@mit Proviantkoffer
Von dir hätte ich ehrlich gesagt etwas Seriöseres und Objektiveres erwartet.
Auch wenn man mit Ultras und Fankultur nicht viel anzufangen weiß, sollte einem beim Lesen dieses "Artikels", wie du ihn nennst, der aber in Wirklichkeit ein Kommentar ist, auffallen, dass er ausschießlich in eine Richtung geschrieben ist. Alleine die Überschriften der einzelnen Absätze ist dermaßen subjektiv und pauschalisierend, dass er sich in einer Tour selbst disqualifiziert.
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In Wahrheit waren vier bis fünftausend Menschen gekommen – eine verschwindend kleine Anzahl, wenn man bedenkt, dass viele Anhänger sowieso in der Stadt waren, weil am Vorabend die deutsche Nationalmannschaft gespielt hatte.
Dieser Ausschnitt zeigt, dass dieser Herr Giovanni nicht die geringste Ahnung zu haben scheint. Nichtmal ein Bruchteil der Demonstranten wird beim Länderspiel gewesen sein. Wenn man, wie der Autor, schon davon ausgeht, dass diese Demonstration fast ausschließlich aus Ultras bestand, dann würde man nicht davon ausgehen, dass sie wegen des Länderspiels bereits vor Ort gewesen seien, da Ultras in den seltensten Fällen zu Länderspielen reisen. Grund dafür sind, weswegen u.a. demonstriert wurde, die horrenden Eintrittspreise bei Länderspielen (Kategorie 1 beim vorletzen Länderspiel in Hannover kostete 65,- €, beim letzten Länderspiel dann schon stolze 80,- €).
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Objektiv betrachtet passt ein Sonntagsspiel um 17.30 Uhr längst besser zur Lebenswirklichkeit einer Gesellschaft, deren Läden am Samstag bis 20 Uhr geöffnet sind, als der traditionelle Termin samstags um 15.30 Uhr. Für die breite Bevölkerung ist es die bessere Anstoßzeit.
Ach ja? Ist das objektiv betrachtet wirklich so? Den Sonntag als Tag der Familie und des Amatourfußballs mit Anstoßzeiten von 13.00 Uhr bis 17.30 zu durchsetzen? Sonntag ist für viele Familien der einzige Tag, an denen sie wirklich zusammen etwas unternehmen können, und sei es nur das gemeinsame Mittagessen. Als Anhänger eines Zweitligisten könnte das problematisch werden, wenn sich Vater und Sohn vom Essenstisch entfernen, weil zu bester Essenszeit Fußball im Fernsehen läuft. Ebenso verhält es sich Sonntag Nachmittags, wenn die Oma besucht wird, oder abends, wenn man gerne gemeinsam essen gehen möchte.
Zudem gibt es auch noch die Fußballbegeisterten, die gerne ins Stadion gehen. Wenn man von außerhalb kommt und eine Stunde Fahrtzeit zu einem Heimspiel hat, könnte es problematisch werden, wenn Papa mit seinem zehnjährigen Sohnemann am Sonntagabend erst um 21.00 Uhr wieder zu Hause ist.
Dass es natürlich auch Leute gibt, denen die Sonntagsanstoßzeiten tatsächlich besser in den Kram passen als der Samstag, ist mir klar. Aber ob das wirklich die breite Bevölkerung ist, wie der Autor behauptet, wage ich ganz stark zu bezweifeln.
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Insgesamt jammern die deutschen Ultras auf extrem hohem Niveau, wie ein Vergleich mit England zeigt, dem Mutterland von Fußball und Fantum. Dort gibt es keine Stehplätze mehr, aber lückenlose Videoüberwachung plus rigide Stadionverbote - und in der Regel weit weniger Aggressionen und Polizei. Dort kostete letzte Saison ein Erstliga-Ticket mit durchschnittlich 43 Euro mehr als doppelt so viel wie in der Bundesliga (20,79 Euro). Sowieso unterhält das reiche Deutschland geradezu eine Dumping-Liga, was die Eintrittspreise angeht. In Spanien etwa kostet die Durchschnittskarte auch schon 40 Euro.
Jammern auf hohem Niveau, nur weil es in zwei genannten Ländern schlimmer ist? Schon mal auf den Trichter gekommen, dass man deshalb "auf hohem Niveau jammert", damit es in Deutschland erst gar nicht so weit kommt, wie es in England und Spanien der Fall ist? Es dürfte doch wohl auch im Interesse sämtlicher Nicht-Ultras liegen, dass sich solche Verhältnisse hierzulande erst gar nicht einstellen. Ständig wird gejammert von Wirtschaftskrise, sinkenden Nettolöhnen usw. Gerade da muss es doch im Sinne aller sein, dass Stadionbesuche für arbeitende Väter mit ihren Kindern bezahlbar bleiben und kein Privileg für Besserverdienende wird.
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Die meisten Klubs kuschen und hofieren die Ultras selbst dann noch, wenn diese mit Busblockaden und anderen Machtdemonstrationen die Vereinspolitik zu beeinflussen versuchen.
Es ist mir nicht bekannt, dass irgendwelche Klubs kuschen oder ihre Fanszene gar hofieren.
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Oft genug haben die Radikalen schon obsiegt. Jupp Heynckes trat vor ein paar Jahren in Mönchengladbach wegen Morddrohungen zurück. Und Markus Babbel nahm vorige Saison in Stuttgart seinen Hut, nachdem seiner Mannschaft aus hunderten Kehlen entgegen schlug, was inzwischen leider schon fast ein Klassiker in den Kurven ist: "Wenn ihr absteigt, schlagen wir euch alle tot."
Diese Aktionen lassen sich nicht von der Hand weisen und die verurteile ich ganz klar. Das hat weder etwas mit Fankultur, noch mit Fußball zu tun. Dabei sollte man allerdings nicht den Fehler begehen, von einigen Anhänger weniger Vereine auf die komplette Fankultur in Deutschland zu schließen.
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Mit ihren albernen Humba-Veitstänzen und Megaphon-Einlagen machen sich die Spieler zu Bütteln der Fans. Die Kurve wird überhöht zum Imperator, dem es zu gefallen gilt. Wenig überraschend leitet sie daraus das Recht ab, den Daumen bei Bedarf zu senken.
Alberne Humba-Veitstänze? Soso. Ich hatte nicht das Gefühl, dass unsere Mannschaft sich albern vorkommt, wenn sie in letzter Zeit nach Siegen mit der Kurve feiert. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass sich irgendwer albern vorkam, als unsere Roten in Bochum auf allen Vieren durch den Strafraum gekrabbelt sind. Ich habe auch nie das Wort albern vernommen, als ein Jürgen Klopp zu seiner Mainzer Amtszeit auf den Zaun kletterte und persönlich einen "albernen Humba-Veitstanz" anstimmte. Damals war das noch Kult. Heute ist es also albern. Wie sich die Zeiten doch ändern.
Ich betone es nochmal, die Fankultur besteht nicht allein aus Ultras. Es ist die Gesamtheit aller Fans, die ihr Fansein in den Stadien ausleben, die durch Liedgut Stimmung und durch ihre Fahnen Farbe in die Stadien bringen.
Das ist für mich Fankultur.Das ist für mich FankulturDas ist für mich Fankultur.Das ist für mich Fankultur.Das ist für mich Fankultur.Das ist für mich Fankultur.Das ist für mich Fankultur.Diese Liste ließe sich beliebig weiter fortsetzen und würde nach jedem Spieltag Zuwachs erfahren. Und zwar dank engagierter, aktiver Fans, die ihre Fankultur leben. Bilder, über die sich jeder Stadionbesucher freut, die im Fernsehen abgefeiert werden. Das alles wird jetzt in Frage gestellt? Damit gebe ich mich nicht zufrieden.
Mir ist klar, dass eine Menge falsch läuft innerhalb der Szenen. Das darf nicht unter den Teppich gekehrt, sondern daran muss gearbeitet werden. Die Fanprojekte leisten diesbezüglich seit Jahrezehnten gute Arbeit. Deswegen verstehe ich nicht, wieso hier der Untergang des Abendlandes herbei geredet wird, weil einige Medien durchdrehen. Viele Aktionen sind verurteilungswürdig, deshalb aber ganze Fanszenen unter Generalverdacht zu stellen und pauschal die Fankultur in Deutschland zu verunglimpfen zeugt nicht gerade von Weitsicht.
Wäre Fußball im Fernsehen immer noch so interessant, wenn es keine entsprechende fanatische Hintergrundkulisse mehr gäbe? Wäre es immer noch so interessant für neutrale Stadionbesucher, wenn es keine Fankurven mehr gäbe, die für Krach sorgen?
Warum wird immer über des Negative an Ultras gesprochen, nicht aber mal über das Positive? Dass sie die Mannschaft nach Niederlagen versuchen aufzumuntern, während die Westtribüne am Pfeifen ist? Dass sie versuchen, Auswärts Farbe und damit der Mannschaft zeigen, dass sie eine starke Wand im Rücken haben? Ich glaube schon, dass es für die Spieler einen Unterschied darstellt, ob sie Auswärts von 3.000 Fans begleitet werden oder nur von 500.
mit Proviantkoffer, gerne lasse ich mich auf eine sachliche Diskussion ein, aber das nächste Mal bitte mit Artikeln und Argumenten, die zumindest ansatzweise das Adjektiv "objektiv" verdienen.