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 Bosman + Webster Moderations-Bereich
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 Betreff des Beitrags: Bosman + Webster
BeitragVerfasst: 01.02.2008 14:23 
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Artikel aus der heutigen Süddeutschen Zeitung


Zitat:
Bosman, der Zweite

Neues Cas-Urteil erschüttert das Transfersystem des Fußballs


London - "Der neue Bosman" (nach dem Belgier Jean-Marc Bosman, der 1996 ablösefreie Wechsel nach Vertragsende durchsetzte) ist ein Titel, der fast ebenso inflationär wie vorschnell verliehen wird wie "der neue Maradona". Der schottische Profi Andy Webster, 25, hat es nach mehreren Jahren Anlaufzeit nun aber tatsächlich geschafft, das internationale Transfersystem wie sein Vorgänger aus Belgien in seinen Grundfesten zu erschüttern. Das internationale Sportgericht Cas in Lausanne entschied am Dienstagnachmittag, dass ein Spieler bei einem Wechsel ins Ausland seinen Vertrag nach einer "geschützten" Laufzeit von drei beziehungsweise zwei Jahren - je nachdem, ob er bei Vertragsunterzeichnung bereits 28 Jahre alt war oder noch nicht - einseitig auflösen kann und seinem Verein dafür nur die Summe der noch ausstehenden Gehälter als Entschädigung überweisen muss (siehe Kommentar).

Webster, der 2006 ein Jahr vor Vertragsende ohne Einverständnis seines schottischen Klubs Heart of Midlothian nach England zu Wigan Athletic in die Premier League wechselte, wurde vom Cas konkret angewiesen, 150 000 Pfund (rund 200 000 Euro) Strafe an Midlothian zu zahlen. Die Summe entspricht exakt einem Jahresgehalt. Der schottische Verein hatte dagegen 5,4 Millionen Euro, den mutmaßlichen Transferwert des Spielers, als Schadenersatz verlangt. "Ein Erdbeben" sieht der Independent in dem Urteil, für die Vereine ist es auf jeden Fall ein großes Problem. Wechselwillige Spieler, die schon seit drei beziehungsweise zwei Jahren im Verein sind, sind auf einen Schlag sehr viel billiger für Interessenten aus dem Ausland; folgt man dem Webster-Prinzip, orientiert sich die Ablöse nur noch am ausstehenden Gehalt. "Der Verein hat keine wirtschaftliche, moralische oder legale Berechtigung, den Marktwert eines Spielers als verlorenen Gewinn einzufordern", hieß es in der Urteilsbegründung.

Hertha-Stürmer Marko Pantelic, 29, der 2006 in Berlin einen Dreijahresvertrag unterschrieb, kann sich so zum Beispiel im Sommer für geschätzte 1,5 Millionen Euro freikaufen. Der Buchwert des Spielers fällt damit um mehr als zwei Drittel. Selbst ein Topverdiener wie Frank Lampard vom FC Chelsea, der nach Ablauf der Saison ebenfalls einseitig kündigen könnte, wäre im Juni schon für vergleichsweise günstige 5,5 Millionen Euro Ablöse zu haben.

Grundlage des Rechtstreits war der ominöse Artikel 17 in den Fifa-Regularien, der 2001 auf Druck der EU-Kommission ins Regelwerk aufgenommen wurde. Er ermöglicht es Spielern, nach Ablauf der geschützten Laufzeit ohne sportliche Sanktionen ins Ausland zu wechseln; allein die Frage der Entschädigung wurde bewusst offengelassen. In der ersten Instanz entschied die Schlichtungskommission der Fifa im April 2007 auf 843 000 Euro Strafe für Webster und Wigan; wie genau diese Summe berechnet wurde, gab die Fifa indes nicht preis. Vermutlich sollte diese Unklarheit Spieler und ihre Berater abschrecken, den Artikel 17 in Anspruch zu nehmen.

Webster und die beiden Vereine legten jedoch Einspruch gegen das Urteil ein - und der Schotte gewann in allen Punkten. "Fußballer haben nun die gleichen Rechte wie normale Arbeitnehmer", sagt Tony Higgins, ein Repräsentant der internationalen Spielergewerkschaft Fifpro. "Sie können Verträge einseitig kündigen. Das ist die bedeutendste Veränderung im Fußball seit Bosman."

Wahrscheinlich hat er recht. Der Fall Webster wird viele Transfersummen drücken und die Gehälter gleichzeitig noch schneller steigen lassen. Langfristige Verträge werden gänzlich zum einseitigen Risiko für die Klubs, da sie potentielle Käufer nicht mehr wirksam abschrecken können. Die DFL beruft sich zwar auf nationales Arbeitsrecht und droht Spielern, die sich auf den Artikel 17 berufen, mit der Verweigerung der internationalen Freigabe. Nach dem Cas-Urteil wird man damit aber wohl nicht mehr durchkommen. Raphael Honigstein

(SZ vom 1.2.2008)



Kommentar:

Zitat:
Webster setzt Maßstäbe

Von Thomas Kistner

Ja, auch das hat der Fall des Schotten Andy Webster mit dem des belgischen Kollegen Bosman gemein: Wieder mal landet ein Fußballprofi auf Grundlage geltenden EU-Rechts einen das Finanzsystem der Branche erschütternden Volltreffer, den jeder andere Kicker hätte auch setzen können. Insbesondere die Großverdiener, die ja viel mehr zu gewinnen hätten als ein mediokrer Akteur namens Webster, der nur preiswert von Edinburgh nach Wigan wechseln wollte.

So schafft, wie einst Bosman, nun im Vorbeigehen ein anderer Mr. Nobody neue Standards der Vertragsfreiheit. Just befand der Sportgerichtshof Cas, dass er seinen Vierjahres-Vertrag nach der "geschützten Laufzeit" von drei Jahren auflösen darf und den empörten Hearts nur noch die fürs Restjahr ausstehenden Gehälter schuldet - nicht aber fünf Millionen Euro Ablöse, die die Schotten einklagen wollten. Ein fulminanter Justizerfolg? Bahnbrechend sind nur die Folgen.Webster hat bloß auf Regel 17 der Fifa-Transferbestimmung gepocht, die vorsieht, dass Profis nur drei Jahre fest gebunden werden dürfen; wer bei Vertragsabschluss 28 oder älter ist, darf gar bereits nach zwei Jahren weiterziehen. Klar, dass die europäische Spielervereinigung Fifpro das Urteil nun als das wichtigste seit Bosman besingt.

So ist es, diesmal aber bleibt zu hoffen, dass die jähe Wendung die Geldverklappung auf Spieler- und Beraterkonten nicht in noch unsittlichere Dimensionen befördert. Zwar sieht es auf den ersten Blick so aus: Nimmersatte Söldner von Mailand bis Madrid kaufen sich jetzt nach zwei, drei Jahren aus ihren vertraglichen Restlaufzeiten mit ein, zwei Jahresgagen frei, um dem nächsten Arbeitgeber gleich wieder ein Mehrfaches als Handgeld herauszuleiern. So weit, so schlecht. So einseitig ist nun mal nach EU-Recht die Lastenverteilung zu Ungunsten der Klubs.

Diese aber könnten ihre Not auch zur Tugend machen und die neuen Risiken auf die Spieler umverteilen. Wär' ja ökonomisch blanker Unfug, Profis künftig länger als zwei, drei Jahre zu binden. Kürzere Laufzeiten könnten Transfer- und Handgelder dämpfen, zugleich ließen sich die Gehälter anheben: Bezahlt wird nur die Leistung, die geliefert wird. Geschmälert würden auf die Art die in der Szene arg begehrten Kick-Back- und Offshore-Zahlungen. Übrigens, fortan dürften gerade als AG wirkende Klubs, die ja mit Aktionärsgeld arbeiten, keine Jungstars mehr auf viele Jahre verpflichten. Wer derart öffentlich Geld verbrennt, könnte sich am Ende strafbar machen.

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BeitragVerfasst: 01.02.2008 15:07 

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Ich weiß nicht, wie man das Urteil beurteilen kann/muss/sollte. Zu Erst: nach dem Bosman-Urteil haben auch alle aufgeschrien und heute ist es normal, dass Spieler ablösefrei wechseln können.

Das neue Urteil macht es für Spieler ab jetzt sehr einfach, den Verein zu wechseln und dabei ordentlich abzukassieren. Die Vereine schauen dagegen ziemlich in die Röhre.

Laut dem Bericht der SZ darf ein Spieler nach 3 Jahren den Verein gegen wenig Geld verlassen. Was passiert jetzt, wenn nach einem 3 Jahres-Vertrag ein weiterer 3 Jahres-Vertrag abgeschlossen wird? Darf der Spieler dann nach 1 Jahr den Verein verlassen, weil er dann ja schon das 4. Jahr für diesen spielt, oder beginnt die Jahreszählung wieder von vorne?

Ich weiß noch nicht, wie sich das ganze entwickeln wird. Gut für den Fußball ist es in meinen Augen nicht.

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BeitragVerfasst: 01.02.2008 15:57 
Damit dürfte sich ein völlig neues System entwickeln. Das muss nicht unbedingt schlecht sein.
Interessant ist jetzt die Frage, wieviel Clubs nun Insolvenz wegen Überschuldung anmelden müßten. Die Transferwerte werden ja in der Bilanz geführt auf der Aktiva-Seite. Die Transferwerte müssen nunmehr an die aktuelle Rechtsprechung angepasst werden. Ein Ronaldinho würde uns daher als Transfersumme nur noch die ausstehenden Gehälter kosten... wer hätte das gedacht (*träum). Also dürften die meisten Mannschaften auf einen Schlag viel weniger Wert sein.
Wenn nun diese Werte zB als Sicherheit für Verbindlichkeiten gegenüber Banken stehen - und letztere dürften bereits in Panik vor Neubewertungen ihrer Kredite sein (wie bei der US Immobilienkrise) -, folgen daraus riesige Probleme:
Die Banken werden schnellstmögliche Rückführung der Überschuldung verlangen. Das wird in der Regel nur durch Verkäufe von Spielern gehen - wenn nach diesem Urteil überhaupt - oder durch Einwerben von Kapitalgebern. Und schon sind wir wieder (verdammt, falscher Thread) wieder bei der ominösen 50+1-Regel...
Eine andere Auswirkung: Sehr wahrscheinlich eine höhere Fluktuation oder einfacher ausgedrückt: Mehr Spielerwanderungen. Vereinstreue kann nicht mehr per Vertrag gesichert werden; zukünftig kommt sie aus dem Herzen (und durch das Gehalt). :wink:


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BeitragVerfasst: 01.02.2008 16:24 

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@ Kuhburger:

Das ist eine interessante Sichtweise. Allerdings dürfte das hauptsächlich die Klubs in Italien und Spanien betreffen, da dort ein Großteil der Vereine verschuldet ist. Nun kann man bewusst die Frage stellen: Ist die Zeit für diese Länder vorbei, in denen sie die Vormachtstellung im europäisch Fußball hatten und ob sich nun doch die wirtschaftlich gut geführten Vereine hier in Deutschland durchsetzen oder sich deren Stellung zumindest im internationalen Vergleich verbessert?

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BeitragVerfasst: 01.02.2008 16:25 
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Kuhburger hat geschrieben:
Damit dürfte sich ein völlig neues System entwickeln. Das muss nicht unbedingt schlecht sein.
Interessant ist jetzt die Frage, wieviel Clubs nun Insolvenz wegen Überschuldung anmelden müßten. Die Transferwerte werden ja in der Bilanz geführt auf der Aktiva-Seite. Die Transferwerte müssen nunmehr an die aktuelle Rechtsprechung angepasst werden. Ein Ronaldinho würde uns daher als Transfersumme nur noch die ausstehenden Gehälter kosten... wer hätte das gedacht (*träum). Also dürften die meisten Mannschaften auf einen Schlag viel weniger Wert sein.
Wenn nun diese Werte zB als Sicherheit für Verbindlichkeiten gegenüber Banken stehen - und letztere dürften bereits in Panik vor Neubewertungen ihrer Kredite sein (wie bei der US Immobilienkrise) -, folgen daraus riesige Probleme:
Die Banken werden schnellstmögliche Rückführung der Überschuldung verlangen. Das wird in der Regel nur durch Verkäufe von Spielern gehen - wenn nach diesem Urteil überhaupt - oder durch Einwerben von Kapitalgebern. Und schon sind wir wieder (verdammt, falscher Thread) wieder bei der ominösen 50+1-Regel...
Eine andere Auswirkung: Sehr wahrscheinlich eine höhere Fluktuation oder einfacher ausgedrückt: Mehr Spielerwanderungen. Vereinstreue kann nicht mehr per Vertrag gesichert werden; zukünftig kommt sie aus dem Herzen (und durch das Gehalt). :wink:


Besonders die Umstellung auf das neue System wird in den nächsten Jahren schwierig sein, aber danach wird es vielleicht ruhiger. Jetzt werden die Fußballspieler fast als normale Arbeitnehmer betrachtet. Ich schaue noch mal in der Kristallkugel welche Konsequenzen das Ganze haben wird.


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BeitragVerfasst: 01.02.2008 17:49 
@aussiedler
Wenn die Zahlen von Transfermarkt.de in den Bilanzen stehen, dürfte auch so mancher knapp kalkulierender deutscher Club ganz schön in die Bredouille geraten. Ich bin gespannt und hoffe, dass MK in dieser Hinsicht alles richtig gemacht hat.


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BeitragVerfasst: 01.02.2008 18:14 
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Was macht den die Aktualität aus?

Der Websterfall ist doch schon fast 2 Jahre her und die Sache wurde damals doch schon diskutiert.
Hier ein Artikel des Spiegels vom März 2007 :!:
:arrow: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0, ... 65,00.html

Im dortigen Interview entschärfte schon damals Horst Heldt die Sache.

Horst Heldt hat geschrieben:
Heldt: Das Arbeitsrecht lässt sich nicht einfach eins zu eins übersetzen. Der Artikel bezieht sich auf EU-Recht und stimmt grundsätzlich nicht mit den Gepflogenheiten des Profifußballs überein. Laut EU-Recht könnte ein Spieler ja auch vor das Arbeitsgericht ziehen, wenn er wegen einer Roten Karte wochenlang gesperrt ist. Macht ja aber auch keiner. Deswegen denke ich nicht, dass dieser Paragraph bei uns so zum Tragen kommt.


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BeitragVerfasst: 02.02.2008 13:16 
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der nette tod hat geschrieben:
Im dortigen Interview entschärfte schon damals Horst Heldt die Sache.


Tja, aus irgendwelchen Gründen sind die CAS-Laienrichter Herrn Prof. Dr. jur. Heldt in ihrer Entscheidung nicht gefolgt.

Und zum Thema Aktualität: Die Klage ist zwei Jahre her, richtig, die Entscheidung aber erst zwei Tage alt.

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BeitragVerfasst: 02.02.2008 23:44 
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http://www.11freunde.de/newsticker/108334
Zitat:
Freitag den 01.02.2008 16:27
Bundesliga warnt vor `verheerenden´ Folgen

Die Fußball-Bundesliga hat mit Entsetzen und Unverständnis auf das bahnbrechende Urteil des Obersten Sportgerichtshofs (CAS) im Fall des schottischen Profis Andy Webster reagiert. `Sollte das Urteil in dieser Form zur generellen Anwendung kommen, kann dies verheerende Folgen haben´, erklärte Holger Hieronymus, Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL): `Wir dürfen nicht zulassen, dass künftig Arbeitsverträge einseitig und ohne triftigen Grund aufgelöst werden dürfen. Die Entscheidung ist mit den Grundsätzen des deutschen Arbeitsrechts nicht vereinbar. Solange es keine arbeitsrechtliche Klärung gibt, wird die DFL keine internationale Freigabe erteilen.´ Die Liga-Spitze analysiert mit ihren Juristen derzeit eingehend die Konsequenzen des Urteils.

Im Dialog mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und im Rahmen des Verbandes der Europäischen Fußball-Ligen (EPFL) wird der Ligaverband gemeinsam an einer solidarischen Position des Fußballs arbeiten. `Im Sinne unserer Klubs werden wir alles daran setzen, damit ein wesentlicher Grundsatz erhalten bleibt: Verträge sind zu erfüllen´, sagte Hieronymus. Manager Horst Heldt vom deutschen Meister VfB Stuttgart sprach den Richtern in Lausanne jegliche Praxisnähe ab: `Das haben Leute entschieden, die in der Praxis keine Ahnung haben. Die großen Vereine werden die kleinen Klubs noch mehr schlucken.´ Auch Bayern Münchens Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, zugleich Vorsitzender der Europäischen Klub-Vereinigung (ECA), `bedauerte´ das Urteil: `Weil damit wieder einmal die Position und die Planungssicherheit der Klubs geschwächt wird.´ Schalkes Manager Andreas Müller meinte: `Die Klubs halten die Verträge ein und müssen am Ende bluten. Man sollte darüber nachdenken, ob man gewisse Gehaltszahlungen erst im letzten Jahr vornimmt.´ Das CAS-Urteil vom Dienstag könnte ähnlich dramatische Auswirkungen auf den Profifußball haben wie im Jahr 1995 der Fall Bosman.

Der Independent schrieb bereits von einem `Erdbeben´. Auslöser für das Urteil war der in 2001 auf Druck der EU vom Weltverband eingeführte Artikel 17. Dieser besagt, dass ein Profi bei einem Wechsel ins Ausland seinen Kontrakt nach einer `geschützten´ Laufzeit von drei (bis zum 28. Lebensjahr) oder zwei Jahren (nach dem 28. Lebensjahr) einseitig auflösen kann. Nach dem CAS-Urteil im Fall Webster muss der Spieler selbst oder der aufnehmende Verein allerdings nicht - wie von der FIFA gefordert - eine hohe Konventionalstrafe, sondern lediglich das noch ausstehende Gehalt zahlen. Im Fall Webster bedeutet das: Statt der FIFA-Strafe in Höhe von 625.000 britischen Pfund (rund 840.000 Euro) muss Webster nur ein Jahresgehalt (rund 200.000 Euro) als Strafe zahlen. Laut Bayer Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser hat die FIFA das CAS-Urteil aber selbst verschuldet und mit der Einführung des Artikels 17 ein Eigentor geschossen. `Mich überrascht das Urteil nicht. Das Problem ist der Artikel 17 selbst. Dieser wurde bar jeder Sachkenntnis und völlig ohne Not eingeführt.

Aus irgendeinem Grund war man wohl der Ansicht, Spieler nicht länger als drei Jahre binden zu können´, sagte Holzhäuser dem Sport-Informations-Dienst (sid). Den Profis spielt das CAS-Urteil unterdessen in die Karten. So könnte sich der Berliner Marko Pantelic, dessen Dreijahresvertrag im Juni 2009 ausläuft, bei einem möglichen Transfer ins Ausland für rund 1,5 Millionen Euro freikaufen. Normalerweise wäre der Serbe nicht für weniger als vier Millionen Euro zu haben. Glück hatte in diesem Zusammenhang zuletzt der Hamburger SV. Denn der umworbene Mittelfeldstar Rafael van der Vaart kündigte bereits an, seinen angekündigten Abschied vom HSV keinesfalls mit Hilfe des FIFA-Paragraphen 17 erwirken zu wollen. `Das will ich nicht. Ich habe den Verantwortlichen auch bereits gesagt, dass ich das nicht tun werde´, sagte der 24-Jährige.

Die FIFA verwies in ihrer Reaktion auf das CAS-Urteil auf die Problematik, dass sich die Entschädigung, die ein Spieler schuldet, der seinen Vertrag ohne triftigen Grund vorzeitig auflöst, ohne Weiteres im Voraus berechnen lasse. Für das System sei dies verheerend. Die Hände reiben könnten sich wohl einzig die Spielervermittler, die ihre Klienten gewinnbringend neuen Klubs anbieten könnten. `Deshalb müssen wir bei Vertragsabschlüssen in der Zukunft noch genauer auf den Charakter des Spielers achten´, erklärte Frankfurts Vorstandsboss Heribert Bruchhagen, der nach dem CAS-Urteil bereits ein Treffen mit Klub-Anwalt Christoph Schickhardt anberaumte: `Natürlich bin ich nicht amüsiert über das Urteil. Es ist nicht schön, wenn Verträge nach zwei Jahren keinen Wert mehr haben. Welche Konsequenzen das für uns haben wird, kann ich schon erahnen. Aber wenn die Straßenverkehrsordnung geändert wird, dann muss ich mich auch danach richten´, meinte Bruchhagen.


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