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Herr Rosenthal, wissen Sie noch wie Sie vor zehn Jahren ins neue Jahrtausend gefeiert haben?
!Das war bei uns im Dorf auf einem Hof bei einer privaten Party. Obwohl ich erst 13 Jahre alt war, durfte ich schon allein mit Freunden feiern.
?Wo rutschen Sie heute ins neue Millennium?
!Keine Ahnung. Wegfahren ist ja nicht, weil wir mit 96 schon im Training sind und auch heute Morgen ranmüssen. Aber ein guter Freund von mir ist in Hannover, und dann schauen wir mal, was sich ergibt.
?Ist der Weihnachtsurlaub auch ausgefallen?
!Fast. Ich war immerhin vier Tage bei meinen Eltern in Staffhorst – zum ersten Mal seit drei Jahren, sonst bin ich immer verreist.
?Wie war’s, mal wieder zu Hause zu feiern.
!Schön, wobei es nach drei, vier Tagen auch genug ist. Das liegt nicht an den Menschen, sondern an dem Essen. Da wird ständig aufgetischt, da gibt’s jede Menge Süßigkeiten – also fast nur Sachen, die für einen Fußball-Profi eigentlich nicht so gut sind.
?Deshalb herrscht jetzt große Erleichterung, wieder richtig zu trainieren.
!Durchaus, obwohl die Situation bei 96 momentan nicht ganz so schön ist.
?Das liegt am Tabellenplatz, aber sicher auch am Suizid von Robert Enke. Wie oft haben Sie gerade zur Weihnachtszeit an ihn gedacht?
!In einigen ruhigen Momenten natürlich schon das eine oder andere Mal. Davor war es nach dem ersten Spiel eigentlich kein Thema mehr. Es geht halt – so ist das Leben – weiter. Erst, als unser Trainer am Ende der Hinrunde davon gesprochen hat, dass diese Geschichte für einige Spieler und auch für ihn selbst so etwas wie ein Alibi war, gewisse Dinge im disziplinarischen Bereich durchgehen zu lassen, kam die Sache wieder hoch. Das stört mich ein bisschen, weil ich es anders sehe. Das hatte keinen großen Einfluss aufs Fußballerische, und wir haben es auch nicht als Alibi genommen.
?Glauben Sie, dass die Tragödie Robert Enke richtig aufgearbeitet worden ist?
!Ja. Von Vereinsseite wurde alles sehr gut gemacht, es gab keinen besseren Weg.
?Trotzdem scheint es so, als hätte die Mannschaft es nicht so leicht verkraftet. Ohne Enke holte Hannover aus fünf Spielen nur noch einen Punkt.
!Natürlich fehlt uns Robert sowohl sportlich als auch menschlich. Aber es steht doch nun keiner auf dem Platz, denkt an Robert – und deshalb verlieren wir. Wir müssen aufs Fußballerische schauen, gucken, warum wir verloren haben.
?Wie groß ist die Sorge, den Klassenerhalt nicht zu schaffen?
!Wenn man wie wir am Ende der Hinrunde gegen Gladbach und Bochum verliert, dann bereitet einem das schon Sorgen. Es muss jedem klar sein, dass wir gegen den Abstieg spielen.
?Würden Sie 96 im Fall des Abstiegs verlassen?
!Vor kurzem hat der Verein meinen Vertrag per Option bis 2011 verlängert – und man muss abwarten, was der Verein mit mir nach einem Abstieg vorhätte. Ich will natürlich gerne weiter in der ersten Liga spielen – am liebsten mit Hannover.
?Das müssen Sie so sagen.
!Na gut – ich bin schon ein Typ, der die Herausforderung sucht und der schon auf einem Niveau mitspielen konnte, das deutlich höher ist als das Mittelfeld der Bundesliga. Da würde ich gerne wieder hin. Ich habe in den letzten zwei Jahren durch Verletzungen viel Zeit verloren. Das war ärgerlich, denn so schlimm waren die Sachen gar nicht. Ich bin manchmal zu früh wieder ins Training geschickt worden oder dachte selbst, es geht schon wieder. Da bin ich jetzt erfahrener und vernünftiger geworden.
?Also sind Sie bereit für einen Wechsel zu einem größeren Club. Dortmund wird Interesse nachgesagt.
!Es gibt nichts Konkretes – und ich habe meinem Berater gesagt: Er soll mich nicht verrückt machen, wenn zum Beispiel ein Manager erzählt, ich sei ein interessanter Spieler. Das wird über 10 000 Spieler in der Bundesliga gesagt . . .
?Zehn Jahre bei Hannover. Was bedeutet 96 für Sie?
!Ich habe hier mein halbes Leben verbracht und dem Club viel zu verdanken. Als Eigengewächs genießt man bei den Fans auch einen besonderen Ruf. Das bedeutet mir eine ganze Menge. Aber irgendwann muss man sehen, dass die eigenen Ansprüche und die Fähigkeiten, die einem nachgesagt werden, auch umgesetzt werden. In Hannover geht’s irgendwie nicht so voran. Außerdem gibt’s da ja noch den Spruch vom Auszubildenden im eigenen Betrieb . . .
?Davon kann Ihr Teamkollege Christian Schulz ein Lied singen. Der hat genau aus diesem Grund Werder Bremen verlassen. Haben Sie mit ihm schon darüber gesprochen?
!Natürlich, er kann mich gut verstehen. Und ich hoffe, die 96-Fans werden das irgendwann auch tun. Für mich muss der Anspruch sein, Nationalspieler zu werden. Das ist in Hannover kaum möglich.
?Das mit der Nationalmannschaft klingt aber ziemlich selbstbewusst.
!Wieso? Ich habe in der U 21-Nationalmannschaft gespielt, genauso wie Mesut Özil, Marko Marin, Sami Khedira oder Serdar Tasci. Mit denen war ich auf einem Level. Jetzt sind alle Nationalspieler. Noch besser sieht man es bei Aaron Hunt: Er ist seit längerem verletzungsfrei, spielt bei einem Topclub wie Werder und gehört prompt zum Kreis der Nationalmannschaft. Das will ich auch schaffen.
?Auf welcher Position?
!Ich bin ein Mittelfeldspieler fürs Zentrum – sowohl hinten als auch vorne. Ich will das Spiel lenken und nicht an der Außenlinie kleben müssen. Leider ist genau das in Hannover oft der Fall. Aber: Ich muss akzeptieren, dass Hanno Balitsch und Arnold Bruggink im Zentrum gesetzt sind. Ansonsten schlägt sich das negativ auf meine Leistung nieder.
?Klingt nach einem gewissen Lerneffekt nach vier Jahren als Profi.
!Durchaus – ich habe zum Beispiel erkannt, dass ich es kaum beeinflussen kann, wie ein Trainer entscheidet.
?Moment mal: Jeder Trainer würde behaupten, Sie müssten nur gut trainieren, um zu spielen?
!Das habe ich auch gehört, doch dann war es anders. Es werden oft politische Entscheidungen getroffen oder es wird der Weg des geringeren Widerstands gegangen – nach dem Motto: Der Rosenthal ist noch jung, hat noch Zeit und wird schon keinen Stress machen. Aber noch mal: Mit solchen Dingen habe ich mich viel zu sehr in meiner Freizeit beschäftigt, anstatt mich vom Fußball abzulenken. Deshalb habe ich im Oktober nebenbei ein Studium angefangen.
?Was genau machen Sie?
!Ich bin an der privaten Fachhochschule für die Wirtschaft in Hannover eingeschrieben, der Studiengang heißt International Management. Die sind da sehr entgegenkommend, was meine Anwesenheit betrifft. Aber meine Prüfungen schenken sie mir nicht.
?Und mit cleverer Zukunftsplanung hat das wirklich weniger zu tun.
!In erster Linie geht’s um die Gegenwart. Es hilft mir, mein intellektuelles Potenzial nicht auf den Fußball zu richten, sondern auf das Studium. Dadurch habe ich wieder mehr Spielfreude.
?Und noch weniger Zeit für die Familie in Staffhorst.
!Das ist leider richtig. Aber mein Lebensmittelpunkt ist nun einmal Hannover.
?Und die Sulinger Disco „Kreml“ ist endgültig Vergangenheit?
!(lacht) Vier Jahre war ich nicht mehr da – bis Weihnachten. Und ausgerechnet jetzt fragen Sie . . .
?Wie war’s denn?
!Wie früher, als ich mit 15, 16 Jahren zum ersten Mal da war. Allerdings wird man mittlerweile anders wahrgenommen. Das erinnert mich ein bisschen an Christian Schulz. Als ich 17,18 war, habe ich ihn im Kreml beobachtet und wie die anderen gesagt: Guck mal, da ist der Werder-Profi. Jetzt geht‘s mir ähnlich. Plötzlich kommen da Leute, die man kaum kennt, und wollen mit dir eine halbe Stunde quatschen.
?Werden Sie dann auch gefragt, warum Sie nicht bei Werder Bremen spielen?
!Das ist tatsächlich passiert.
?Und?
!Das wäre eine interessante Sache. Aber da fehlt bei mir noch etwas.
?Was?
!Eine starke Rückrunde. Werder wird nicht irgendwen verpflichten.
?Wie wär’s mit dem Werder-Wunsch fürs neue Jahr?
!Nein, nein. Das einzige, das ich mir wünsche, ist Gesundheit