Windhoek, 29.09.10. Zweiter Spieltag der Premier League Namibias. Es spielt der Sportklub Windhoek (SKW - grüne Trikots), ehemals Heimat der Deutsch-Namibier Windhoeks, gegen den amtierenden namibischen Meister, African Stars (rote Trikots). Fan bin ich schon seit der Jugend der African Stars, dank Ronni Kanalelo, der damals für die Stars im Tor stand. Am Ende trennen sich beide mit einem 1:1.

Das Spiel findet heute im "Independence Stadium" am Südrand Windhoek statt. Eintritt: 30 N$ (Namibia Dollar - ca. 3 Euro). Catering gibt es nur privat vor dem einzigen offenen Eingang. Auf der gegenüber liegenden Straßenseite haben sich etliche Straßenhändler aufgereiht. Es riecht herrlich nach Gebratenem und zum Tanken gibt es genug. Bier und Steaks können mit in das Stadion genommen werden.

Das Independence Stadium wurde Ende der siebziger Jahre gebaut. Es hat eine überdachte Haupttribüne mit Sitzschalen. Die Kurven und Gegengerade besteht aus Betonreihen zum Sitzen. Um das Grün gibt es eine Kunststoff-Leichtathletikbahn. In diesem Stadion hatte damals mein Vater als Funktionär des (für Weiße aufgestellten) Verbandes die ersten Leichtathletikfeste organisiert, an denen Weiße und Schwarze gemeinsam teilnehmen konnten. Da bin ich noch heute stolz drauf. Da es damals gegen die südafrikanische Apartheidpolitik verstieß, bekam er dafür reichlich Ärger mit der südafrikanischen "Stasi".

Doch zurück zum Spiel. Es ist Mittwochabend. Anpfiff ist pünktlich um 20:00 Uhr; die Sonne ist längst hinter den Bergen verschwunden, gespielt wird bei Flutlicht. Im ca. 14.000 Zuschauer fassenden Stadion haben sich auf der Haupttribüne und auf der Gegengeraden jew. ein paar Hundert Zuschauer eingefunden. Ich habe genau 4 Vuvuzelas gezählt, die sehr zaghaft eingesetzt wurden . Die ganz jungen unter den Zuschauern fehlen - keine Kinder und Jugendliche im Schulalter. Das Verhältnis Frauen zu Männern so, wie wir es in Deutschland kennen.

Das technische Niveau der Spieler ist sehr breit, von unbeholfen bis richtig gut. Der Torhüter des SKW, Ephraim Tjihonge - ein Unsicherheitsfaktor! Deren Neuzugang dagegen, Alfred Ndyenge, Sturmhoffnung des namibischen Nationalteams, eine Augenweide. Und so waren es auch diese beiden, die zum Spielergebnis maßgeblich beitrugen. Erst läuft Tjihonge in der 15. Minute dem Stars-Stürmer Shihongo ungestüm entgegen und rennt ihn an der Strafraumgrenze förmlich über den Haufen. Den fälligen Elfmeter verwandelt Edison Muheua zum 1:0 für die Stars. Dann kommt nach der Pause der SKW zum Ausgleich. Ein wunderschönes Kopfballtor durch Ndyenge, der eine gute Flanke vom einzigen Deutsch-Namibier im SKW-Kader, Pitzi Eichhoff, verwerten kann.

Nach dem Tor kommt einer der neben mir stehenden jungen Stars-Fans auf mich zu, streckt mir die Hand entgegen und sagt: "Good shot! Congratulations!" Da ich an der Stelle der einzige Weiße war, vermutete man in mir einen SKW-Fan. Ich musste ihn dann aber leider enttäuschen: "Yes, good shot - but it's not my team". Lachend gehen wir auseinander. Freundliches Fanverhalten hier! Überhaupt: SKW-Fans und Stars-Fans saßen auf der Haupttribüne gemischt. Auf der Gegengeraden haben sich - so vermute ich - nur Stars-Unterstützer niedergelassen.



Pünktlich mache ich mich auf den Heimweg, da ich der 40 Jahre alten Karre meines Vaters nicht so recht traue. Ich hatte keine Lust auf ein Stop-and-Go. um dann am Ende mit der Karre stehen zu bleiben - zum Ärger der abrückenden neuen Mittelschicht Namibias, die mit ihren 4x4's zum Fußballschauen fährt.

PS: es ist gegenüber Tjihonge nur gerecht, wenn ich noch erwähne, dass er am Ende doch noch ein paar Glanzparaden bot und damit dem SKW den einen Punkt rettete.

Super Bericht! Danke!!

ja, schöner bericht.

ich hab da mal ne frage zu der größe des stadions.
gibt es auch zeiten wo es voller ist? oder anders gefragt: was war in den 70ern anders als heute, daß das stadion "überverhältnismäßig" groß gebaut wurde? (ich kann mir kaum vorstellen, daß unter der apartheid das fußballinteresse größer war(?))

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http://www.96statistik.de.tf

Mal ein paar Fußballfakten: Namibia hat ca. 2 Mio. Einwohner. Es gibt 101 Vereine, die beim Nationalen Fußballverband registriert sind, diese haben rund 40.500 registrierte Spieler (Männer+Frauen, die letzteren in extremer Unterzahl). Es gibt ca. 96.500 weitere Aktive.

Das Stadion war meines Wissens noch nie voll. In meiner Schulzeit fanden dort vor allem Leichtathletik-Meisterschaften statt und kaum Fußballspiele. Zu den Schulmeisterschaften (Athletics) war es stets gut gefüll, weil sich sämtliche Schulen + Eltern dort einfanden, aber nie voll.

Außerdem wird das Stadion gerne für politische Ereignisse wie Unabhängigkeitsfeiern etc. genutzt und ist dann auch voller, als beim lezten Ligaspiel.

Im ehemaligen Township der Schwarzen, Katutura, hat man nach der Unabhängigkeit ein weiteres größeres, reines Fußballstadion gebaut und nach dem ersten Präsidenten des Landes benannt (Sam-Nujoma-Stadium). Ich kenne allerdings nicht dessen Fassungsvermögen. Wenn dort die in Katutura beheimateten Teams wie Black Africa, Tigers oder African Stars gegeneinander spielen, kommen wesentlich mehr Zuschauer, als zum SKW.

Quelle: Wikipedia

Sehr guter Bericht und interessante Informationen, vielen Dank dafür Namibier

Gibt es in Namibia auch Mittwoch-Spiele?

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„Dass wir den Aufstieg nicht schaffen, wird nicht passieren." Martin Kind

Ja, lieber ElFi - ich war am Mittwoch da. Auch gestern gab es ein Spiel; ich habe vor, Freitag Abend oder Samstag Nachmittag ins Sam-Nujoma-Stadium für eine Begegnung des 3. Spieltages hinzugehen. Länderspielpause gibt es Namibia keine, da das vierte Land in der Qualigruppe Namibias für den nächsten Africa Cup zurückgezogen hat (Mauretanien) und Namibia an diesem Wochenende (leider) nicht spielen muss. Leider deswegen, weil es ein Heimspiel mit Aussicht auf einen Sieg gewesen wäre, zu dem ich hätte hingehen können.

Ausnahmsweise mal weiter im Chat.

Rote Grüße nach Namibia -

und alles Gute insbesondere für die Fußballbekloppten.

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„Dass wir den Aufstieg nicht schaffen, wird nicht passieren." Martin Kind

Danke für den tollen Bericht!

Das Stadion wirkt auf mich wie die Bilder des alten Niedersachsenstadions, als noch nix überdacht war.

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„Kriminelle haben im Fußball nichts zu suchen!"
― Uli Hoeneß

Es scheint so, dass in Namibia die Resonanz bezüglich Fußball nicht allzu groß ist. Auf dem Spielfeld sieht man ja fast mehr Leute als auf der Tribüne – oder war das kein Erstliga-Spiel?

Doch es war ein Erstligaspiel. Zu der Zuschauerzahl muss man sagen, dass das Stadion sehr weit entfernt von den Wohngebieten liegt, die ehemals den Schwarzen zugeteilt waren (Katutura). Und am Abend gibt es keine Öffis, Busse z.B. Das heißt, dass nur diejenigen zum Spiel kommen, die selber ein Auto fahren oder eine Mitfahrgelegenheit haben. Das können sich keine Massen leisten. Und die African Stars, die gespielt hatten - immerhin amtierender Meister - werden vor allem von Schwarzen unterstützt.

Morgen, am Samstag, werde ich mal zu einem Spiel im Sam-Nujoma-Stadion, das in Katutura liegt, gehen. Es spielen 2 Katutura-Teams gegeneinander. Es ist nachmittags und das Stadion liegt fußläufig für alle, die dort wohnen. Allein der Eintrittspreis wird einige vom Stadionbesuch abhalten. Dennoch erwarte ich mehr Zuschauer. Mal sehen!

Falls jmd auf den Bericht wartet: manchmal gibt es dann doch Dinge, die wichtiger sind, als zu einem Fußballspiel zu gehen. Ich war am Samstag nicht im Stadion...

Immer schön von Dir zu hören, Namibier.

Hoffe nicht ernste sondern schöne Dinge die Dich abgehalten haben dorthin zu fahren.

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Da hab ich gedacht, ich tu ihn ihm rein in ihn ihm sein Tor. Horst Hrubesch

Leider nein - aber das zu erklären, gehört hier nicht hin. Ich hoffe, dass es nä WE klappen wird!

Danke Namibier!

Durch deine Berichte über deinen Heimat-Fußball lernt man die Fußball-Welt wieder ein stückchen mehr kennen.

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Wir müssen aufhören weniger zu trinken!

jau, finde ich auch. man bekommt einblicke in andere fußballwelten, zu denen man sonst keinen zugang hat. aber mich interessieren noch ein paar dinge, vlt. kann unser namibier dazu noch etwas anmerken.
eintrittspreis rund 3 euronen, für den normalsterblichen sicher viel geld, oder? sind das profispieler in der pl und kann man bei den geringen zuschauereinnahmen überhaupt davon existieren? die entfernungen im land sind riesig, das land extrem dünn besiedelt, wie ist denn so die verteilung der klubs über das land und gibt es einen entsprechenden unterbau in regionaler form? ist fußball der sport nummer 1 oder so etwas wie volkssport und wie ist es um den nachwuchsbereich gestellt?
auch wegen der extremen hitze ist es für weiße sicher nicht einfach, diesem sport nachzugehen. spielst du selber auch?
danke schonmal für deine antworten

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Spieler vertragen kein Lob. Sie müssen täglich die Peitsche im Nacken fühlen. Max Merkel

Windhoek, 13.10.10. Heute gehe ich wieder zum Mittwochspiel - dieses Mal im Sam-Nujoma-Stadium im Windhoeker Stadtteil Katutura. Es spielt der nach drei Spieltagen souveräne Tabellenführer Ramblers FC gegen die bisherige Überraschungsmannschaft Tigers FC. Beides Windhoeker Teams mit langer Tradition. Und dennoch ist das Stadion so leer, dass ich die Zuschauer zählen kann. Nach dem Durchzählen kommen noch ein paar hinzu; am Ende waren es maximal 120 Zuschauer. Bitte fragt nicht, woran das liegt. Ich kann es mir nicht erklären, zumal der Tigers FC in Katutura beheimatet ist (Ramblers ist ein ehemals burisch geprägter Klub aus einem Stadtteil mit hohem Burenanteil, Pioneerspark, auch wenn die Fußballspieler heute alle Schwarze sind).

Das Spiel wird schon in der 6. Minute entschieden, als der Tigers-Torhüter Uirab eine verunglückte Flanke des Ramblers-Stürmers Diegaardt unterläuft und der Ball im Bogen im Tor landet. Fortan waren die Ramblers-Spieler sicherer, vor allem engagierter. Auf der Tigers-Seite dagegen gab es auffällig viele Fehlpässe. So endete die Begegnung 1:0 für Ramblers, die damit nach dem 4. Spieltag ohne Niederlage die Tabellenspitze behaupten.

Schön war das Vokabular zu hören, mit denen die Tigers-Spieler von den hauptsächlich die Tigers unterstützenden Fans bedacht wurden. Ist hier also nicht anders "donnerse bliksem", "kakgat" oder "blêrrie kakgat" sind die unschönen Worte, die hier ausgesternchent würden, wenn ich sie übersetzen würde.

Technisch fand ich die Spieler besser als beim letzten Spiel, was ich gesehen hatte (s.o.). Die ersten 30 Minuten hatte das Spiel auch ein hohes Tempo, doch danach nahm das Tempo deutlich ab. Und so ist für mich vor allem zum deutschen Bundesligafußball dieser eine Unterschied auszumachen: das Spiel in der BuLi ist um Längen schneller. Hier machten mir die Spieler einen recht behäbigen Eindruck.

Die Spieler sind keine Profis. Entweder gehen sie einem Beruf nach oder sie sind arbeitslos und nehmen die Aufwandsentschädigung als Zusatzeinkommen für die Familie. Über die Eintrittsgelder (dieses Mal 20N$, also ca. 2€) lässt sich der Spielbetrieb nicht finanzieren. Das Stadion gehört der Stadt Windhoek. Der als "Home Team" angesetzte Verein zahlt eine Miete für den Abend.

Die ganze Premier League funktioniert nur deswegen, weil sie mit hohen Summen vom lokalen Mobilfunkunternehmen MTC gesponsert wird. Auch die Vereine leben hauptsächlich von Sponsoren. Und so treten sie dann auch als "Oshikandela Ramblers" oder "Wesbank Tigers" auf. Oshikandela ist eine auf traditioneller Art hergestellte Buttermilch, die auch unter dieser Marke von einem Milchhersteller im Einzelhandel verkauft wird und Wesbank ist eine Autofinanzierungsbank. Manche Vereine haben noch aus der neuen schwarzen Mittel- oder Oberschicht Mäzene. Mein Vater kennt einen davon, der die African Stars unterstützt. Der Herr hat vor allem mit Fischverarbeitung und Milchherstellung (übrigens auf ökologischer Basis!) 'ne Menge Geld gemacht und steckt vieles davon in die Stars. Mit dem, was der Sydney Martin den Stars gibt, kann man jedoch in der BuLi gerade mal das Gehalt eines einzigen Spielers vom Kaliber Stoppelkamp bezahlen.

So, genug der Worte - ich lass jetzt Bilder sprechen. Übrigens: in dem Stadion war es saukalt, es hat gezogen und ich habe mich nicht entsprechend gekleidet. Ich bin voll und ganz in die Wetterfalle Namibias getappt: tagsüber 33°C, nachts dann 6°C. Jetzt sitze ich mit 'ner dicken Erkältung am Hals (oder besser im Hals).

Das Sam-Nujoma-Stadium mitten in Katutura


Ein Balljunge freut sich über den Fotografen


Die "Bank" der Tigers


Das Wappen der Tigers wurde ringsum aufgehängt


Blick vom Oberrang der Haupttribüne auf das Spielfeld mit Kunstrasen (gelb = Ramblers, blau = Tigers)


Tiger-Fans mit blau-weiß-blauer Fahne und einem Banner auf der Treppe

ich liebe ja flutlicht-spiele, wenn es dann noch angemessen warm ist....
insgesamt eine traurige kulisse, wie unsere u-23 begenungen im großem stadion. stimmung kommt bei diesen geisterspielen dann ja leider nicht so richtig auf.

schönen urlaub weiterhin

So, jetzt möchte ich natürlich auch noch Malus Fragen beantworten:

Tja, wer ist normalsterblich? Gelegenheitsarbeiter oder jobless people können sich das sicherlich nicht leisten. Andererseits ist Windhoek eine unglaublich lebendige, pulsierende Stadt mit Unmengen an Autos und Baustellen. Es gibt eine sehr breite schwarze Mittelschicht, die von der Unabhängigkeit Namibias vom Apartheid-Südafrika profitiert hat. Die Stadien lassen sich bei entsprechendem Interesse dieser Leute gut füllen. Allein, das Interesse fehlt. Eine der Ursachen ist bestimmt die desolate Organisation des Fußballverbands. Das führt zu ständigen Reibereien zwischen Fuktionären und z.B. Nationaltrainern, wodurch der Fußball auf der Stelle stehen bleibt und im Sinne einer Erfolgsstory wenig attraktiv ist.


Antwort s.o. (Bericht zum Spiel Tigers - Ramblers)


Es gibt Regionalligen. Die Teams der Premier League verteilen sich so:
Windhoek 7 Teams, Swakopmund 1 Team, Walfish Bay 2 Teams (beide Orte liegen nah beieinander an der Atlantikküste), Otjiwarongo 1 Team (ca. 250km nördlich von Windhoek) und Oshakati 1 Team (weitere 480km nordwärts). Da ist die Anreise zum Auswärtsspiel natürlich extrem aufreibend. Fans fahren da keine mit. Nach Süden hin erstreckt sich das Land vom zentral gelegenen Windhoek um 800km. Dort gibt es keinen Klub, der in der Premier League spielt. Weitere Zahlen über den Fußball hatte ich hier ja schon präsentiert.


Der Fußball ist vor allem extrem chaotisch orgaisiert und macht immer wieder mit Funktionärsmachtkämpfen auf sich aufmerksam. Das hält viele davon ab, sich dafür zu begeistern, auch wenn in allen Schulen gerne Fußball gespielt wird. Wie die Nachwuchsarbeit aussieht, weiß ich nicht.


Ich spiele selber nicht, aber das mit der Hitze hat keine Sonderauswirkung auf Weiße. Schwarze und Weiße reagieren gleich auf die klimatischen Verhältnisse. Es ist zwar hier sehr heiß, dafür aber auch sehr trocken. Während ich in Deutschland 28°C schon am Rande des Unerträglichen empfinde, merke ich die 33 bis 34°C hier gar nicht.


Bitte

wieder einmal sehr interessante Ausführungen und Berichte Namibier. Freu mich immer deine Erlebnisse nachlesen zu dürfen