Aus verschiedenen Gründen wissen wir wenig über die Spieler, die zwischen 1896 und den 1950er Jahren für 96 gespielt haben... dank Internet und vor allem Wikipedia ist es inzwischen einfacher geworden, auch solche so weit zurückreichenden Informationen zu bekommen.
Trotzdem gibt es natürlich riesige Lücken. Kaum einer von uns wird aus seiner Erinnerung über diese Spieler berichten können. Aber vielleicht hat jemand Eltern oder Großeltern, die etwas über sie erzählen können? Oder kennt den 96-Vereinsarchivar?

Ich habe mir mal einen langjährigen 96er geschnappt, über den es bisher noch keinen Wikipedia-Eintrag gibt, obwohl er mit 96 Deutscher Meister geworden ist - und folgende Infos über ihn zusammengetragen:

Ludwig Pritzer, geb. 19.3.1911, gest. 23.12.1958. Spielte (mindestens) zwischen 1935 und 1950 für Hannover 96, absolvierte (mindestens) 17 Spiele in der Endrunde um die deutsche Meisterschaft zwischen 1935 und 1941 und 29 Spiele in der Oberliga Nord zwischen 1947 und 1950. In der Oberliga erzielte er 2 Tore. Meistens jedoch war er unser Stammtorwart.

Über Pritzers Anfangszeit bei 96 ist zu lesen, dass er als Linksaußen begann, aber auch auf der Läuferposition eingesetzt werden konnte. 1935 stand er erstmals im Tor und offenbarte dafür reichlich Talent: Hervorgehoben werden sein Fangvermögen, seine "artistisch anmutende Wendigkeit" und seine Reaktionsfähigkeit. Pritzer wurde Stammtorwart und lief als dieser speziell in der Endrunde um die deutsche Meisterschaft 1938 zu großer Form auf. Trotzdem lief er wohl gelegentlich auch mal als Feldspieler auf - was erklärt, warum er nach 1947 für die Roten in der Oberliga 2 Treffer landen konnte.

In der Spielzeit 1949/50 ging 96 mit einem anderen ersten Torwart in die Saison, da Pritzer wohl seine Laufbahn beendet hatte. Hans-J. Wickel wurde allerdings nach einigen Spielen der Hinrunde suspendiert. 96 reaktivierte Pritzer, der sich dann in der Rückrunde jedoch verletzte. Mit 39 Jahren beendete er seine Laufbahn endgültig.

Ob Pritzer ohne Unterbrechung für 96 gespielt hat und ob er vor 1935 schon im Verein war, konnte ich bisher nicht herausbekommen. Auch nicht, wie viele Spiele er für 96 insgesamt gemacht hat: Die genannten Angaben sind das beste, was ich bisher gefunden habe.

Meine Quellen bis hier:
- Spielerlexikon 1890-1963 (Lorenz Knieriem/Hardy Grüne; Agon Verlag)
- http://de.wikipedia.org/wiki/Hannover_96
- http://forum.hannover96.de/viewtopic.ph ... 98#4395798
- http://forum.hannover96.de/viewtopic.ph ... 58#4393958

edit: habe nur den Titel des Freds geändert: 1934 statt ca. 1935

Ludwig Pritzer wird z.B. in "Der Ball, der Rasen, die Roten. 100 Jahre Hannover 96" (Hrsg. Hardy Grüne) häufiger mal erwähnt, im Zusammenhang mit den Spielen zur besagten Meisterschaftsendrunde.

Ganz interessant: gelegentlich ist nur von 26 Oberligaspielen für die Roten (1947-1950) die Rede statt von 29. Die Ursache steht in "Spundflasche mit Flachpaßkorken" (Hrsg. Jens Prüß): Für die Oberliga-Saison 1947/48 waren die Aufstellungen einiger Spiele nur noch unvollständig zu rekonstruieren. Bei 96 betrifft das 15 Spiele, und siebenmal ist die Torwartposition unsicher. Aller Wahrscheinlichkeit nach, so sagen die Autoren, entfallen davon 3 Spiele auf Pritzer, 3 auf Krämer und 1 auf Pietzsch.

Weitere Infos kommen von TomTom
http://forum.hannover96.de/viewtopic.ph ... 17#4439117

Auch im Robert-Enke-Buch wird Ludwig Pritzer erwähnt. Nach und nach kommen doch immer mehr Infos zusammen. Dort ist auch ein kleines Bild von Pritzer abgedruckt.

Die Herausgeber des Buches bezeichnen ihn als Ausnahmetalent. Als er 1935 statt Stammkeeper Sievert für 96 im Tor stand, sei er mehr als nur ein Notnagel gewesen: Er habe durch Fangsicherheit und Reaktionsschnelligkeit beeindruckt.
Hans Krämer wird zitiert, Pritzer sei ein außergewöhnlicher Fußballer gewesen, dem er viel zu verdanken habe.

_________________
Robert Enke Nummer 1
Ruhe in Frieden.

Zu Ludwig Pritzer gibt es ein Kurzporträt in dem Buch "Rote Liebe". Bis zum 7.4.1935 war er stets linker Läufer oder Linksaußen. Nach der Verletzung von Stammtorhüter August Sievert beim Endrundenspiel in Eimsbüttel stellte sich Ludwig Pritzer bereitwillig ins Tor (damals durfte ja nict ausgewechselt werden) und erwies sich als Naturtalent auf der Torhüter-Postion. Nach dem Spiel wurde eine (fiktive) Fachsimpelei (so der Titel) zwischen Pritzer und Böhlke (dem ETV-Torhüter) veröffentlicht:

Sogar Reichstrainer soll ein Auge auf den "glänzenden Torwart mit ausgezeichneten Fangvermöden und einer seltenen, fast artistisch anmutenden Wendigkeit" geworfen haben und lud ihn zu einem Sichtungslehrgang ein. Dabei blieb es jedoch. Seinen Zenit erreichte Pritzer in der Meistersaison, wo er in der Endrunde 1938 im Halbfinale gegen den HHSV und den beiden Finalspielen gegen Sß4 über sich hinaus wuchs. In dieser Saison hat er in jedem Spiel außer in dem Heimspiel gegen Alemania Aachen in der Endrunde. Da war er verletzt und wurde von Helmut Eli vertreten.

Nach dem Krieg hat Pritzer bis 1950 noch 26 Oberliga-Spiele für 96 gespielt und dabei 2 Tore erzielt. Sein Abgang war kein rühmlicher. Pritzer galt als aufbrausend und eckte wiederholt bei den 96-Funktionären. In der Vereinspostille wurden nach einer Schlägerei Vorwürfe wegen wiederholten vereinsschädigenden Verhaltens laut.

_________________
„Bei einem Fußballspiel verkompliziert sich allerdings alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft.“

Jean Paul Sartre