Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  Seite 1 von 1 | [ 3 Beiträge ] | 
 Braunschweiger Mauschelei beim Aufstieg ? Moderations-Bereich
Autor Nachricht
 Betreff des Beitrags: Braunschweiger Mauschelei beim Aufstieg ?
BeitragVerfasst: 19.10.2003 15:47 
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat geschrieben:

Fall Lintjens mehr als eine Geldfrage

Von Jörg Stratmann

14. Oktober 2003

Stefan Puhle ist kein Fußballfan. Aber er ist ein Freund des Sports. Besonders mag er American Football. Deshalb hat er vorigen Samstag mitgefiebert, als die Braunschweig Lions im Endspiel um die deutsche Meisterschaft in der Verlängerung den Hamburg Blue Devils 36:37 unterlagen. Ein spannender Kampf, dazu in einer sportlich-fairen Einstellung, die Puhle zuweilen gern in seinen Beruf als Richter einfließen ließe. Vor allem in der Sache "SG Wattenscheid 09 gegen Eintracht Braunschweig", bei der auch die rechtlich schwer zu fassende ethische Seite des Sports in ein schummriges Licht gerät.

Ist seinerzeit alles mit rechten Dingen zugegangen, als Braunschweig am 18. Mai 2002, an dem letzten Spieltag der Regionalliga Nord, mit einem 2:1 gegen Wattenscheid nach neun Jahren in die Zweite Fußball-Bundesliga aufstieg? Diese Frage stand zwar vorigen Donnerstag nicht im Mittelpunkt der Verhandlung vor der 10. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig. Und doch beschäftigte sie den Vorsitzenden Richter Puhle. Gegenstand des Streites ist eine Vereinbarung vom 16. Mai 2002, auf deren Grundlage Wattenscheid die Braunschweiger auf 250000 Euro zuzüglich Zinsen und Mehrwertsteuer verklagt hat. Am 28. Oktober wird Puhle verkünden, ob die Eintracht zahlen muß oder ob das Gericht diesen Vertrag für ungültig, weil sittenwidrig hält. Dabei ersparte der Richter den Parteien auch diese peinliche Frage nicht: "Was meinen Sie", so wandte er sich an den Vorsitzenden der SG Wattenscheid 09, Rüdiger Knaup, "was wohl geschehen wäre, wenn ein Dritter am 17. Mai, also einen Tag vor dem entscheidenden Aufstiegsspiel, diese Vereinbarung gesehen hätte und ins Wettbüro gegangen wäre?"

Knaup enthielt sich der Stimme. Doch so sprechen die Tatsachen: In einer Lage, da die SG Wattenscheid 09 selbst noch hätte aufsteigen können, trat sie mit dieser Vereinbarung aus Gründen der "Planungssicherheit" Transferrechte am Wattenscheider Spieler Sven Lintjens an Eintracht Braunschweig ab. Hätte also der wechselwillige Mittelfeldspieler einen neuen Verein gefunden, wäre der Erlös an die Eintracht geflossen. Im Gegenzug verpflichtete sich Braunschweig, für die Übertragung dieser Rechte bis zum 10. Juli 2002 die Summe von 250000 Euro an Wattenscheid zu zahlen - unter der Bedingung, daß Braunschweig in die zweite Liga aufsteige. Was dann zwei Tage später, wenn auch erst durch ein Tor in der 94. Spielminute gegen Wattenscheid, geschah. Nur ein Schelm, der Böses dabei denkt?

Es gibt Augenzeugen, die sich in diesem Zusammenhang noch gut markanter Spielszenen erinnern. Beispielsweise wie sich das Wattenscheider Team zwar mehrheitlich um einen Sieg bemüht, aber Stürmerkollege Iyodo einige gute Torchancen seltsam zaghaft vergeben habe. Oder wie sich Trainer Hannes Bongartz entgegen sonstiger Gewohnheit nur verhalten über das 1:0 gefreut habe, obgleich Hamit Altintop dabei einen gerade erst geübten Spielzug erfolgreich beendete. Und vor allem wie der damalige Braunschweiger Manager Dirk Holdorf eine Viertelstunde vor Spielende, als es noch 1:1 stand und mithin Konkurrent Rot-Weiß Essen vor dem Aufstieg stand, plötzlich gestenreich vor der Wattenscheider Trainerbank aufgetaucht sei. Ein 2:1 in letzter Sekunde, so geben andere Augenzeugen zu bedenken, lasse sich doch gar nicht planen. Aber auch ihnen fallen die Ungereimtheiten auf, die vor Gericht offenkundig wurden.

Daß Profi Sven Lintjens, der einst für Borussia Mönchengladbach zwei Bundesligaspiele bestritten hatte, immer noch Gegenstand einer Verabredung zwischen beiden Vereinen war, wußte er selbst gar nicht. Ein erster Vertragsentwurf vom 2. Mai 2002 behandelte noch einen Transfer des Spielers nach Braunschweig, falls die Eintracht aufsteige. Doch diesen Wechsel lehnte Lintjens am 16. Mai ab - just an dem Tag also, als die Vereine die zweite Vereinbarung unterzeichneten. Vordergründig schien damit ein normales Geschäft besiegelt. Denn immerhin hatten dem 27 Jahre alten, technisch begabten Offensivspieler Anfragen der Zweitligaklubs LR Ahlen und Eintracht Frankfurt sowie vom belgischen Erstligaverein Standard Lüttich vorgelegen. Vor Saisonbeginn hatte Lintjens in Wattenscheid einen Dreijahresvertrag unterschrieben, mit der Klausel, für 250 000 zu einem Zweitligaverein oder für 500 000 Euro zu einem Bundesligaverein wechseln zu können. Die Höhe dieser Summen indes macht Kenner stutzig. Mit solchen Erlösen hätte Braunschweig kaum rechnen dürfen, heißt es. Doch war die Vereinbarung nicht viel mehr wert? Nach neun Jahren, so wurde Holdorf nach dem Aufstieg zitiert, "hat der Verein keine Reserven mehr". So aber wurde die mit 2,7 Millionen Mark verschuldete Eintracht für das einjährige Gastspiel in der zweiten Liga mit 3,5 Millionen Euro allein aus Fernsehgeldern belohnt. Zeuge Lintjens, auf dessen Dienste Wattenscheid nach jenem Spieltag keinen Wert mehr legte, kickt mittlerweile noch immer in der Regionalliga - für Rot-Weiß Essen. Der Wechsel kostete 10000 Euro.

Einmal mit diesem Sittengemälde vertraut, erwog Richter Puhle schon in der Verhandlung die Begriffe "Scheinvertrag" und "Sittenwidrigkeit". Darüber wird er nun befinden. Die sportliche Bewertung dagegen steht aus. Zumindest, so schloß der Jurist, gewähre der Fall "einen klitzekleinen Einblick in diesen Sklavenmarkt". Nichtjuristen gingen weiter: Sie fragen sich, ob es hier nicht um einen Fall sportlichen Betrugs gehe?


Quelle : KLICK !


Nach oben
  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 28.10.2003 19:01 
Benutzeravatar

Registriert: 20.04.2003 23:27
Beiträge: 646


Offline
Nachdem heute das Urteil gefällt wurde, scheint an der Sache wirklich einiges dran zu sein! Danach ist der Vertrag nichtig, weil SITTENWIDRIG (!!!!)

Hier mal ein Artikel von www.faz.net

Die Sittenwidrigkeit, so heißt es in der Begründung, ergebe sich daraus, daß die Transfervereinbarung für einen objektiven Beobachter, der alle Umstände des Vertragsabschlusses und die sportlichen Hintergründe der Regionalliga Nord im Mai 2002 kenne, den nachhaltigen Eindruck erwecke, als ob die Vertragsparteien mit dieser Vereinbarung Einfluß auf den Ausgang des Spiels am 18. Mai 2002 hätten nehmen wollen.

Dafür sprechen nach Ansicht der Kammer einige Indizien. Am 2. Mai hatten sich beide Parteien auf eine, so der Richter, „mehr oder weniger normale Transfervereinbarung" über einen Wechsel von Lintjens nach Braunschweig geeinigt. Doch wollte der Profi nicht zur Eintracht wechseln. Das sei am 16. Mai allen Beteiligten bekannt gewesen, als die zweite Vereinbarung abgeschlossen wurde, auf deren Einlösung Wattenscheid geklagt hatte. Einzige Bedingung für die Wirksamkeit dieses Vertrages - und damit für die Zahlung von 250.000 Euro plus Mehrwertsteuer - sei nur noch der Aufstieg Braunschweigs gewesen. Und der sei abhängig gewesen vom Ausgang des Spieles zwei Tage später.

Wattenscheids Gegenleistung dafür sei „wirtschaftlich ohne greifbaren Wert" gewesen, „weil Transferrechte als eigenständige Rechtsfigur nicht vorhanden und damit auch nicht veräußerbar gewesen" seien.

„Wahrheitsgemäße Aussagen nicht zu erwarten“

Der Eindruck, daß der Ausgang des Spiels abgesprochen gewesen sei, werde darüber hinaus auch durch die Zeitabläufe hervorgerufen, sagte der Richter. Denn falls Wattenscheid, wie der Verein zur Begründung erklärt hatte, tatsächlich „Planungssicherheit" benötigt habe, „wäre es auch möglich gewesen, den Vertrag ohne jegliche Bedingung am 18. Mai 2002 nach dem Spiel der beiden Fußballmannschaften abzuschließen".

Das Angebot Wattenscheids, alle Spieler einschließlich des Trainers Hannes Bongartz zu befragen, ob der Ausgang des Spiels abgesprochen gewesen sei, lehnte die Kammer ab. Einmal, weil wahrheitsgemäße Aussagen nicht zu erwarten seien. Zum zweiten komme es bei der Beurteilung, ob die Vereinbarung wirksam sei, "ausschließlich auf den Zeitpunkt" an, wann sie abgeschlossen wurde. Das Ergebnis des Fußballspiels sei lediglich ein Indiz dafür, daß die Vereinbarung tatsächlich so verstanden werden könne, "wie die Kammer dies tut".

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es ist mit der Berufung zum Oberlandesgericht Braunschweig überprüfbar. Offen ist deshalb auch, ob der Regionalligaklub Rot-Weiß Essen das Urteil zum Anlaß einer Schadenersatzklage nimmt. Hätte Braunschweig seinerzeit nur unentschieden gespielt oder verloren, wäre Essen in die zweite Liga aufgestiegen.

Text: jan., Frankfurter Allgemeine Zeitung 29.10.2003
Bildmaterial: dpa


Ob man mal an den DFB schreiben sollte, um Gerechtigkeit zu verlangen? :lol: :lol: :lol:


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 29.10.2003 09:44 
Benutzeravatar

Registriert: 21.04.2003 15:55
Beiträge: 1636
Wohnort: Lehrte


Offline
So weit ich weiß, wird in der Regionalliga die Nachspielzeit nicht offiziell angezeigt. Und bei einer vorsätzlichen Schiebung darauf zu vertrauen, daß der Schiedsrichter wirklich 4 Minuten nachspielen lässt, ist schon sehr riskant.
Trotzdem stinkt die ganze Sache natürlich zum Himmel. Aber das Spiele verschoben werden, wissen wir doch seit 82 Deutschland-Österreich. In der 3. oder 4. Kreisklasse werden dem Gegner schon mal zwei Kisten Bier in die Kabine gestellt und ob letzte Saison bei Frankfurt-Reutlingen am letzten Spieltag alles mit rechten Dingen zugegangen ist, wage ich auch zu bezweifeln. Aber wie will man solche Dinge verhindern? Einzige- wenn auch bescheidene Möglichkeit- wäre wie in Italien, meines Wissens nach üblich, bei Punktgleichheit Entscheidungsspiele.


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
 
Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  Seite 1 von 1 | [ 3 Beiträge ] | 


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast


Du darfst keine neuen Themen in diesem Forum erstellen.
Du darfst keine Antworten zu Themen in diesem Forum erstellen.
Du darfst deine Beiträge in diesem Forum nicht ändern.
Du darfst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Suche nach:
Gehe zu: