Gunther hat geschrieben:
(... und dem nach wollte claassen die insolvenz beantragen und 96 platt machen.
ich lasse mich gerne vom gegenteil überzeugen. aber dazu bedarf es beweise.
Gunther, warum sollte Claassen ein Interesse daran gehabt haben 96 "platt zu machen", wo er gerade dieses prestigeträchtige Amt übernommen hatte? Ich finde die Art und Weise seines Auftritts auch häufig sehr gewöhnungsbedürftig. Sein Umgang mit den Fans war extrem ungeschickt und kontraproduktiv, um nicht zu sagen dumm. Aber das konnte man Kind hinsichtlich seines Umgangs mit Fans auch schon öfter bescheinigen.
Jede neue Führungskraft, die Verantwortung für die Finanzen bei einem Unternehmen oder Sportverein oder wo auch immer übernimmt, wird als erstes eine kühle Analyse der bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse vornehmen und daraus notwendige Konsequenzen ziehen. Damit macht man sich selten beliebt, wenn die Konsequenz z.B. heißt dass man Leute entlassen muss, weil die Personalkosten zu hoch sind oder weil man ganze Abteilungen schließen muss oder was es sonst noch an unangenehmen Dingen gibt.
Was Claassen damals bei 96 vorgefunden hat, ließ ihm gar keine Wahl. Denn eine Insolvenz kann man nicht nach Lust und Laune "beantragen", sondern sie ist eine unausweichliche Konsequenz, wenn die wirtschaftliche Schieflage ein Ausmaß angenommen hat, das auf absehbare Zeit nicht mehr aus eigener Kraft zu beheben ist und man bei den Banken nicht mehr kreditwürdig ist. Liegen die Voraussetzungen für eine Insolvenz vor, ist ein Geschäftsführer gesetzlich verpflichtet die Insolvenz anzumelden - andernfalls macht er sich strafbar (Insolvenzverschleppung). Der einzige Weg eine Insolvenz abzuwenden, besteht in der Generierung von "frischem Geld" . Die von Claassen skizzierte Umstrukturierung des Vereins in ein Wirtschaftunternehmen hat überhaupt erst dafür gesorgt, dass Leute wie Kind, Maschmeyer und die anderen Mitgesellschafter bereit waren, "ihr" Geld bei 96 zu investieren und damit die Insolvenz abzuwenden.
Dass Claassen dazu neigt, seine Sanierungsmaßnahmen mit einem theatralischen Showdown zu präsentieren, hat er ja nicht nur bei 96 gezeigt. Ich finde dies auch unangenehm und höchst überflüssig. Aber es verstellt nicht meinen Blick dafür, dass die von ihm erarbeiteten Sanierungsmaßnahmen richtig und langfristig erfolgreich waren. Ich habe es insgesamt nicht so mit der hier weit verbreiteten Ansicht, dass einem die Leute sympathisch sein müssen, wenn sie für 96 arbeiten. Mir reicht es, wenn sie professionell arbeiten und im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel erfolgreich sind.
kerze hat geschrieben:
Zum einen ist Wolfsburg bereits Meister geworden. Es dürfte Einigkeit darüber bestehen, daß dies nur einem enormen finanziellen Kraftakt von VW zu verdanken war, der zunächst den Großverdiener Magath verpflichtet hat und diesen sich 2 Jahre lang auf dem Transfermarkt austoben hat lassen. Daß der VfL momentan nichts gebacken bekommt, liegt eher an der kompletten Desorientierung von Dieter Hoeneß, der es hinbekommt, die Mannschaft trotz Millioneninvestitionen Schritt für Schritt zu verschlechtern. Die Investitionen von VW waren jedenfalls nie höher als jetzt.
Ich sage nicht, dass die konzerneigenen Clubs keinen Wettbewerbsvorteil hätten, sondern ich halte diesen finanziellen Wettbewerbsvorteil für
überbewertet. Die Gründe dafür hast du selbst aufgelistet. Viel wichtiger als Geld ist das richtige Führungspersonal und dass man diesem Personal auch ausreichend Zeit gibt, ihr Konzept zu installieren und umzusetzen. Da sind wir bei 96 mit Schmadtke auf einem guten Weg, auch wenn ich bekanntlich der Meinung bin, dass wir das schon früher hätten haben können, wenn Kind diese Geduld auch bei Kaenzig schon aufgebracht hätte, der ja sehr ähnlich arbeitete wie Schmadtke jetzt. Im professionellen Führungspersonal liegt auch der Grund dafür, dass Leverkusen sich dauerhaft im oberen Drittel der Liga etabliert hat und Wolfburg nicht. Wie Du halte ich Dieter Hoeneß für das Hauptproblem und es wirft kein gutes Licht auf Winterkorn, dass er mit Hoeness den gleichen Fehler begeht, den Kind begangen hat als er Hochstätter bei dessen Einkaufstour einfach gewähren ließ.
Auch den Meistertitel der Wobberer sehe ich kritisch, weil er auf Kosten von "verbrannter Erde" errungen wurde. Mit einem sehr guten aber egozentrischen Manager-Trainer hat man kurzfristig den Gipfel erklommen. Alle bis dahin gewachsenen Konstanten wurden plattgemacht und das ganze System auf Magath zugeschnitten, der aber ohne mit der Wimper zu zucken weiterzog als sich ihm was besseres bot. Gegen den anfänglichen Widerstand von VW hat er seinen ganzen neuaufgebauten Apparat mit zu Schalke genommen. Auch Dzeko und Gafite hätte er gerne mitgenommen. Hinterlassen hat er das große Führungs-Vakuum, dass bis jetzt nicht ausgefüllt werden konnte. Ohne Führung und klare Ansage funktioniert aber keine Mannschaft und ein zusammengekauftes Starensemble schon mal gar nicht! In meinen Augen ist WOB trotz des meistlerlichen Strohfeuers unter Magath kein Titelaspirant, solange es dort kein professionell agierendes und auf Kontinuität angelegtes Management gibt.
kerze hat geschrieben:
Zu Hoffenheim ist das meiste bereits im entsprechenden Thread gesagt worden. Der "Etatausgleich" von 250 Mio € über die Jahre dürfte wohl beispiellos sein und daß Hopp ohne Amt im Verein alles bestimmt, hat wohl die Akte Gustavo nachhaltig bewiesen.
Das ist in Hannover kein Stück anders. Ich habe schon in unendlich vielen postings darauf hingewiesen, dass Herr Kind aufgrund seiner Ämterhäufung, die Struktur von 96 quasi außer Kraft gesetzt hat. Das geht ja soweit, dass er als Präsident des Vereins, der über die 50+1-Regel die Profiabteilung und die sie finanzierenden Geldgeber kontrollieren soll, sich als Hauptgeldgeber und Finanzgeschäftsführer quasi selbst kontrolliert. "Etatausgleiche" durch die Gesellschafter von 96 und in allererster Linie durch Kind selbst hat es bei 96 nicht nur einmal gegeben. Ein solch notwendig gewordener "Etatausgleich", den Kind nicht mehr allein bestreiten wollte, war 2005 wohl auch der Grund für Kinds Nacht-und Nebelrückzug aus dem Amt. Andere um Geld zu bitten ist ja auch peinlich, wenn man selbst die Geschäfte geführt hat. Auch haben wir eine "Akte Huszti". Dessen Verkauf hat bis zur Umstrukturierung der Mannschaft durch Schmadtke auch ein tiefes Loch gerissen. Der Verkauf eines schnellen Flügelflitzer, seltenen Linksfußes und Topscorers entsprang mit Sicherheit nicht dem Wunsch des Trainers, sondern war der Kassenlage und dem Interesse der Geldgeber geschuldet.
kerze hat geschrieben:
Insgesamt ist aber bei allen 3 Clubs ein deutlicher Wettbewerbsvorteil auszumachen. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich den Niedergang der Clubs bei einem (unwahrscheinlichen) Ausstieg des Finanzpartners auszumalen. Wir haben es alle bei Bayer Uerdingen miterlebt, die völlig von der Fußballkarte verschwunden sind.
Insofern hat Kind sicherlich recht, wenn die Verhältnisse so wie sie jetzt sind nicht bleiben können, zumal mit RB Leipzig schon ein weiterer "Verein" in der Warteschleife steht. Wenn schon 50+1 nicht fallen soll, muß zumindest bei dieser indirekten Umgehung der Statuten der Hebel angesetzt werden. Ansonsten machen sich die Befürworter von 50+1 in meinen Augen unglaubwürdig.
Es gibt keine Clubs, die den Ausstieg ihrer wichtigsten Finanzpartner verkraften würden. Das wäre auch bei 96 nicht anders. Darum hat Herr Kind ja auch so viel Macht und darum ist es auch so gefährlich für einen Club, wenn fast alles von einem Hauptinvestor abhängt. Kind unterscheidet sich nur graduell von Hopp. Gemessen an den 96-Anteilen, die Herr Kind nach dem Aufkauf der Anteile von Maschmeyer hält, kann man getrost von FC Martin Kind sprechen. Ich kann nicht erkennen, warum gerade Herr Kind sich von der 50+1-Regel eingeengt sieht, weil er durch seine Ämterhäufung die 5o+1-Regel für 96 und sich selbst faktisch ausgehebelt hat. Warum die Machtfülle von Martin Kind bei 96 in den überregionalen Medien nicht genauso ein Thema ist wie die Machtfülle von Hopp verstehe ich sowieso nicht. Es gibt eine Untersuchung der Uni Münster zum Thema Umgehung der 50+1-Regel am Beispiel Dietmar Hopp. Teile dieses Artikels treffen genauso auf Martin Kind zu. Interessant ist , dass der Autor trotz seiner Kritik an der leichten Umgehbarkeit der 50+1-Regel diese für grundsätzlich richtig hält .
[url]
http://www1.wiwi.uni-muenster.de/fakult ... fertig.pdf[/url]
Kind führt im Übrigen sein eigenes Argument - die 50+1-Regel verhindere, dass andere Investoren an 96 interessiert seien - ad absurdum, wenn er gleichzeitig nur "regionale Sponsoren" zulassen wil , denen er auch noch die Laufzeiten ihrer Investition vorschreiben will. Eine solche "Zulassungsbeschränkung vor Kinds Gnaden" wird die Attraktivität für Investoren mit Sicherheit nicht erhöhen. Kind selbst würde sich auf solche Knebelverträge mit Sicherheit nicht einlassen. Auch ist eine "Zulassungsbeschränkung aufgrund der regionalen Herkunft" genauso eine Einschränkung für Investoren wie die 50+1-Regel selbst. Unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten ist das eine wie das andere gleich zweifelhaft.
Nur kann die 50+1-Regel für sich in Anspruch nehmen, dass damit ein höheres gesellschaftliches Anliegen verfolgt wird. Nämlich die Kopplung des Profifußballs an die Strukturen der Fußballsportvereine, die durch ihr ehrenamtlich organisiertes Angebot eine immense gesellschaftliche Aufgabe übernehmen, die sozialerzieherische und gesundheitliche Aspekte ebenso betrifft wie die Integration von Zuwanderern und die Organisation von Freizeitkultur in Deutschland überhaupt. Durch die Kopplung der Profiabteilungen an die Vereine und deren Jugendmannschaften gibt es eine Struktur, die es in Deutschland leichter macht, junge Nachwuchstalente zu sichten und zu fördern, von denen es in den letzten Jahren zunehmend mehr wieder in die Profimannschaften schaffen. Nicht umsonst hat Deutschland eine leistungsstarke Nationalmannschaft.
Du hast natürlich Recht, dass es ein Glaubwürdigkeitsproblem gibt, wenn die 50+1-Regel in vielen Punkten umgangen werden kann. Der Kern aber bleibt. Auch ein Dietmar Hopp hat nur 49 % des Stimmrechtes, selbst wenn er de facto zu 99 % der Geldgeber ist. Das verhindert nicht, dass Geld wie überall auch die Fußballwelt regiert, aber wenn es hart auf hart kommt, kann ein Verein den Trumpf der 50+1-Regel ausspielen. Warum es besser sein soll, die 50+1-Regel abzuschaffen, damit ein 99 %- er Geldgeber auch zu 99% bestimmen kann, was mit dem Club passiert, leuchtet mir nicht ein. Je niedriger man die Hemmschwelle setzt, desto schneller wird sie übersprungen. Wenigstens das sollte man aus den englischen Verhältnisssen gelernt haben.