16.10.2009, 09:25 Uhr
Finanzdienstleister
AWD kämpft um seinen Rufvon Stefan Menzel
Datenskandal beim Finanzberater AWD: Offenbar sind zehntausende sensible Kundendaten an die Öffentlichkeit gelangt. Und auch aus Österreich droht den Hannoveranern Ungemach: Dort hatten AWD-Vertreter Kunden nahegelegt, Aktien der Immofinanz zu kaufen. Doch jener Laden ist mittlerweile marode. Nun laufen die Geschäfte von AWD im Alpenland immer schlechter.
WIEN. Der Traum eines jeden Finanzberaters ist wahr geworden: In Österreich kommt der AWD in jedes Haus hinein, niemand stellt sich dem Finanzdienstleister an der Türschwelle entgegen. Ohne jeden Widerstand, ohne Protest – mitten in die Wohnzimmer der Alpenrepublik, und das auch noch zur besten Zeit am Abend. Der Haken an der Sache: Es ist leider nicht der AWD-Berater persönlich, der es in Österreichs Haushalte schafft. Es ist die neue AWD-Werbekampagne, die allabendlich über das Fernsehen vor den Hauptnachrichten-Sendungen ausgestrahlt wird und die es in die Wohnungen der Österreicher schafft.
„Nichts ist so gut, dass man es nicht besser machen könnte“, verkündet der Slogan, „wer weiß das besser als wir.“ In der Tat. Die AWD-Kampagne trifft den Nagel auf den Kopf, der Finanzdienstleister weiß selbst sehr genau, dass er in Österreich sehr viel besser machen muss. Und deshalb hat die Wiener Tochter des hannoverschen Strukturvertriebs gleich einen Millionen-Betrag für die Kampagne des „neuen AWD“ auf den Tisch gelegt.
Der Ruf des Unternehmens hat in der Alpenrepublik seit dem vergangenen Jahr schwer gelitten. AWD Österreich hat seinen Kunden vor zwei Jahren den Kauf der Immofinanz-Aktie wärmstens nahegelegt. In Zeiten des Börsenbooms schien das damals eine ziemlich sichere Anlage zu sein. Für die AWD-Berater, die damit ihre Provisionen sichern konnten. Und für die Anleger, die von Kurssteigerungen und Dividenden profitieren sollten. Immofinanz gehörte zu den größten Immobilienunternehmen in Europa, ein Schwerpunkt des Geschäfts lag dabei auf Osteuropa.
Inzwischen sind die Anleger in der Realität angekommen, denn die Immofinanz-Aktie ist ins Bodenlose abgestürzt. Aber auch die Staatsanwälte interessieren sich für das Papier: Der Skandal um die Immofinanz-Gruppe zählt inzwischen zu den größten Korruptions- und Betrugsaffären der zurückliegenden Jahrzehnte in der Alpenrepublik. In einem schwer zu durchschauenden Unternehmens- und Bankengeflecht hat sich das Immofinanz-Management zulasten der Aktionäre bereichert, davon ist auch die Wiener Staatsanwaltschaft überzeugt.
Der AWD hat mit Immofinanz direkt nichts zu tun. Pech nur für den Finanzdienstleister, dass seine Berater in großem Stil das Papier des skandalträchtigen Immobilien-Unternehmens verkauft haben. „Und das war eine systematische Fehlberatung des AWD“, schimpft Peter Kolba, Chef-Jurist der Wiener Verbraucherberatung. 2 500 geschädigte Immofinanz-Anleger haben sich unter Führung der Verbraucherschützer zusammengeschlossen und eine Sammelklage gegen den AWD angestrengt. 30 Millionen Euro seien verloren gegangen – eine Summe, die der AWD aufbringen müsse. „Die Anlageberater haben damals behauptet, die Immofinanz-Aktie sei so sicher wie ein Sparbuch“, ergänzt Verbraucherschützer Kolba.
Die Klagen gegen den AWD laufen zwar noch, aber trotzdem gibt es bereits ein klares Ergebnis: Der Finanzdienstleister leidet als Folge des Immofinanz-Skandals an einem massiven Einbruch des Geschäfts. Den Umsatzrückgang aufgrund der negativen Berichterstattung in Österreich sieht der AWD bei mindestens 50 Prozent. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres hat die Wiener Tochter des AWD im operativen Geschäft (Ebit) gut zehn Millionen Euro verloren, im ersten Halbjahr 2008 erwirtschaftete sie noch einen Überschuss von sieben Millionen Euro.
Die breit angelegte Image-Kampagne in TV, Radio, Zeitungen und Internet ist eine unmittelbare Folge des Immofinanz-Skandals. Der „neue AWD“ soll die belastete Vergangenheit vergessen lassen, wieder Vertrauen schaffen und abtrünnige AWD-Kunden zurückholen. Zur Jahresmitte hat der Finanzdienstleister auch einen neuen Chef bekommen: Ralph Müller, zuvor Privatkunden-Vorstand bei der Bank Austria, soll das AWD-Geschäft wieder umdrehen. Müller verspricht eine „umfassende Qualitätsoffensive“, Anleger könnten „mehr Sicherheit, Qualität, Kontrolle und Transparenz“ erwarten.
Kernpunkt ist das Versprechen, dass der AWD nur noch „staatlich geprüfte“ Berater zu seinen Kunden schicken will. Wer die Prüfung noch nicht abgelegt hat, darf nicht allein zum Kundengespräch, sondern muss immer zusammen mit seinem Ausbilder vorsprechen. In Wien soll es künftig eine „AWD-Akademie“ geben, in der alle Berater zentral und einheitlich ausgebildet werden, bestätigt ein Unternehmenssprecher. „Der AWD setzt freiwillig um, was wir für die gesamte Branche fordern“, sagt ein Sprecher der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA). Nach mehreren Anlage-Skandalen will die Behörde gesetzlich vorschreiben lassen, dass Berater grundsätzlich nur nach einer staatlichen Prüfung Aktien, Anleihen oder Versicherungen verkaufen dürfen.
Die Strategie des neuen AWD-Chefs Müller klingt sinnvoll und logisch. Doch ein Erfolg ist damit noch lange nicht garantiert, zu groß ist der Vertrauensverlust unter den österreichischen AWD-Kunden. Der Wiener Statthalter des Unternehmens aus Hannover muss deshalb noch etwas anderes versuchen, um in Österreich wieder auf einen grünen Zweig zu kommen. Müller will auch Schadensersatz von den früheren Immofinanz-Managern, die den Skandal überhaupt erst ausgelöst haben.
Beim AWD gebe es einen „letztlich bis an die Existenzbedrohung gehenden Reputations- und Imageschaden“, schreiben die Anwälte des Finanzdienstleisters. 200 Mitarbeiter hätten AWD in der Folge des Skandals verlassen, „ein nicht unbeträchtlicher Teil des Kundenstocks ist verloren gegangen“. Der Schaden gehe in die Millionen, die Folgen der angekündigten Zivilklagen gegen den AWD seien nicht „einmal ansatzweise absehbar“.
Ralph Müller könnte versuchen, mit den Verbraucherschützern einen Vergleich zu erreichen. Aber auch das würde Millionen kosten und das AWD-Geschäft in Österreich auf Jahre belasten. Nicht die besten Aussichten für den neuen AWD-Chef in Wien. Aber immerhin versucht er, das Beste aus der Situation zu machen.
In Erklärungsnot kommt derweil die AWD-Zentrale in Hannover. Beim Finanzdienstleister sind offenbar zehntausende Kundendaten entwendet worden. Wie der Norddeutsche Rundfunk am Freitag mitteilte, seien der Redaktion von NDR Info insgesamt 27 000 Datensätze zugespielt worden. Diese enthielten Kundennummer, Adresse, Telefonnummer, Berufsbezeichnung, Geburtstag und die Vertragsabschlüsse der einzelnen Betroffenen.
Daraus sei unter anderem ersichtlich, welche Kunden eine Lebensversicherung abgeschlossen und wie viel Geld sie angelegt hätten. Zusätzlich gibt der Datensatz Auskunft über die Laufzeit der Verträge. Ein großer Teil der Verträge sei nach wie vor gültig. Wie die Informationen in Umlauf geraten konnten, ist unklar.
Ein AWD-Sprecher bestätigte dem NDR, dass es sich um Daten seines Unternehmens handelt. Aus dem Umfeld des Hannoveraner Finanzdienstleisters habe es geheißen, dass nur hochrangige Mitarbeiter Zugriff auf eine derart große Menge an Datensätzen hätten. AWD habe mittlerweile Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt, berichtete der NDR weiter. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen, Joachim Wahlbrink, sei bereits von AWD über den Vorfall informiert worden.
Link zum Artikel:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/awd-kaempft-um-seinen-ruf;2467946