Also erstmal vorweg, der Beitrag von Tanne ist ein richtig guter. Weil er zum sachlichen Diskutieren anregt. Respekt hierfür. Nun meine Meinung zu dem ganzen Thema.
Tanne hat geschrieben:
Zum Spiel: Hannover hat, wie schon öfter in dieser Saison eine schlechte und eine recht ansprechende Halbzeit Fussball gespielt. Nur ging das Ding (wie heisst es noch? äääh, Ball) wieder mal nicht rein. Das Schema des Spiels zeigt wieder mal, dass unsere Roten mit spielerischen Mitteln nicht in der Lage sind, einen Gegner dauerhaft unter Druck zu setzen. Dieses Thema ist ja schon an diversen Stellen lang und breit diskutiert worden.
Das war in den letzten spielen sicherlich richtig, aber wir hatten auch schon Spiele in der Saison, wo das gut gelang. Sicherlich waren in diesen Spielen Balitsch, Stajni und Dabrowski in höchstform, und man sollte diese nicht als Massstab ansetzen, aber es gab sie.
Tanne hat geschrieben:
Zur Mannschaft: Unter der gewissermaßen chronischen fussballerischen Schwäche des Mittelfeldes leidet der Sturm am meisten. Genau wie in der letzten Saison gehört Hannover zu den Mannschaften mit den wenigsten geschossenen Toren. Hier ist ja vor der Saison mit ner Menge Geld versucht worden, die Schwachstellen punktuell zu ergänzen.
Grundsätzlich gebe ich Dir auch hier recht. Jetzt möchte ich das ganze aber auch ein wenig differenzierter sehen.
Ich denke allen ernstes, dass der Sturm von Hannover 96 wirklich gut ist, und eigentlich im oberen Drittel der Liga anzusiedeln ist.
War es im letzten Jahr noch so, dass eher Konterfußball gespielt wurde, und es wichtig war, hinten sicher zu stehen, so fällt es dieses Jahr auf, dass das erarbeitete Konzept, ohne einen klassischen Spielmacher auszukommen, nicht mit unseren Stürmern funktioniert.
Das liegt für mich daran, dass im Moment die Stärken unserer Stürmer nicht ausgenutzt werden. Z.B. sehe ich die Stärke von Thomas Brdaric eindeutig im Konterfußball. Da braucht er jemanden an seiner Seite, der gedanklich schnell ist, und ihn mit vernünftigen Pässen in Szene setzt - und natürlich einen Gegner, der offensiv agiert.
Mit freuden denke ich an das Köln Spiel vor gut 2 Jahren zurück, als Köln offensiv spielte, und Daniel Stendel mit einem Pass - nach einer Standardsituation für Köln - Thomas Brdaric auf die Reise schickte, und er ganz sicher das Siegtor markierte.
Für mich wäre das Stuttgart Spiel - so wie es verlief - ein ideales Spiel für Brdaric gewesen. (Zumindest ab der zweiten Halbzeit.)
Christiansen und Hashemian brauchen, um effektiv zu sein, Leute, die sie in Szene setzen. Und da mangelt es wirklich an dem Mittelfeld, und an den Außenverteidigern. Viel zu selten kommt eine Flanke von Außen mal wirklich an. Woran das liegt, mag ich allerdings nicht sagen.
Tanne hat geschrieben:
Übrigens das erste Mal seit dem Wiederaufstieg, dass die Mannschaft wirklich gezielt verstärkt wurde. In diesem Sinne ist auf die nächste Transferperiode sehr zu hoffen.
Eine weitere Situation, die auch auf die Transferpolitik zu schieben ist, ist eine wirkliche fehlende Hackordnung auf dem Platz. Das als Fehler zu bezeichnen bzw. jemandem in die Schuhe zu schieben wäre unfair, als Aufsteiger muss man erstmal sehen, dass die Klasse gehalten wird, da kommt nicht jeder Spieler, den man haben will. Nur wenn jedes Jahr 5-6 Spieler ausgetauscht werden und immer wieder neues Personal integriert wird, entsteht keine echte Hierarchie. Die fehlt definitiv. Zumal der Kapitän sportlich nachgelassen hat.
Zum Trainer/-wechsel: Sportlich überhaupt keine Frage, hat er nichts gebracht. Das Spiel ist nicht attraktiver geworden, im Grunde spielen die Roten nun seit gut einem Jahr keinen wirklich schönen Fussball mehr, denn auch die Rückrunde 04/05 war nicht sonderlich berauschend. Den jetzigen Trainer wieder zu entlassen, wäre nicht nur teuer, sondern müsste auch der Vereinsführung vor Augen halten, dass keine wesentliche Verbesserung eingetreten ist. Naja, Vehling hat zumindest das erste mal kritisch den Mund aufgemacht.
Stichpunkt Trainerwechsel: Auch hier gebe ich dir recht. Obwohl Herr Lienen nun wirklich für ein etwas defensiveres Konzept stand, weigere ich mich zu glauben, dass er so spielen lassen wollte, wie es die Mannschaft teilweise getan hat. Ich kann mich auch noch gut daran erinnern, dass er mahnte, dass er dringend im Mittelfeld neue, gute Akteure braucht - die er in dem Maße nicht bekommen hat.
Insofern glaube ich zwar, dass Herr Neururer schon offensiver spielen lassen möchte (genau wie Herr Lienen damals etwas offensiver hätte spielen wollen - Stichwort Balance finden - , wenn er die passenden Spieler zur Verfügung gehabt hätte), dies aber mangels eines guten offensiven Mittelfelds einfach nicht gelingt. Also sieht man wenig Besserung.
Aber ich denke, dass Herr Lienen ein gewisses Image hatte, welches vielleicht nicht mehr in das Anforderungsprofil von 96 passte, und er deshalb gehen musste. Und um ehrlich zu sein, denke ich dass es besser gewesen wäre, die Abfindung in einen neuen offensiven Mittelfeldspieler zu investieren, anstatt sie für die Trainerentlassung auszugeben.
Aber: Auch das kann ich nicht gut beurteilen. Wenn z.B. Herr Lienen mit seinem Image neue Sponsoren abschrecken würde (alles hypothetisch), die sonst mehr als die Ablöse an Geld in das Unternehmen Hannover 96 einbringen, dann wäre es ein guter Schritt gewesen.
Ob Herr Neururer allerdings nun wirklich ein Glücksgriff war, sei für mich einfach mal dahingestellt.
Tanne hat geschrieben:
Zur Führungstruppe des Vereins: Ilja Kaenzig ist ein Glücksgriff für Hannover, hat in seinem Alter schon eine riesige Erfahrung und auch eine Position, in der sich der Verein weiterentwickeln lässt. Zumindest was die Strukturen angeht, gehört Hannover ja schon zum oberen Drittel der Liga. Viel zu verdanken hat man sicher auch Martin Kind, der vor 7(??) oder auch 8 Jahren eine drohende Insolvenz verhindert hat. Jetzt sind wir erstklassig und haben ein modernes Stadion. Dies sollte in Anbetracht der Meckerorgien auch einfach nochmal erwähnt werden.
Das unterschreibe ich, aber aus anderen Gründen, als die meisten User hier. Die meisten User machen Ilja Kaenzig für die Transferpolitik verantwortlich, und messen ihn daran, wie sehr ein Spieler einschlägt oder nicht. Meiner Meinung ist das allerdings nur ein ungenügendes Kriterium. VIEL wichtiger ist es meines erachtens, was der Manager mit den vorhandenen Geldmitteln anfängt. Z.B. finde ich es sehr wichtig, dass es Leistungsbezogene Verträge gibt. Schliesslich kann man das Risiko eines Flopps nämlich viel besser in Kauf nehmen, als wenn man ein Grundgehalt bezahlt, welches durchgehend hoch ist. Da ich keine Vertragsinternas kenne, werde ich mich auf die einzige Kenngröße beziehen, die mir zur Verfügung steht, um den Manager zu beurteilen. Das Lizensierungsverfahren. Und was lesen wir da? Hannover96 ist zweiter. Gleich hinter den Bayern. Das nenne ich gutes Management.
Tanne hat geschrieben:
Zum erklärten Saisonziel: Das Ziel ist ein einstelliger Tabellenplatz und der ist, allen Unkenrufen zum Trotz, immer noch erreichbar. Zwischen Platz 12 und 9 liegen am 32. Spieltag grade mal 2 Punkte.
Wir sollten uns aber nochmal vor Augen halten, wann dieses Ziel gesetzt wurde. Zum Zeitpunkt der Zielsetzung reichte ein 8. Tabellenplatz mit SICHERHEIT, ein 9. Tabellenplatz je nach Pokalsituation, um international zu spielen. SICHERLICH in klein Kleckersdorf, aber international. Also denke ich schon, dass der Anspruch des Vereins ein höherer, als NUR ein einstelliger Tabellenplatz war. Eigentlich wollte man international spielen - aber ohne zu grosse Hoffnungen zu wecken, und dort weit kommen zu müssen. Und ich denke, dass dies mittlerweile ganz und gar unerreichbar geworden ist.
Tanne hat geschrieben:
Das war alles Bestandsaufnahme, für den, der bis hierher durchgehalten hat, gehts noch weiter... Wink
Zu den akuten sportlichen Problemen: Eine Menge Beiträge hat ja schon versucht, Probleme anzusprechen. Es geht um das Mittelfeld, in der (in der vom Trainer momentan favorisierten Startformation) quasi 3 6er nebeneinander stehen, die allerdings auch für Druck nach vorne sorgen sollen. Und irgendwie klappt das nicht. Ausserdem fehlt ein sportlicher Kopf im zentralen Mittelfeld, der einen Pass spielen kann, der das Spiel liest, Tempo erhöht oder auch wieder herausnimmt und vor allem, der den Ball auch mal einen Augenblick lang halten kann. Dazu kommt noch ein Mittelfeldspieler, der aus 20 oder 25 Metern einfach mal aufs Tor schießt (ist auch schon irgendwo erwähnt worden).
Die Stürmer würden das Tor sicherlich viel öfter treffen, wenn sie selber nicht so viel damit beschäftigt wären, mit dem Ball am Fuss Druck machen zu müssen. Aufwand und Ertrag stehen für sie einfach in keinem Verhältnis, weil sie quasi neben ihrer eigentlichen Knipser-Tätigkeit auch die Aufgaben des offensiven Mittelfeldes erledigen müssen. Ich glaube, dass ist kein Brdaric/Hashemian-Phänomen, sondern darunter hat z.B. auch Christiansen (vor seinen diversen Verletzungen) leiden müssen.
Die akuten sportlichen Highlights: Enke ist unbestritten der beste Torwart der Liga, die Abwehr mit Abstrichen gut (vielleicht nicht ganz so souverän wie letzte Saison) und an guten Tagen spielt die Mannschaft taktisch recht diszipliniert. Immerhin jede 2. Standardsituation sorgt für Gefahr.
Ob Enke der beste ist, weiss ich nicht. Für mich schon. Objektiv glaube ich, dass es mehrere gute Keeper in der Liga gibt, und die Tagesform entscheidet. Mir ist zum Beispiel aufgefallen, dass Enke kaum in einer "Topelf" auftaucht, die normalerweise aufgrund objektiver Datenbank - Ergebnisse erstellt werden. Da scheint es für mich so, als ob er der konstanteste gute Keeper ist, aber nicht jedesmal der beste.
Die Abwehr sehe ich im moment als sehr wacklig an. Die haben schon 3 Abräumer davor, und kassieren immernoch so viele Gegentore... hmm hmm. Mertesacker steckt in einer Formkrise, Tarnat ist zwar sehr gut, aber leider nicht mehr der schnellste. Stevie schein wirklich mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Zuraw verletzt, Vini gedanklich ab und zu ein wenig zu langsam.
Und.. wenn man aus dem Spiel schon nicht zu Toren kommt, muss man wenigstens Standards üben

Tanne hat geschrieben:
Und nun? Einige Dinge, die für mich den meisten Anlass zum Nachdenken gegeben haben, (auch um mich hier so lang und breit auszulassen) sind Statements von Neururer, die Vertragsverlängerung von Tarnat, die angeblichen Transfergerüchte um Robert Enke sowie die ewige Meckerei hier im Forum.
1. "Tarnat hat hier ein bißchen Bayern München hineingebracht". Per se ist das ja erstmal Kritik und unerwüscht, wer will schon Bayern München bei sich im Verein haben Wink . Was immer PN damit meinte, könnte es um Professionalität und Siegeswillen gehen.
2. "... bla bla, einige sind zu schnell zufrieden...". Hört sich erstmal wie ein Schuß vor den Bug an, und bei aller Kritik am Trainer sonst, die möglicherweise auch berechtigt ist, an den unkonstanten Leistungen (zwischen Platz 5 und 13 hatten wir alles), mal nur eine Halbzeit gut, manchmal Totalausfälle, irgendwie ist da was wahres dran. Vielleicht ist noch dies Portion Unerfahrenheit, die in der Mannschaft als Ganzes steckt. Die letzte sportliche Misere begann nach dem Bayern-Spiel (bis dahin war ja zumindest die Punktausbeute ok), als die Medien UEFA-Cup o.ä. in die Runde warfen. Offenbar sind einige Charaktere noch nicht so stabil, als dass sie auf einmal Angst vor der eigenen Courage bekamen. Wenn PN mit diesem Statement erreichen konnte, dass eine Entwicklung in Gang gesetzt wird, die längerfristig nach oben geht, dann hat sich der Trainerwechsel gelohnt, nur wird er selber diese Früchte nicht mehr ernten können.
Ich denke mittlerweile, dass die Mannschaft - wenn sie gut dasteht - glaubt, dass die nächsten Spiele ein selbstläufer werden. Nur hat das nicht nur Herr Neururer kritisiert, sondern damals auch schon Herr Lienen. Nach der wirklich guten Vorrunde letztes Jahr, meinte Herr Lienen, dass man von Spiel zu Spiel schauen müsse, und das man bei jedem Spiel den gleichen Einsatz und Siegeswillen haben müsse, um die gute Leistung, und damit den Tabellenplatz zu konservieren. Naja... ist auch nicht wirklich eine neue Erkenntnis wenn wir ehrlich sind. Schließlich kullert der Ball ja nicht von allein ins Tor, nur weil man Tabellen - vierter ist. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass die Mannschaft genau das denkt. Och.. wir sind so weit oben... also müssen wir ja richtig gut sein. Also reicht es, wenn ich heute mal nen ruhigen mache. Das wird gegen diesen Gegner schon reichen. Oder: Och, wir wollten eigentlich nur auf Platz 9. Da haben wir ja noch Luft. Also mach ich heute mal nen ruhigen.
Was für mich sogar teilweise nachzuvollziehen ist. Aber aus genau diesen Gründen, wäre ich sogar noch für Verträge, die noch Leistungsbezogener sind. Aber ich glaube, die meisten Profis würden sich nicht darauf einlassen.
Tanne hat geschrieben:
3. Tarnat ist ein sehr wichtiger Spieler für den Verein, und zum Glück hat der verlängert, als es sportlich noch besser aussah, wer weiss, was er jetzt denken würde... Ein Typ mit seiner Erfahrung sollte vielleicht nächstes Jahr wieder verpflichtet werden.
Ich denke auch, dass er wichtig ist, obwohl ich ihn teilweise zu langsam finde. Aber irgendwas ist ja immer
Tanne hat geschrieben:
4. Ich glaube nicht, dass Enke den Verein verlassen wird. Es gibt überhaupt keine konkreten Anzeichen, dass Vereine an ihm interessiert sind. Ausserdem hat er selber betont, wie wohl er sich in Hannover fühlt. (Ich hoffe, ich habe in 3 Monaten damit immer noch Recht...). Die Aktion mit der Unzufriedenheit war vielleicht auch ein "Hallo-wach", um die Stagnation im Verein zu beenden, darauf aufmerksam zu machen, was im Umfeld und auch in der Mannschaft für Möglichkeiten stecken,damit man sich langsam den überzogenen Zielen einiger Fans wieder nähern kann
Zur Unzufriedenheit beigetragen hat sicher auch die Punkte-/Tabellensituation der Liga insgesamt, weil ab Platz 5 irgendwie alle kaum Konstanz zeigen. Nur sollte man den ersten Schritt vor dem zweiten machen und nicht umgekehrt. Vielleicht sollten die vorschnellen Kritiker hier mal drüber nachdenken, was vor 10 Jahren in Hannovers Fussballwelt loswar, bevor einige erzählen, dass sie Eintrittskarten zu verkaufen habem, alles schlecht ist, oder sie nie wieder ins Stadion gehen.
Der Kader hat in der Konstellation auf jeden Fall die Chance, sich dauerhaft in der Liga zu etablieren und dann, mit der Zeit und dem Geld, weiter nach oben vorzurücken.
Wenn alle bei der Sache bleiben, und auch wirklich mal International spielen wollen, also darauf "brennen", wie man so schön sagt, und sich nicht mit Mittelmaß zufrieden gaben, also "satt sind", dann gebe ich dir recht.
Wenn man allerdings zu früh zufrieden ist, dann sehe ich es so, dass der Abstiegskampf nicht weit weg ist. Sind wir ehrlich.. Würde die Liga nicht so schwächeln, wären wir jetzt im Abstiegskampf.
Aber ich habe gute Hoffnung, dass vielleicht ein neuer kommt, der noch mehr "Bayern München", und ich lege das als unbedingten Siegeswillen in jedem Spiel aus, in unseren Verein hinein bringt. Und die anderen Spieler animiert, nicht zufrieden zu sein. Vielleicht auch, weil sie dann endlich daran glauben, zusammen etwas grosses erreichen zu können.
Ich freue mich schon auf eine angeregte Diskussion.
Euer Cherek