraussichtlich Ronny Johnsen ersetzen.


Mittwoch, 19. November, 20.30 Uhr:

Wales - Russland -:- ( -:- )

Wales will im Rückspiel in Cardiff einen historischen Triumph feiern. Das Team von Bayern Münchens Ex-Profi Mark Hughes steht nach dem 0:0 in Russland vor der ersten Teilnahme an einem großen internationalen Turnier seit der WM 1958. Fraglich war der Einsatz von Ryan Giggs, der von der UEFA für einen nicht geahndeten Ellbogencheck im Hinspiel noch nachträglich bestraft werden könnte. Die Verhandlung im "Fall Giggs" wurde aber auf den 4. Dezember anberaumt, so dass der ManU-Mittelfeldspieler auflaufen kann.
Russlands Trainer Yarzev muss in dem Entscheidungsspiel mit Ovchinnikov und Mostovoi auf zwei Stammspieler wegen der zweiten Gelben Karte verzichten.

Man müsste eine neue Platte auflegen:
"Ohne Türkei, fahrn wir zur EM!"



Man hat ja auch heute gesehen, wie primitiv manche türkische "Fans" drauf sind. Das haben die sich verdient.

EM in Portugal - Die vier Lostöpfe

Lostopf 1:
Portugal
Frankreich
Schwewden
Tschechien

Lostopf 2:
England
Italien
Spanien
Deutschland

Lostopf 3:
Niederlande
Kroatien
Dänemark
Russland

Lostopf 4:
Bulgarien
Schweiz
Griechenland
Lettland

Auslosung am Sonntag, 30. November in Lissabon.

EM: Niederlande warten schon

Lettland hat gege die Türkei nicht nur für eine Überraschung gesorgt, sondern das DFB-Team zugleich in Lostopf zwei geschossen. Eigentlich wäre die Völler-Elf bei der EM-Gruppenauslosung im dritten Topf gewesen, doch das Scheitern der höher eingeschätzten Türken rückte Deutschland nach oben.
Somit geht die DFB-Truppe in Portugal erst einmal in England, Italien und Spanien aus dem Weg. Das "Horror" - Szenario in der Vorrunde wäre demnach eine Gruppe mit Frankreich, Niederlanden und Griechenland.

Quelle: Videotexseite 211 Sat. 1