1896er hat geschrieben:
Das Problem, auch bei deinem Beitrag ist immer wieder, dass sachlich korrekte Aufarbeitungen (danke dafür!) leider immer wieder mit persönlichen Vermutungen unterschrieben werden.
Ich kann die Vermutungen weitergehend begründen. (siehe unten) Ich wollte nur in meinem ersten Post in dem Thread nicht gleich völlig ausufernd werden. Wenn jedoch Interesse besteht (was Du durch Deine Antwort beweist), kann ich auch etwas ausführlicher werden.
1896er hat geschrieben:
Beispiel: Wie kommst du zu der Einschätzung, das Ordnungsamt würde einem entsprechenden Plan/Antrag auf überhaupt gar keinen Fall entsprechen und entsprechende Auflagen gar nicht erst ermöglichen?
Ausnahmegenehmigungen in Verbindung mit Verwenden durch Privatpersonen ohne entsprechende Erlaubnis sind nur für Kategorie 2 Feuerwerk möglich. (Über Kategorie III und IV Feuerwerk, das gewerblichen Pyrotechnikern vorbehalten ist, reden wir hier nicht, tut auch nix zur Sache.)
Dies regelt § 24 Absatz 1 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV) i.V.m. ("in Verbindung mit") § 23 Absatz 2 ebd. ("ebenda")
§ 23
(2) Pyrotechnische Gegenstände der Kategorie 2 dürfen in der Zeit vom 2. Januar bis 30. Dezember nur durch Inhaber einer Erlaubnis nach § 7 oder § 27, eines Befähigungsscheines nach § 20 des Gesetzes oder einer Ausnahmebewilligung nach § 24 Absatz 1 verwendet (abgebrannt) werden. Am 31. Dezember und 1. Januar dürfen sie auch von Personen abgebrannt werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. (-> Also alle volljährigen (Privat-)personen. Meine Anm.)
§ 24
(1) Die zuständige Behörde kann allgemein oder im Einzelfall von den Verboten des § 20 Abs. 1 und 2, des § 22 Absatz 1 und des § 23 Absatz 1 und 2 aus begründetem Anlaß Ausnahmen zulassen. Eine allgemeine Ausnahmegenehmigung ist öffentlich bekanntzugeben.So weit, so gut. Die Leute, die eine sog. 7er-Erlaubnis oder 20er-Befähigung haben, die also dem Grunde nach auch außerhalb der Silvesterzeit abbrennen dürfen, klammern wir zunächst aus, gehe ich in der nächsten Frage drauf ein. Also die Privatpersonen über 18. Wir stellen also fest: für Kategorie 2 sind Ausnahmen prinzipiell möglich. (T1/T2 ist eine etwas andere Rechtslage.) Nehmen wir weiterhin einfach mal an, ein Fußballspiel sei ein "begründeter Anlass". (Die Erklärung, warum das eher nicht so ist, spare ich mir, weil nicht entscheidend.) Wir stellen weiterhin fest, dass im Prinzip für 96-Bulispiele in der AWD-Arena gemäß § 24 Absatz 1 Satz 2 sogar eine generelle Ausnahme im Rahmen einer Allgemeinverfügung möglich wäre.
Worauf wird (und muss) jetzt die genehmigende Behörde ihre Entscheidung, ob einem Antrag auf Ausnahme entsprochen wird, gründen? Ihr Ermessensspielraum wird begrenzt durch andere, allgemeine Vorschriften des Sprengstoffrechts und im übrigen auch vom NSOG (Nds. Gesetz über Sicherheit und Ordnung)
§ 32 SprengG gibt hier aufschlussreiche Hinweise:
§ 32 Anordnungen der zuständigen Behörden
(1) Die zuständige Behörde kann im Einzelfall anordnen, welche Maßnahmen zur Durchführung des § 24 und der auf Grund des § 25 oder § 29 erlassenen Rechtsverordnungen zu treffen sind. Dabei können auch Anordnungen getroffen werden, die über die auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 25 oder § 29 gestellten Anforderungen hinausgehen, soweit dies zum Schutze von Leben, Gesundheit und Sachgütern Beschäftigter oder Dritter erforderlich ist.
(2) Führt ein Zustand, der den Vorschriften dieses Gesetzes oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung, einer Nebenbestimmung der Erlaubnis, einer nachträglich angeordneten Auflage oder den Anordnungen nach Absatz 1 widerspricht, eine erhebliche Gefährdung der Beschäftigten oder Dritter herbei, so kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Umgang und der Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen bis zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustandes eingestellt werden.
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(4) Die zuständige Behörde hat den Umgang oder Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen, soweit diese Tätigkeit auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 4 ohne Erlaubnis ausgeübt werden darf, ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Betriebsinhaber oder eine mit der Leitung des Betriebes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle beauftragte Person oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt die erforderliche Zuverlässigkeit oder die persönliche Eignung nicht besitzt, sofern die Untersagung zum Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern Beschäftigter oder Dritter erforderlich ist.Was "Zuverlässigkeit" und "persönliche Eignung" i.V.m. dem Sprengstoffrecht bedeutet, siehe unten. Wir sehen hier aber unabhängig davon, welchen Schutzgütern der Beamte, der über die Ausnahmegenehmigung entscheidet, vom Gesetzgeber her verpflichtet ist. Es ist klar, dass auch seine Ausnahme vor dem Gesetz nur Bestand haben kann, wenn der Schutz der genannten Rechtsgüter tatsächlich auch unter den genehmigten ausnahmebedingungen gewährleistet ist. Sonst wäre diese Entscheidung ermessensfehlerhaft und würde den Tatbestand der Rechtsbeugung im Amt erfüllen. Dessen will sich kein Beamter, der noch bei Trost ist, schuldig machen.
Es geht also um die Sicherstellung, dass Dritte nicht gefährdet werden, den Schutz von Leben und Gesundheit Dritter sowie von Sachgütern. Es geht darum, dass die Behörde per gesetzlichem Auftrag verhindern muss, dass Leute explosionsgefährliche Stoffe verwenden, die nicht zuverlässig und/oder persönlich nicht geeignet sind.
Jetzt sitzt dieser Beamte da im hannoverschen Ordnungsamt vor dem Antrag auf Ausnahme und Erlass einer Allgemeinverfügung zum Abbrennen von Kategorie 2 Feuerwerk durch Privatpersonen im Rahmen von 96-Spielen, die ihm der Maddin geschickt hat mit freundlicher Bitte um Genehmigung, nachdem er (der Maddin) sich von den Fanbeauftragten hat überzeugen lassen, dass das eine prima Sache sei.
Der Beamte checkt, welche Schutzgüter ihm qua Gesetz zu schützen befohlen sind. Er stellt sich das Szenario vor. In einer dicht gedrängten Menschenmenge, von denen ein signifikanter Teil der Anwesenden mäßig bis stark alkoholisiert ist und in der sich nachweislich Personen befinden, die darüber hinaus gewaltbereit und polizeilich einschlägig bekannt sind, soll mit feuergefährlichen Explosivstoffen hantiert werden. Welche Maßnahmen zum Schutz von Leib und Leben sind getroffen? Nicht erkennbar. Jetzt muss er formal noch seine zuständige Brandschutzbehörde beteiligen. Allen Ernstes, was glaubt ihr, was die sagen werden?
Ein Beamter müsste mit dem Klammerbeutel gepudert sein, eine solche Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Wenn was passiert und jemand verletzt wird, eine Panik ausbricht oder was abfackelt, steht er mit einem Bein im Gefängnis und seine Pension ist er mit 100%iger Sicherheit los. Und das aus gutem Grund. Wenn was passiert, wird er außerdem von der Öffentlichkeit gelyncht. (siehe Duisburg)
Zitat:
Weiteres Beispiel: Warum ist man sich so sicher, dass sich die potenziellen Zünder eben nicht auch parallel um einen entsprechenden Fachkundenachweis kümmern und diesen auch entsprechend vorlegen können?
Ich bitte um Entschuldigung, ich habe mich unpräzise ausgedrückt. Genaugenommen geht es nicht um Fachkundenachweise sondern um Erlaubnisse. (entweder nach § 7 oder § 27 SprengG.) Für einige Erlaubnisse ist Fachkunde nötig, für andere nicht. Was für alle nötig ist, ist Zuverlässigkeit und persönliche Eignung. Welche Sachverhalte die Zuverlässigkeit in Frage stellen und zur Versagung einer begehrten Erlaubnis führen, ist in § 8 SprengG geregelt. (Wie viele der Anwesenden im fraglichen Ultra-Block schon diese Überprüfung nicht überstehen würden, lasse ich mal dahingestellt.) Aber auch Inhaber einer solchen Erlaubnis dürfen pyrotechnische Gegenstände nur im Rahmen der geltenden Gesetze verwenden, das bedeutet, auch sie sind verpflichtet, Gefährdungen Dritter sicher zu vermeiden, und - wichtig! - Pyrotechnik bestimmungsgemäß (nur für zugelassene Zwecke) und unter Beachtung der Gebrauchsanweisung zu gebrauchen. (Schon die profane Gebrauchsanweisung "Vorsicht! Ausreichend Abstand zu anderen Personen wahren!" o.ä. ist hier schon ein Killerargument.) Jeder, der irgendeinen Fachkundelehrgang i.V.m. explosionsgefährlichen Stoffen erfolgreich absolviert hat, wird auch verstehen, warum nur ein Wahnsinniger auf die Idee kommen kann, Pyrotechnik in einem vollen Fußballstadion entzünden zu wollen. (wie gesagt, mit Ausnahme von Wunderkerzen)
Zitat:
Dein letzter Punkt ist im Falle Hannover soweit ich weiß, falsch, in den vergangenen Spielzeiten war explizit die Rede davon, dass nur noch die etwas teureren Seenotrettungsfackeln mit CE-Sigel verwendet wurden. Im vorherigen Verlauf der Diskussion gab es sogar schon direkte Links zu den Shops, wo man diese ganz legal ganzjährig erwerben kann, in Deutschland!
Seenotrettungsfackeln sind zur Seenotrettung gedacht, und zu sonst gar nix. Daran ändert auch eine Zulassung der BAM oder ein CE-Kennzeichen überhaupt nichts. (Nur bestimmungsgemäßer Gebrauch ist durch die Zulassung gedeckt.)
Zitat:
Aber ansonsten möchte ich wirklich nochmal für die Aufarbeitung danken, aus der recht deutlich wird.
War mir ein Vergnügen.
Zitat:
Bengalische Feuer mit CE-Sigel und legal erworben und entsprechend der Klassifizierung -> Bislang nur Ordnungswidrigkeit aufgrund fehlender behördlicher Genehmigung und Verstoß gegen das Hausrecht
Bengalische Feuer ohne Sigel und Auslandsprodukte wie bspw. der Marke Tifo -> mMn zurecht strafrechtlich relevante Handlung, Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz und gefährliche KV, da bin ich komplett der vorherrschenden Meinung, die Ultras Hannover sowie die Kampagne für legalisierte Pyrotechnik aber deutlichst auch, das sollte nicht unterschlagen werden!
Ich würde die Begehung von Ordnungswidrigkeiten hier nicht als Kavaliersdelikt bagatellisieren wollen. Schon gar nicht würde ich vom Verein verlangen, dass er sie sozusagen stillschweigend hinnimmt oder billigt.
Die Frage, die jetzt noch offen ist, ist die Frage der Verwendung von T1 Feuerwerk. (T2 lassen wir wegen Erlaubnispflicht außen vor.) Wir definieren die AWD-Arena als Theater und das Abbrennen von T1-Bengalos in der Nordkurve als Teil der Vorführung unter Einbeziehung des Publikums. Maddin beruft sich auf § 23 Absatz 6 der Ersten SprengV und möchte die vorgesehenen Effekte erproben. Dazu beteiligt er, wie die Verordnung es von ihm fordert, die für den Brandschutz zuständige Stelle, und, da die Vorführung in Anwesenheit von Mitwirkenden und Besuchern erfolgen soll, auch die zuständige Behörde für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, damit sie die Vorführung genehmigen.
Man lese diesen Absatz 6 des § 23 vollständig und versuche unter Berücksichtigung des vorher Gesagten, die Entscheidung der Behörden vorherzusagen und zu begründen.