Wir können nach dem Aachen-Spiel den Faden gerne wieder aufnehmen.....

Der Tabellenletzte empfängt den Vorletzten, und Sergio Pinto sagt: Alemannia ist zum ersten Mal in dieser Saison Favorit. Widersprechen Sie?

Neururer: Hallo? Die ganze Mannschaft, inklusive des Trainers, hat diesen Spruch im Sofa sitzend mit einem süffisanten Lächeln registriert. So etwas kann auch nur von Sergio kommen. Das war dumm von ihm, das hätte er nicht machen dürfen. Man darf nie vergessen, woher man kommt. Natürlich ist Aachen nicht Favorit. Es tut mir leid, dass wir ausgerechnet die Alemannia bestrafen müssen. Denn meine emotionale Beziehung zu diesem Verein ist immer noch da.

Hannover. Anrufer auf dem Handy werden mit dem programmatischen Klassiker begrüßt: «Born to be wild». So richtig ruhig ist es nie um und mit Peter Neururer. Vor dem «Kellerduell» am Samstag gegen Alemannia Aachen sprach unser Redakteur Klaus Schmidt mit dem Trainer von Hannover 96.



Der Tabellenletzte empfängt den Vorletzten, und Sergio Pinto sagt: Alemannia ist zum ersten Mal in dieser Saison Favorit. Widersprechen Sie?

Neururer: Hallo? Die ganze Mannschaft, inklusive des Trainers, hat diesen Spruch im Sofa sitzend mit einem süffisanten Lächeln registriert. So etwas kann auch nur von Sergio kommen. Das war dumm von ihm, das hätte er nicht machen dürfen. Man darf nie vergessen, woher man kommt. Natürlich ist Aachen nicht Favorit. Es tut mir leid, dass wir ausgerechnet die Alemannia bestrafen müssen. Denn meine emotionale Beziehung zu diesem Verein ist immer noch da.

Per Mertesacker an Bremen verloren, im Training steigt Ihnen Edel-Joker Thomas Brdaric auf den Fuß, Michael Tarnat fliegt in Berlin vom Platz, in zwei Spielen rappelt's acht Mal im Tor. Was läuft schief in Hannover?

Neururer: Das mit dem Tabellenletzten nach dem 2. Spieltag ist genau so ein Schwachsinn wie mit dem Tabellenführer am 2. Spieltag. Hat Alemannia sechs Punkte aus den Spielen gegen Leverkusen und Schalke eingeplant? Wohl genau so wenig wie wir aus den Spielen gegen Bremen und Hertha. Gegen Werder haben wir ein Riesen-Spiel gemacht, elf Minuten vor Schluss 2:1 geführt. Und die sind nicht mehr Bayern-Jäger, die werden jetzt selbst gejagt. In Berlin waren wir schlecht, haben zu Recht verloren, auch wenn eigenartige Dinge zu dieser Niederlage beigetragen haben. Die Lage ist noch lange nicht dramatisch. Der Druck entsteht durch die öffentliche Darstellung. Was meinen Sie, was hier los ist, wenn wir gegen Alemannia verlieren?

Sie keilen zurück, wenn der Bundestrainer vor der WM den Fitness-Zustand der Bundesliga-Profis kritisiert. Sie amüsieren sich offensichtlich, dass die Nationalspieler im Freizeit-Programm Uhren reparieren, und einen Mentaltrainer wollen Sie nicht, weil Sie den selber geben. Alles Mumpitz? Oder kann 96 nicht doch eine Prise Klinsmann vertragen?

Neururer: Moment: Ihre Fitness haben sich die Nationalspieler in der Bundesliga geholt und nicht bei Klinsmann. Der Oberguru der Fitnesslehrer kann nicht in zwei Wochen ein angebliches Defizit ausgleichen. Dieser Oberschlaumeier aus den USA soll nicht irgendwelche Dinge erzählen, so als ob er den Fußball neu erfunden hätte. Zwei Wochen vor der WM gab es das Spiel gegen Japan, und man schrie: Sofort weg mit Klinsmann. Die selben Leute rufen drei Wochen später: bravo, super, und feiern die Klinsmann-Philosophie.

Warum müssen Sie eigentlich immer alles kommentieren? Und müssten Sie jetzt nicht Abbitte bei Jürgen Klinsmann leisten?

Neururer: Ich kommentiere das, wozu ich befragt werde und von dem ich denke, etwas dazu sagen zu können. Und wenn die körperliche Verfassung der Bundesliga-Spieler kritisiert wird, dann fühle ich mich als Bundesliga-Trainer auch angesprochen. Ich habe mich über den Erfolg der Nationalelf gefreut, aber warum sollte ich Abbitte leisten? Meine Einstellung und meine Arbeit haben sich durch die Ergebnisse nicht geändert. Ich nehme von Klinsmann gar nix mit, ich wüsste nicht was.

In der Sommerpause haben Sie mächtig vom Leder gezogen, von katastrophalen Zuständen im Verein gesprochen. Warum können Sie nicht mal dauerhaft bei einem Klub glücklich sein?

Neururer: Ich war in Bochum glücklich, in Schalke, ich war beim 1. FC Köln lange Zeit glücklich. Im Sommer ist transfertechnisch zunächst nichts gelaufen - wenn ich dann auf Missstände aufmerksam mache, heißt das nicht, dass ich unglücklich bin.

Bis vor kurzem haben Sie sich geweigert, ein Saisonziel auszugeben. Haben die beiden ersten Spiele jetzt nachgeholfen?

Neururer: Ich habe von Anfang an formuliert: Wir wollen attraktiver spielen als in der vergangenen Saison, mehr Druck auf die Gegner ausüben und nichts mit dem Abstieg zu tun haben. Ich würde auch gerne sagen: Wir wollen uns für den Uefa-Cup qualifizieren. Aber das geht nicht, die Mannschaft hat nicht die Qualität, um internationale Ziele aussprechen zu können. Platz 8 bis 12 ist realistisch.

Welches Problem hatten Sie eigentlich mit dem zurückgetretenen Geschäftsführer Karl-Heinz Vehling?

Neururer: Überhaupt keins. Ich habe nur gesagt, ich bin froh, dass Martin Kind wieder zurück ist. Es hat keinen Krach gegeben.

Und mit Manager Ilja Kaenzig?

Neururer: Da gab es eine Kontroverse um den Spieler Thorvaldsson und um die Aussage von Kaenzig: «Den haben wir nur mit dazu genommen.» Ich kannte den Spieler nicht, hatte ihn nie gesehen. Und da habe ich gesagt: Moment, ein Mal und nie wieder. Ich bin seit 20 Jahren im Geschäft, aber wo gibt's denn so was? Jeder Manager kann mir aus finanziellen Gründen einen Spieler ablehnen, aber keiner darf kommen und mir sagen: Den können wir gut gebrauchen. Dafür bin immer noch ich verantwortlich.

Jetzt ist Martin Kind an die Vereinsspitze zurückgekehrt. Und der Boss mahnt an, Sie und Kaenzig sollten mehr miteinander reden.

Neururer: Es geht nicht darum, sich gut zu verstehen. Deswegen verstehe ich auch nicht ganz, warum Martin Kind so eine Aussage macht. Aber Kind ist ein geradliniger Mensch, er gibt dem Trainer Rückendeckung und hält sich aus sportlichen Dingen raus.

Kind fordert von Ihnen jetzt Antworten auf den verpatzten Saisonstart. Andererseits könnte ausgerechnet der Ex-Klub Ihren Stuhl so richtig ins Wackeln bringen.

Neururer: Natürlich habe ich dem Vereinschef vor der Saison nicht gesagt: Wir wollen nach zwei Spielen ohne Punkt dastehen. Bis jetzt hatten wir Ausreden, die gibt es gegen Alemannia nicht mehr. Bei unseren Ansprüchen müssen wir zuhause gegen einen Aufsteiger gewinnen, egal wie, ohne Wenn und Aber. Doch egal wie das Spiel ausgeht - mein Stuhl wird nicht wackeln.

dieser Idiot gehört entlassen und zwar besser heute als morgen!

Langsam hat man das Gefühl, der Kerl will sich nur noch einen lauten Abgang verschaffen und schlägt um sich wie ein tollwütiger Hund.

Mal schauen was für Kabinettstückchen hier in H noch so passieren...

Mit einem weiteren Trainerrauswurf ohne gute Begründung macht man sich hier in H aber irgendwann lächerlich.

Er reagiert eben wie jemand, der jetzt Feuer aus allen Rohren bekommt. Auch von Fronten, die bisher nicht da waren, oder sich weitgehend neutral verhalten haben.

Mal ehrlich: Rangnick stand vor seiner Entlassung wochenlang unter Feuer, Lienen hat es von Fans, Verein und Medien links und rechts gekriegt, aber keiner von den beiden hat sich in dieser Weise geäußert. Das alleine mit dem Druck erklären zu wollen, greift mir zu kurz.

Mal ehrlich: Rangnick stand vor seiner Entlassung wochenlang unter Feuer, Lienen hat es von Fans, Verein und Medien links und rechts gekriegt, aber keiner von den beiden hat sich in dieser Weise geäußert. Das alleine mit dem Druck erklären zu wollen, greift mir zu kurz.

Nicht falsch verstehen; ich will das nicht rechtfertigen. Aber deshalb wird er doch jetzt nicht mit vornehmer Zurückhaltung reagieren.

Das bedeutet auch, dass Schweiz I eine bedeutende Rolle in der Entlassung von Neururer und der Verpflichtung eines neuen Trainers spielen wird.