"Der große Graslutscher-Fahrtest! Von Wiesbaden nach Mainz mit einem Erdölauto – kann das gutgehen?
Auto-Praxis-Tests sind ja das große Ding im seriösen Journalismus, und nachdem Thomas Geiger für den Spiegel im E-Auto von München nach Zagreb gefahren ist und anschließend wie eine hängende Schallplatte von guten Dieseln schwärmt, haben wir mal den Gegentest gemacht. Sind Dieselautos wirklich schon marktreif und können im Alltag überzeugen?
Diverse Autohersteller und andere Firmen bedrängen einen ja förmlich, diese Technologie einmal auszuprobieren, weil sie angeblich so sauber und komfortabel ist. Also mieten wir uns für unseren Trip das beste, was die deutsche Automobilindustrie zu bieten hat: Einen Audi Q7. Mit einem Kindergeburtstag geht es damit zur 15 km entfernten Trampolinhalle.
Doch schon vor dem Einsteigen kommt gleich die erste Enttäuschung: Es herrschen 34 Grad im Schatten, und ich kann in diesem Gefährt im Wert von 85.000 Euro nicht per App die Klimaanlage einschalten. Also laufe ich extra umständlich zum Auto hin, um das zu erledigen. Darin herrschen Temperaturen wie im Schicksalsberg von Herr der Ringe. Gut, wenn man mal Saurons Ring vernichten möchte, schlecht, wenn man einen geschäftlichen Termin wahrnehmen will.
Mir bricht am ganzen Körper der Schweiß aus, und der Knopf für die Klimaanlage funktioniert nicht. Also erleide ich beim Öffnen des Handschuhfachs eine Verbrennung dritten Grades und schnappe mir die Gebrauchsanweisung. Ah, man muss extra den Motor einschalten, um die Klimaanlage zu nutzen, wie unpraktisch. Gut, also Motor an.
Das ganze Auto fängt auf einmal an zu vibrieren und zu wackeln und verursacht eine Geräuschkulisse, die ungefähr so charmant daherkommt wie ein Laubbläser am Sonntagmorgen. Meine Nachbarin guckt genervt über die Hecke, die Kinder an der Straße rümpfen die Nase, denn aus dem Auto entsteigen seltsame Dämpfe und es stinkt etwas.
Da ich die Nachbarschaft nicht noch länger so belästigen möchte, dränge ich die 6 Kinder zum schnellen Einsteigen. Nach 10 Minuten Theater sind alle angeschnallt, mein Hemd ist durchgeschwitzt, die Kinder nerven. Ich will losfahren, aber warum sind da 3 Pedale im Fußraum? Ach ja, man muss nun umständlich Kupplung und Gaspedal gleichzeitig benutzen, damit das Auto überhaupt mal losfährt, und diesen Zirkus dann bei jeder Ampel wiederholen.
Bei meinem Trip mit einem Tesla Model S an die Ostsee habe ich zu 99 Prozent der Fahrt nur ein einziges Pedal benutzt, weil das Fahrzeug beim Lösen des Beschleunigungspedals elegant bremst. Im Vorzeige-Dieselfahrzeug aus Ingolstadt ist man hingegen mehr damit beschäftigt, auf Pedalen herumzutreten als ein Konzertpianist – ein mühsames Unterfangen.
Im Innenraum werden nach 5 Minuten immer noch 31 Grad angezeigt und ich fühle mich aufgrund der Körperflüssigkeiten der offenbar noch nicht mit Deodorants vertrauten Kinder an die Umkleidekabinen des Sportunterrichts in der 7. Klasse erinnert. Oder an den Pumakäfig im Frankfurter Zoo. Malte wird von der Hitze und dem Gestank übel und fragt, ob wir kurz halten können. Also müssen wir uns 10 Minuten im Gewerbegebiet die Zeit vertreiben – ich habe Sorge, dass die Autovermietung mir bei hartnäckigen Flecken nicht die volle Kaution zurückzahlt.
Als es Malte wieder gut geht, betätige ich mich wieder als Konzertpianist und fahre unter gefühlt 27 Pedalbetätigungen pro Minute weiter. Skurril: Bei Erreichen einer bestimmten Drehzahl muss ich jedes Mal das Pedal durchtreten und einen anderen Gang einlegen, woraufhin die Beschleunigung des Fahrzeugs immer wieder komplett absackt.
Den Kindern ist langweilig und sie meckern immer lauter, also suche ich den Entertainment-Bereich im geradezu winzigen Display des Fahrzeugs. Es gibt aber keinen. Im Tesla gibt es einen Furzblinker, den Cowbell-Modus, und man kann im Navi die Marsoberfläche einblenden. Das Modell aus Ingolstadt versprüht hingegen den Humor einer Haushaltsdebatte im Bundestag: Man kann ein Radio einschalten oder sein Handy koppeln, die Kinder sind so gelangweilt, dass zwei spontan einschlafen und drei andere weinen.
Aus lauter Verzweiflung kopple ich das Handy und versuche, die Stimmung mit dem Huhnlied von Helge Schneider zu retten. Die beste Pointe des Stücks über das Huhn mit dem seltsamen Namen „Kartoffelsalat-Dachlatte die sechzehnte“ geht im Motorenlärm unter, aber diese undankbaren Blagen wissen Helge Schneider ohnehin nicht zu schätzen. Ich bin der einzige, der lacht. Na und? Der Fahrer bestimmt die Musik, so.
Endlich ist die Trampolinhalle in Sicht! Auf dem Parkplatz gibt es für uns keine freien Stellplätze, weil der Audi so unglaublich groß ist, also parke ich auf einem staubigen, 500 Meter entfernten Feldweg . Die Temperatur ist unerträglich, und nach 10 Minuten Fußmarsch durch die Mittagshitze bin ich froh, die Kinder abgegeben zu haben. Das Auto ist bei der Rückkehr schon wieder aufgeheizt, und so klebe ich wieder mit durchnässtem Hemd am Sitz.
Nun kommt aber der Teil, auf den ich mich schon so gefreut habe: Das Tanken! Das soll ja so einfach und schnell sein! Aber Achtung, was die Hersteller von Erdölautos nämlich gerne verschweigen: Auch die Premium-Modelle kann man nicht zu Hause auftanken! Man muss dafür immer extra ein Fachgeschäft für Erdölprodukte aufsuchen. Ich bin also erst mal 10 Minuten unterwegs und halte dann neben der Zapfsäule eines komplett in blau gehaltenen Benzin- und Dieselhändlers.
Es gibt 4 Schläuche, die ich in das Fahrzeug stecken kann. Da muss man nun genau aufpassen, denn Dieselmotoren sind so empfindlich, dass der falsche Schlauch sie komplett zerstören kann. Ich muss den schwarzen Schlauch nehmen, das habe ich mir extra erklären lassen, und ich bin schon etwas stolz, mich so professionell vorbereitet zu haben. Der Griff ist nur leider mit einem schmierigen, stinkenden Film überzogen.
Nach kurzer Zeit ist der Tank voll, und ich kann den Stinkeschlauch wieder in die Vorrichtung hängen. Nun muss ich aber noch manuell bezahlen und stehe in einer Schlange mit Leuten. Nachdem der Typ ganz vorne sich 4 Latte Macchiato bestellt hat und ich schon fürchtete, hier übernachten zu müssen, bin ich endlich dran, allerdings ist die Auswahl der Zahlungsmittel stark begrenzt. Meinen Sack voller Mauri-Muscheln will der Mann hinter der Kasse nicht annehmen, ebensowenig meine Bitcoins oder meine Elbenwald-Treuepunkte.
Das ist sehr ärgerlich. Ein E-Auto hätte ich einfach am Ladepunkt vor der Trampolinhalle wieder aufladen können, ohne extra zu einer sogenannten „Tankstelle“ zu fahren. Der ganze Spaß hat mich nun aber 35 Minuten gekostet, und meine Hände stinken.
Mein Fazit: Diesel-Autos sind eine ganz nette Spielerei, vielleicht als Zweitwagen für Enthusiasten, die genug Zeit dafür haben. Solange die Bezahlung aber so umständlich ist, man nicht zu Hause aufladen kann und ich da im Sommer schweißgebadet aussteige, fällt meine Wahl auf ein seriöses Elektrofahrzeug. Zumindest bis die Kinderkrankheiten der Dieselautos behoben sind."