Interview: Der neue PogatetzDer einstiger Revoluzzer fühlt sich im ÖFB-Team in der Rolle des braven Führungsspielers wohl. Dennoch arbeitet Pogatetz an sich selbst - mit Erfolg: "Bin etwas weniger verbissen".
Er hat mit 27 Jahren viel erlebt, Höhen und Tiefen eines Fußballer-Lebens. Zuletzt war Emanuel Pogatetz als Neuzugang bei Hannover 96 mit Lob überschüttet worden. Entsprechend gut gelaunt rückte der Abwehrchef vor dem Start der EM-Qualifikation gegen Kasachstan im ÖFB-Team ein. Nicht einmal über seine gebrochene Nase denkt er nach. Dafür sprach Pogatetz mit der APA - Austria Presse Agentur über Führungsqualitäten, einen persönlichen Reifeprozess und darüber, das größere Gesamtbild zu sehen.
APA: Wäre alles andere als ein Sieg am Dienstag gegen Kasachstan eine herbe Enttäuschung?
Pogatetz: "Ja, es ist ein Pflichtsieg - aber kein Selbstläufer. Wir müssen konzentriert und geduldig sein. Wenn wir den Anspruch haben, uns für das nächste Großereignis zu qualifizieren, müssen wir so ein Spiel aber gewinnen."
APA: Ist die EM-Teilnahme 2012 mit dieser Mannschaft möglich?
Pogatetz: "Auf jeden Fall. Wenn wir gut reinstarten mit sechs Punkten gegen Kasachstan und Aserbaidschan, wäre das eine Basis. Dann ist alles möglich. Der Start ist immer das Schwierigste. Es sind die wichtigsten Spiele, weil man sich darin die Basis für Endspiele gegen Deutschland, Belgien oder die Türkei legt."
APA: Teilen Sie die Meinung, dass dafür eine der stärksten ÖFB-Generationen seit langem zur Verfügung steht?
Pogatetz: "Wir haben jetzt viele Legionäre, und es kommen auch noch junge Spieler nach. Das Potenzial und der Spielerpool sind größer als vor ein paar Jahren. Der Teamchef hat vielen Spielern eine Chance gegeben. Es ist aber auch ein Qualitätsmerkmal, diese zu nützen. Wir haben bessere Chancen als in den Jahren davor."
APA: Was hat in den Jahren davor gefehlt?
Pogatetz: "Wir haben auch gute Spieler gehabt, aber diese Masse war nicht da. Wenn irgendjemand ausgefallen ist, war es schon schwer, jemanden nachzuberufen. Jetzt haben wir fast jede Position doppelt und dreifach besetzt. Es ist ein echter Konkurrenzkampf, das war schon lange nicht mehr der Fall."
APA: Das Team hat heuer erstmals die Möglichkeit gehabt, über einen längeren Zeitraum gemeinsam zu trainieren. Wie hat sich das auf das Mannschaftsgefüge ausgewirkt?
Pogatetz: "Das Mannschaftsklima könnte ehrlich nicht besser sein, weil jeder mit jedem kann. Das habe ich noch in fast keiner Mannschaft erlebt. Früher hat es oft Gruppenbildungen gegeben, das ist jetzt überhaupt nicht der Fall. Der Teamgeist ist top, das könnte eine unserer großen Stärken sein."
APA: Man kann Sie durchaus als Führungsspieler bezeichnen. Haben sich auch neue Hierarchien gebildet?
Pogatetz: "Es sind sehr viele junge Spieler dabei, die jemanden um sich haben wollen, der ihnen die Richtung vorgibt. Der Teamchef erwartet es von mir, dass ich mit gutem Beispiel vorangehe, das hat er mir auch in einem persönlichen Gespräch gesagt. Das ist kein Problem für mich. Ich versuche, so aufzutreten wie immer."
APA: Gibt es zu wenige Spieler im Team, die diese natürlichen Führungsqualitäten mitbringen?
Pogatetz: "Trainer würden sich immer mehr Führungsspieler wünschen. Es ist aber ein Phänomen der heutigen Zeit, dass es immer weniger dieser Typen gibt. Es reicht, wenn man in einer Mannschaft zwei, drei hat - das sind bei uns Janko, Fuchs und ich als Spieler, die schon länger dabei sind und Verantwortung übernehmen wollen."
APA: Fühlen Sie sich wohl in dieser Rolle?
Pogatetz: "Es ist kein Problem, weil ich vom Typ her einfach so bin. Ich muss mich dafür nicht verändern. Ich bin es vom Verein gewohnt, Verantwortung zu übernehmen. Daher ist es keine Belastung."
APA: Ist es für andere Charaktere - etwa den neuen, nicht so lauten Kapitän Marc Janko - schwieriger, damit umzugehen?
Pogatetz: "Der Marc ist auch ein Führungsspieler - auf eine andere Art und Weise, vor allem durch seine Klasse und die Leistungen, die er zeigt. Daher schauen die jungen Spieler zu ihm auf. Er ist sehr professionell, davon können sie sich auch etwas abschauen."
APA: Vor vier Jahren haben Sie mit sehr harter Kritik am damaligen Teamchef (Josef Hickersberger), dem ÖFB und dessen Strukturen für Aufsehen gesorgt. Was hat sich seither verändert?
Pogatetz: "Damals war es eine komplett andere Situation. Es gab Punkte, die mich gestört haben. Heute sehe ich das etwas weniger verbissen. Ich fühle mich jetzt wohler. Das liegt daran, dass es im ÖFB etwas runder läuft, aber auch daran, dass sich meine Einstellung geändert hat. Ich kann meine Rolle als Spieler jetzt einfach besser einordnen. Es gibt Dinge, die ich nicht beeinflussen kann."
APA: Es hat sich also auf beiden Seiten etwas verändert.
Pogatetz: "Genau, ich ärgere mich nicht mehr so über Kleinigkeiten, weil ich das größere Gesamtbild sehe. Manche Dinge werden im Team eben anders gemacht als bei den Vereinen. Entscheidend ist meine Leistung, alles andere ist nur ein Nebengeplänkel."
APA: Was war für diesen Lernprozess entscheidend?
Pogatetz: "Man wird älter, erlebt mehr Dinge. Wir sind in England abgestiegen, ich habe Verletzungen gehabt. Früher waren Spiele oft eine mentale Belastung, weil ich mir sehr viele Gedanken gemacht habe. Heute ist die Vorfreude größer, ich genieße es mehr. Denn ich habe gesehen, dass man im Fußball sehr schnell weg sein kann."
APA: Teamchef Dietmar Constantini hat vor einiger Zeit die Idee geäußert, mit vier gelernten Innenverteidigern zu spielen. Sie haben auch schon Außenverteidiger gespielt, was halten Sie davon?
Pogatetz: "Am Ende hat immer der Recht, der erfolgreich ist. In England spielen einige Teams so, es kommt auf die Situation an. Ich sehe meine Position sowieso zu 99 Prozent als Innenverteidiger. Das war auch ein Grund, warum ich mich für Hannover entschieden habe. Ich habe lange genug auf links ausweichen müssen, obwohl ich das nicht so gerne gemacht habe. Im letzten Drittel meiner Karriere will ich dort spielen, wo ich am stärksten bin."
Florian Haselmayer I APA
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