Hallo liebe Fussballfreude,
ich möchte in diesem Thread die aktuelle Lage zum Thema Fussballinteresse diskutieren. Ich persönlich versuche mich (nach längerer Abstinenz und Überdrüssigkeit auf den Fussball) wieder dem Fussbal zu widmen. Grund: Nach jahrelangem Mitfiebern und Fussballkonsum bin bzw. war ich einfach Fußballmüde.
Dieses Desinteresse am Fußball im Allgemeinen ist immer mal wieder in den Medien zu lesen und wurde aktuell von Christian Seifert im kicker-Interview thematisiert. Link:
https://www.kicker.de/seifert-gleichverteilung-wuerde-meisterschaft-nicht-spannender-machen-784522/artikel.
Zitat:
In der Zielgruppe der 16- bis 24-Jährigen verliert der Fußball stark an Bedeutung.
Ich zähle mich zwar nicht mehr zu dieser Altersklasse, aber ich kann die Entwicklung ebenfalls nachzollziehen und verstehen. Ich habe mir einmal Zeit genommen und über diese Thematik sinniert und habe folgende Gründe identifiziert, die womöglich diese Entwicklung auslösen.
Allgemeine Gründe:
1. Übersättigung des Fußballinteresses durch zu viele Wettbewerbe und Spiele:Eine Vielzahl an unterschiedlichen Wettbewerben prasselt auf den Fußballkonsumenten ein. Mit Meisterschaft, 2. Liga, DFB-Pokal, Euro League, CL, WM, EM, Nationsleague, Youth League sind dies alleine schon 9 Wettbewerbe und das auch nur, wenn man es mit den deutschen Mannschaften hält. Bei der Aufzählung habe ich bestimmt noch einige Wettbewerbe vergessen und multipliziert sich ja ebenfalls noch, wenn man die internationalen Mannschaften berücksichtigt.
2. Entwicklung der Spielkultur zu einer Abwehrschlacht:Die aktuelle, aber vor allem deutsche Spielkultur besteht aus einer großen Abwehrschlacht. Es wird häufig die Devise ausgegeben: Hinten sicher und vorne hilft uns Gott. Kleine Clubs stellen sich gegen große Clubs hinten rein und versuchen mit gelegentlichen Kontern ein Tor zu erziele - was ja auch legitim ist. Diese Spielweise ist zwar erfolgreich, für den neutralen Zuschauer aber meist wenig spannend und folglich ergeben sich tendentiell eher wenige Torraumszenen.
3. Übertragungsrechte:Für jeden dieser oben angesprochenen Wettbewerbe sind individuelle Ansprachen mit den Übertragungsanbietern getroffen worden und wurden dementsprechen an unterschiedliche Anbieter verkauft. Die Meisterschaft ist ja noch einmal gestückelt. Ich habe schlichtweg die Übersicht verloren, wann ich wo welche Spiele mir anschauen kann. Zudem sind diese Übertragungen immer wieder von Veränderungen geprägt. Sprich: Ich habe mich an ein Format gewöhnt, da ist dies schon wieder nicht mehr aktuell.
Zudem kommen noch die unverschämten Kosten auf mich zu, wenn ich alle Anbieter abonieren wollen würde. (Im Vergleich: Magentasport überträgt für 10€ im Monat alle nationalen und internationalen Spiele im Basketball)
4. Früher Vereinsfokussierung, zukünftig Spielerfokussierung:Der Fußball verkommt langsam zur One-Man-Shows von Stars. Die Vereine haben aktuell keine Oberhand mehr, wenn es um Spielertransfers geht. Abwechslungswillige Spieler bleiben vom Training fern oder zeigen so lange lustlose Auftritte, dass der Verein gezwungen wird, diesen entgegen des Vereinswohls zu verkaufen.
Dies begünstigt die Söldnermentatlität der einzelnen Spieler, reduziert die Identifikation der SPieler mit den Vereinen und vor allem: Es dreht sich auch bei den Fans weniger um den Verein als solches, sondern eher um die Spieler.
6. Gähnende Langeweile, außer es geht um den Abstieg:Die internationalen Wettbewerbe sind langweilig. Seit dem Sieg von Wolfsburg 2008/09 gab es keine überraschenden Sieger mehr. 8 Jahre in Folge gewinnt der ewige deutsche Meister Bayern München die Meisterschaft. Für mich ist der Wettbewerb, der das wöchentliche Fußballgescehen abbildet nicht mehr interessant. Einziger Nervenkitzel ist der Abstieg.
8. Diskussionskultur:Die Diskussionskultur in den Fußballforen ist derartig gesunken. Die Diskussionen sind kaum noch wirklich sachlich und fachlich geprägt, sondern sind von persönlichen Anfeindungen und Streitigkeiten geprägt. Anstatt sich mit den fachlichen Dingen zu beschäftigen, wird meist darauf verwiesen erstmal vor der eigenen Tür zu kehren. In Hannover sind darüber hinaus fast alle Diskussionen von der Auseinandersetzung und Anfeindungen Richtung Martin Kind zu lesen. MK als Sündenbock für alles.
9. VAR-Einführung:Die VAR-Einführung sollte den Fußball "gerechter" machen. Dies ist aber nur in der Theorie so. Es werden wöchentlich (nachvollziehbare !) Diskussionen darüber gehalten, warum Köln in bestimmten Situationen eingreift und in anderen wiederum nicht. Wer erinnert sich nicht an das Tor von Füllkrug gegen Leipzig in der er mit einem Zeh im Abseits stand und der Videoschiri sich gemeldet hat.
10. Kluft zwischen Arm und Reich:Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer und wird sich auch zukünftig nicht ändern. Da keine Geld-Umverteilung oder sonstiges Drafting-System existiert und die Einnahmen der CL alles überschatten, bleiben die finanzstarken Vereine überlegen. Hieran haben weder die führende Vereine noch die DFB/FIFA irgendein interesse diese Situation zu ändern. Financial-Fair-Play stellt auch kein wirksames Kontrollinstrument da, um den Markt zu steuern.
11. Frühes Abwerben von Jugendspielern erschwert Jugenarbeit:Vielversprechende Jugenspieler werden schon als "Säuglinge" gescoutet und aus der Heimat mit höher dotierten Vertrag gelockt. Beispiele wie Nicolas Kühn, Halstenberg etc. sind nur wenige Beispiele. (Was natürlich nciht ausschließt, dass man vergessen hat, diese Spieler auch richtig zu fördern.)
12. Etalierung von Plastikclubs:Mit Clubs, die von finanzstarken Unternehmen geführt werden, werde ich nicht warm.
Mit Leverkusen, Wolfsburg, Leipzig (neu), Hoffenheim (neu) sind aktuell 4 Bundesligisten dabei, die entweder innerhalb kürzester Zeit von 0 auf 100 beschleunigen konnten, oder schon über einen langen Zeitraum gefördert werden. diese verdrängen nicht nur andere traditionellere Clubs, sondern schaffen es auhc nicht das Feuer in mir zu wecken.
13. Aktuelle Corona-Situation:Aktuell fühlen sich Spiele wie Testspiele an. Die Spiele ohne Fangesänge sind einfach nichtdasselbe wie mit. Ich denke, dass ich diesen Punkt nicht wieter ausführen muss.
Hannoverspezifische Gründe:
I. Ewige Martin Kind Debatte:Gefühlt enthält jede zweite Meldung über Hannover eine Anspielung auf Martin Kind. Falls dies einmal nicht der Fall sein sollte, in den Kommentaren in den sozialen Medien ist dieser Hinweis bestimmt zu finden. Diese ewige Schuldzuweisung und das Beschweren in den sozialen Medien mindert mein Interesse. (Hier geht es nicht darum, dass eine der beiden Parteien recht hat, es geht eher um die Auseinandersetzung an sich.)
II. Wechselndes Management:In den letzten Jahren ist eine Vielzahl an Sportdirektoren gekommen und gegangen. In letzter Zeit nimmt dies jedoch noch mehr Überhand. Man möchte einen Nachfolger zu Herrn Kind aufbauen und verspielt aus den unterschiedlichsten Gründen immer wieder eine Chance dies auch zu tun. Das wechselnde Sportmanagement hat auch zur Folge, dass immer wieder unterschiedliche Transferstrategien verfolgt werden. Am Ende bleiben die Fans ratlos zurück: Haben wir überhaupt eine strategische Ausrichtung?
III. Kein Halten von Spielern möglich:Sind wir mal ehrlich: Hannover kann gute Spieler kaum halten. Wenn ein Spieler überdurchschnittliche gut performt, ist er beim nächsten guten Angebot weg. Dies gilt nicht nur für Eigengewächse (Anton), sondern auch für Zugänge von anderen Clubs (Bebou). Für beibt eine gesichtslose Mannschaft zurück, die immer wieder vor großen bzw. mittelgroßen Umbrüchen steht.
In meinem Thread geht es nicht darum, einzelne Punkte auszudiskutieren (denn diese sind diskussionswürdig), sondern eher um die Frage: Geht es euch genauso? Habt ihr ähnliche Gedanken oder Entwicklungen mitbekommen?
Im Endeffekt geht es ja auch darum, dass auch zukünftig das Interesse an der tollen Sportart nicht nur in Deutshcland, sondern auch in Hannover hochgehalten wird.
Die Folge daraus ist im übrigen, dass ich aktuell Basketball (BG Göttingen) dem Fußball vorziehe.
Ich freue mich auf eure Rückmeldungen.